Das Wachkoma (apallisches Syndrom, Durchgangssyndrom) ist ein Zustand, bei dem ein Patient wach wirkt, aber keinerlei Kommunikation mit der Umgebung zeigt. Es handelt sich um eine Unterform von Bewusstlosigkeit oder Koma, es lässt sich auch gewissermaßen als ein Mittelding zwischen Koma und Bewusstsein ansehen. Der Patient kann die Augen öffnen und atmen, reagiert ansonsten aber in keinster Weise auf andere Personen und bewegt sich nicht selbst. Die Ursache ist eine Schädigung des Gehirns, wie sie z. B. bei einer schweren Kopfverletzung oder einer Hirnblutung auftritt. Beim Wachkoma ist die Großhirnrinde in Mitleidenschaft gezogen, wohingegen der Hirnstamm zumindest annähernd normal arbeitet. Häufig besteht ein Wachkoma nur zwischenzeitlich und der Patient wacht wieder daraus auf, in anderen Fällen bleibt das Wachkoma dauerhaft bestehen.
Das Wachkoma ist unter verschiedenen Bezeichnungen bekannt, fachlich heißt es apallisches Syndrom, es wird auch Durchgangssyndrom, Coma vigile oder akinetischer Mutismus genannt. Syndrom reaktionsloser Wachheit (SRW) ist ein relativ neuer Ausdruck für das Krankheitsbild. Auch die englischen Begriffe Vegetative State (vegetativer Zustand) oder Permanent Vegetative State beziehungsweise Persistent Vegetative State (PVS) werden oft verwendet, ebenso wie gelegentlich Wakefulness Without Awareness (Wachzustand ohne Bewusstsein) oder Lucid Stupor (etwa "klare Erstarrung") werden gelegentlich verwendet. Personen im Wachkoma (apallisches Syndrom) werden Apalliker genannt. Die Anzahl der Menschen in Deutschland, die im Wachkoma sind, dürfte ungefähr zwischen 10 000 und 12 000 betragen.
Die Ursache des apallischen Syndroms (Wachkoma) ist eine Schädigung am Gehirn. Diese kann unterschiedliche Gründe haben. Oftmals geraten Patienten nach schweren Unfällen oder Gewalteinwirkungen mit Kopfverletzung in ein Wachkoma. Unfälle können beispielsweise beim Sport, im Straßenverkehr, im Beruf, im Haushalt oder bei Freizeitaktivitäten entstehen. Schwere Verletzungen führen zu einem Schädel-Hirn-Trauma, welches auch in ein apallisches Syndrom münden kann.
Eine Gehirnblutung oder ein Schlaganfall kann ebenfalls die Ursache des Wachkomas sein, da diese das Gehirngewebe erheblich schädigen können. Vergiftungen können für eine entsprechende Gehirnschädigung verantwortlich sein, die den Patienten in ein Wachkoma befördert. Ein Gehirn, das über einige Zeit nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird, kann ebenfalls in ein Wachkoma gelangen. Einige Patienten sind im Wachkoma, nachdem sie wiederbelebt werden mussten. Eine sehr lange dauernde starke Unterzuckerung ist ebenfalls ein möglicher Grund. Weitere mögliche Ursachen sind Gehirnerkrankungen wie die Alzheimer-Erkrankung oder die Parkinson-Erkrankung, Gehirnentzündung (Enzephalitis) oder Hirnhautentzündung (Meningitis) sowie des Weiteren Gehirntumore.
Das apallische Syndrom oder Wachkoma ist dadurch zu erklären, dass es gravierende Schäden an der Großhirnrinde gibt - der Hirnstamm, das Zwischenhirn und das Rückenmark sind dagegen weitgehend unversehrt. Bewusstsein und Denken wird von der Großhirnrinde gesteuert und finden bei Betroffenen nicht mehr richtig statt, die "ursprünglichen" Funktionen wie etwa die Atmung sind in den unteren Teilen des Gehirns beheimatet und daher im Wesentlichen vorhanden.
Das Wachkoma oder apallische Syndrom ist ein Zustand tiefer Bewusstlosigkeit, allerdings sind einige Funktionen noch vorhanden. Fast immer kommt es plötzlich zu dem Wachkoma, sobald eine bestimmte Ursache (Hirnblutung, Verletzung) eintritt. Nur bei Gehirnerkrankungen kommt es erst allmählich dazu, dass das Krankheitsbild entsteht.
Betroffene atmen im Prinzip selbstständig und können die Augen öffnen. Apalliker erwecken den Anschein, auf irgendeine Weise wach zu sein, können allerdings nicht mit der Umwelt interagieren oder kommunizieren. Von außen sind keine Anzeichen vorhanden, dass Betroffene die Umgebung bewusst wahrnehmen. Bei offenen Augen geht der Blick ins Leere, kein Blickkontakt wird hergestellt, aber die Augen können sich hin und her bewegen.
Der Schluckvorgang funktioniert bei den meisten Patienten, wenngleich sie künstlich über eine Magensonde ernährt werden müssen. Der Schlaf-Wach-Rhythmus kann mehr oder weniger intakt sein. Des Weiteren können Reflexe bei den Betroffenen hervorgerufen werden. Mitunter kommt es reflexartig dazu, dass Betroffene mit der Hand greifen, andere Bewegungsmuster oder Automatismen zeigen oder scheinbar emotionale Regungen wie Weinen oder Lächeln zeigen. Das geschieht jedoch nicht bewusst.
Apalliker sind inkontinent, das heißt, sie können ihre Darm- und Blasenentleerung nicht mehr steuern. Ein dauernder Muskelzug an den Armen und Beinen kann bestehen (Spastik). Das kann wiederum zu einer Versteifung von Gelenken führen. Bestand ein Sauerstoffmangel, dann können heftige Zuckungen der Muskulatur auftreten (Myoklonien).
Im Laufe der Zeit stabilisieren sich die Vorgänge im Körper. Nach einiger Zeit atmet der Betroffene meist so gut von selbst, dass auf die künstliche Beatmung verzichtet werden kann. Das deutet auf einen Prozess der Besserung der Grundfunktionen (Hirnstamm) hin. Viele Betroffene gewinnen um diese Zeit herum langsam wieder ihr Bewusstsein. Das Großhirn kann wieder arbeiten und der Patient kann aus dem Wachkoma aufwachen und die Fähigkeiten erholen sich zu einem gewissen Grad - oder aber der Patient bleibt langfristig in einem Wachkoma (Permanent Vegetative State). Wenn das vegetative Nervensystem nach einigen Wochen oder Monaten beeinträchtigt ist, können Symptome wie starke Schweißbildung, Herzrasen sowie Bluthochdruck auftreten.
Eine geringfügige Kommunikation zu einigen Patienten ist dennoch anscheinend möglich, insbesondere bei solchen Patienten, die sich schon eine lange Zeit (mehr als anderthalb Jahre) im Wachkoma befinden. Verschiedene neuere Studien zeigen dies. Damit ist bei diesen Patienten auch ein gewisses Bewusstsein vorhanden.
Die diagnostischen Maßnahmen, die eingesetzt werden, richten sich zum Teil nach der Ursache beziehungsweise dem speziellen Hergang, der die Bewusstlosigkeit herbeigeführt hat. Angehörige und Zeugen werden vom Arzt befragt, wie es zu dem Bewusstseinsverlust und beispielsweise zu dem Unfall kam und ob es vorherige Erkrankungen gab (Anamnese). Der körperliche Zustand wird durch den Arzt beurteilt, besonders wird auf die Nerven- und Gehirnfunktionen geachtet. Dabei richtet sich der Arzt nach folgenden Kriterien, die von der US-amerikanischen "Multi Society Task Force on Persistent Vegetative State" aufgestellt wurden - im Wesentlichen die Symptome des Wachkomas:
Die Situation des Betroffenen wird über Wochen bis Monate immer wieder untersucht. Weitere Erkenntnisse über die Gehirnschäden bringen bildgebende Verfahren, insbesondere die Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie, MRT). Neurologische (die Nerven betreffende) Untersuchungen sind ebenfalls wichtig, unter anderem das EEG (Elektroenzephalographie, Messung der Hirnströme) und die Bestimmung der evozierten Potenziale (Versuch, eine elektrische Erregung auf einen Reiz hin hervorzurufen).
Es ist nicht einfach, das apallische Syndrom (Wachkoma) von anderen Zuständen zu unterscheiden, bei denen die Patienten ähnlich auf die Außenwelt wirken. Beispielsweise gehören ein Koma und das Locked-In-Syndrom (fast vollständige Bewegungslosigkeit bei erhaltenem Bewusstsein) dazu. Sehr ähnlich wie das apallische Syndrom ist der sogenannte Minimally Conscious State (englisch, etwa "minimal-bewusster Zustand"), bei dem aber einfache Bewusstseinsfunktionen wie die Erkennung bekannter Personen intakt sind.
Nach der notfallmedizinischen Versorgung werden Patienten im Wachkoma zunächst auf der Intensivstation behandelt. Hier geschieht die Akutbehandlung. Normalerweise müssen Betroffene beatmet werden, wozu in der Regel ein Luftröhrenschnitt angelegt wird (Tracheotomie). Eine künstliche Ernährung über eine Magensonde muss erfolgen, die Sonde wird über die Bauchwand angelegt (PEG = perkutane endoskopische Gastrostomie). Schon in der Akutbehandlung werden Maßnahmen aus der Physiotherapie durchgeführt, um Komplikationen wie Lungenentzündungen und ständigen Muskelzug (Muskelkontrakturen) zu verhindern. Auch das Schlucken kann trainiert werden. Gegen einige der Symptome können Medikamente eingesetzt werden. Patienten können in der Regel aus der Intensivstation entlassen werden, wenn sie sicher selbsttätig atmen.
In der darauffolgenden Frührehabilitation stehen Maßnahmen im Vordergrund, mit denen versucht wird, das Gehirn, die Kommunikation und die Bewegungsfähigkeit zu fördern. Sie werden durch das Personal durchgeführt und stehen unter der Aufsicht von Ärzten. Durchgeführt werden z. B. weiterhin eine Physiotherapie, dazu eine Ergotherapie (Training von Aktivität und Gehirnfunktionen), Logopädie (Sprachtherapie) oder Musiktherapie. Basale Stimulation ist ein Verfahren, was in den meisten Fällen bei Wachkomapatienten erfolgt und die Kommunikation, Wahrnehmung und körperliche Handlungen ermöglichen und unterstützen soll.
Nach einem Monat bis einem Jahr (je nach Ursache und Verlauf) stellt sich heraus, wie es mit dem Patienten weitergeht. Bessern sich die Fähigkeiten deutlich, dann können nun fortgeschrittene Verfahren aus der Rehabilitation durchgeführt werden.
Besteht allerdings unverändert ein Wachkoma beziehungsweise eine Bewusstlosigkeit, dann wird eine Dauertherapie (aktivierende Behandlungspflege) vorgenommen. Menschen im Wachkoma werden oft von Angehörigen zu Hause versorgt. Dabei können sie Hilfe von ambulanten Pflegediensten in Anspruch nehmen. Der Vorteil der Pflege daheim ist, dass sich die Familie besonders gut um den Betroffenen kümmern kann und eventuelle Reaktionen oder eine doch stattfindende minimale Kommunikation hier eher möglich sein können als in einer Einrichtung fernab von bekannten Personen.
Das Wachkoma (apallisches Syndrom) kann unterschiedlich verlaufen. In einem Teil der Fälle bessert sich der Zustand von Patienten wieder. Patienten können im Großen und Ganzen wieder genesen oder können zumindest einen Teil der Alltagsfunktionen wiedererlangen. Dies kann durchaus Monate in Anspruch nehmen. In anderen Fällen kommt es bei Betroffenen aber zu einem endgültigen Fehlen des Bewusstseins - unter dem diese Patienten durchaus noch viele Jahre lang leben können. Bei welchen Patienten das Bewusstsein und die alltäglichen Fähigkeiten wieder zurückkehren und bei welchen Patienten nicht, kann nur schwer vorausgesagt werden.
Die Aussichten scheinen besser zu sein, wenn Patienten im jungen Alter ins Wachkoma geraten, wenn die Ursache eine Verletzung ist und keine Durchblutungsstörung oder Sauerstoffmangel sowie wenn das ursprüngliche Koma weniger als einen Tag andauert. Die Prognose ist hingegen deutlich herabgesetzt, wenn verschiedene Untersuchungen (Neurologie, bildgebende Verfahren) eine massive Schädigung erwarten lassen. In vielen Fällen ist das Ziel der Behandlung nicht mehr die vollständige Genesung, sondern die Verbesserung der anschließenden Lebensqualität (palliative Behandlung).
Die Erholung aus dem Wachkomazustand nimmt oft viel Zeit in Anspruch. Wenn Patienten nach einer Kopfverletzung nicht nach einem Jahr wieder eine Besserung erfahren, dann ist auch danach nicht mehr mit einer zu rechnen. Nach einer Schädigung anderer Ursache (z. B. Sauerstoffmangel, Blutung) ist schon nach drei Monaten nicht mehr mit einer Besserung zu rechnen, wenn sie bis dahin noch nicht eingetreten ist. Auch wenn Patienten aus dem Wachkoma aufwachen, benötigen sie in vielen Fällen weiterhin dauerhaft fremde Hilfe.
Eine exakte Auswertung der Prognose ist nicht möglich, weil das apallische Syndrom anfangs häufig nicht richtig festgestellt wurde. Es kommt immer wieder vor, dass Menschen mit solchen Krankheitsbildern unter einer falschen Diagnose behandelt werden und eine lange Zeit leben. So können einige auch trotz vermeintlichen Wachkomas im gewissen Rahmen mit der Außenwelt kommunizieren und ihre Bedürfnisse mitzuteilen.
Bei einem Wachkoma mit limitierter Prognose steht die Frage im Raum, ob der Wunsch besteht, die Therapie zu beenden und den Tod herbeizuführen. Betroffene selbst können sich im vollständigen Wachkoma natürlich nicht dazu äußern. Ein gesetzlicher Betreuer, in der Regel ein naher Angehöriger, wird für jeden (volljährigen) Patienten berufen. Dieser entscheidet im Zweifelsfall, welche Maßnahmen durchgeführt werden sollen und welche nicht. Der Betreuer richtet sich dabei nach dem wahrscheinlichen Wunsch des Patienten, bei Unstimmigkeiten wird das Betreuungsgericht eingeschaltet. Eine vorher willentlich festgelegte, schriftliche Verfügung des Patienten kann deutlich machen, ob eine Weiterführung der Therapie bei solche Zuständen erwünscht ist oder nicht.
aktualisiert am 31.03.2023