Unter einer Nierenarterienstenose versteht man eine Verengung der Arterie, die die Niere versorgt (Arteria renalis). Die Verengung der Nierenarterie oder ihrer Abzweigungen kann einseitig oder auch beidseitig auftreten. Die Verengung wird in etwa 80 Prozent der Fälle durch Arteriosklerose hervorgerufen. In der Folge kann eine durch den sogenannten Goldblatt-Effekt hervorgerufene arterielle Hypertonie (Bluthochdruck) entstehen. Meist sind ältere Menschen betroffen, die zusätzlich rauchen. Circa 20 Prozent der Patienten leiden an einer angeborenen Enge der Nierenarterie (vor allem Frauen). In diesem Fall wird die Nierenarterienverengung durch eine besonders ausgeprägte Gefäßwandmuskulatur und Bindegewebsstruktur des Gefäßes hervorgerufen.
Man unterscheidet somit folgende Formen der Nierenarterienstenose:
Ursachen der Nierenarterienstenose sind:
Info: Die Pathophysiologie (Krankheitsentstehung) des Bluthochdrucks bei der Nierenarterienstenose lässt sich durch den Goldblatt-Effekt erklären. In der Niere befindet sich eine Funktionseinheit, die den Blutdruck steuert (juxtaglomerulärer Apparat). Kommt es zu einer Verkleinerung des Nierenarteriendurchmessers auf weniger als 40 Prozent, so nimmt die Nierendurchblutung deutlich ab. Auf die verminderte Durchblutung reagiert die Niere wie auf einen niedrigen Blutdruck: Es kommt zu einer vermehrten Ausschüttung des Hormons Renin. Dieses Hormon führt über das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System zu einer Engstellung der Gefäße im Körper (Vasokonstriktion). Ebenso bewirkt das Renin eine vermehrte Wiederaufnahme (Rückresorption) von Natrium und Wasser in der Niere. Durch diese Vorgänge kommt es in der Folge zu einem typischen Anstieg des Blutdrucks im Körper. Dadurch versucht die erkrankte Niere gewissermaßen, ihre eigene eingeschränkte Durchblutung zu verbessern. Sie steigert dabei allerdings den Druck im Körperkreislauf auf krankhafte Werte. Falls die andere Niere gesund ist, kann diese über eine vermehrte Ausscheidung von Flüssigkeit und Salz den Blutdruck wieder senken. Die Folgen einer Nierenarterienstenose entwickeln sich deshalb vor allem bei beidseitiger Erkrankung oder bei Erkrankung an der einzigen (funktionsfähigen) Niere.
Die Verengung der Nierenarterie muss nicht immer Beschwerden auslösen, sie kann auch ohne Symptome verlaufen. In vielen Fällen kommt es jedoch zu einem Bluthochdruck, der durch die Nierengefäßerkrankung hervorgerufen wird (renovaskuläre Hypertonie). Zudem ist die Blutzufuhr zu den Nieren verringert. Dadurch kann es zu einer Nierenfunktionsstörung kommen.
Für Bluthochdruck ist in ein bis fünf Prozent aller Fälle eine Nierenarterienstenose als Ursache zu nennen. Bei akutem oder schwerem Bluthochdruck ist der Anteil, der durch die Gefäßverengung der Niere verursacht wird, wesentlich höher.
Bluthochdruck durch eine Verengung der Nierenarterie zeigt sich besonders als Erhöhung des diastolischen (kleineren) Blutdruckwertes. Der systolische (größere) Blutdruckwert ist jedoch ebenfalls gesteigert. Vor allem bei einer Erhöhung auf mehr als 180/115 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule) kann der Verdacht auf eine Nierenarterienstenose geäußert werden. Normale Blutdruckwerte liegen bei 120/80 mmHg, von Bluthochdruck wird im Allgemeinen ab 140/90 mmHg gesprochen.
Bluthochdruck verursacht meist keine oder nur geringe Beschwerden. Daher lässt er sich von den Betroffenen häufig nicht erkennen, sondern wird meist erst bei Blutdruckmessungen festgestellt. Wenn Symptome auftreten, können dies unter anderem morgendlicher Kopfschmerz, Schwindel, innere Unruhe, Herzklopfen, Müdigkeit, Schlafstörungen oder Kurzatmigkeit sein.
Bei Menschen mit Bluthochdruck können neben den stark erhöhten Messwerten folgende Anzeichen auf eine Nierenarterienstenose hindeuten:
In selteneren Fällen liegt der Blutdruck von Betroffenen mit Nierenarterienstenose im Normbereich.
Durch die Verengung der Arterie kann sich die Nierenfunktion allmählich verschlechtern (Niereninsuffizienz). Bei deutlich eingeschränkter Funktion kommt es zu Symptomen wie:
Manchmal kommt es zu einem akuten Verschluss des Blutgefäßes. Die Niere wird plötzlich nicht mehr durchblutet (Niereninfarkt). Die Anzeichen sind starke Flankenschmerzen, Bauchschmerzen oder Rückenschmerzen, häufig auch Blut im Urin, Übelkeit und Erbrechen oder Fieber.
Betroffene werden meist aufgrund eines erhöhten Blutdrucks genauer untersucht. Dieser kann beispielsweise beim Blutdruckmessen bei einer allgemeinen Gesundheitsuntersuchung in der hausärztlichen Praxis aufgefallen sein. Erste Hinweise auf eine Nierenarterienstenose können in einem Diagnosegespräch (Anamnese) erfasst werden. Bei schlanken Menschen kann bei der körperlichen Untersuchung eine Verengung der Nierenarterie mit dem Stethoskop gehört werden. Das Strömungsgeräusch kann im Bereich des Bauchnabels, über dem Bauch und den Flanken auftreten.
In der Blutuntersuchung sind besonders die Blutwerte für Kreatinin, Elektrolyte (wie Kalium) oder die GFR (glomeruläre Filtrationsrate) von Bedeutung. Die Untersuchung einer Urinprobe bringt weitere Informationen. Anhand einer Langzeit-Blutdruckmessung wird ermittelt, wie ausgeprägt die Erhöhung des Blutdrucks ist.
Die Gefäßveränderung wird in erster Linie mit einer Ultraschalluntersuchung der Nieren und ihrer Gefäße diagnostiziert. Bei der Untersuchung können die Fließgeschwindigkeit des Blutes durch die Gefäße bestimmt (Duplex-Sonografie) und die Gefäßweite ausgemessen werden. Ist eine bedeutende Verengung mit niedriger Flussgeschwindigkeit nachweisbar, so wird eine Therapie notwendig. Häufig zeigt sich auch eine deutlich verkleinerte Niere auf einer Seite. Bei der Ultraschalluntersuchung werden keine Röntgenstrahlen angewendet, sie ist daher für den Patienten besonders schonend.
Eine weitere Möglichkeit ist die so genannte MRT-Angiografie, bei der eine sehr genaue Darstellung der Nierengefäße erfolgt. Hier erhält der Patient über die Vene ein Kontrastmittel, mit dessen Hilfe die Nierengefäße gut sichtbar gemacht werden können. Außerdem kann eine Nierenszintigrafie sinnvoll sein, bei der eine Funktionsstörung über die Verabreichung eines gering radioaktiven Mittels sichtbar gemacht wird. Ist mit den anderen Methoden keine genaue Diagnose möglich, kann auch eine digitale Subtraktions-Angiografie (DSA) durchgeführt werden. Hierbei können die Blutgefäße mit Kontrastmittel dargestellt und störende Anteile aus dem Bild entfernt werden.
Um eine Nierenarterienstenose zu behandeln, stehen mehrere Therapieoptionen zur Verfügung.
Als Medikamente kommen häufig ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptorblocker zum Einsatz. Beide Wirkstoffgruppen senken den Blutdruck und können das Fortschreiten der Nierenerkrankung verzögern. Weitere Möglichkeiten sind Diuretika (harnfördernde Medikamente), Betablocker oder Renin-Hemmer. Erst wenn die medikamentöse Behandlung versagt und es zu keiner Besserung der Blutdruckwerte kommt, kommen Katheter-Eingriffe oder operative Verfahren in Frage.
Bei beidseitiger Nierenarterienstenose oder bei einer Einzelniere kann die Therapie mit einem ACE-Hemmer oder einem Angiotensin-II-Hemmer zum akuten Nierenversagen führen. In diesen Fällen wird sie nicht empfohlen.
Liegt eine Arteriosklerose vor, kann die Gabe von Medikamenten zur Cholesterinsenkung (wie Statine) oder zur Gerinnungshemmung (zum Beispiel Acetylsalicylsäure) angezeigt sein.
Die PTA (perkutane transluminale Angioplastie) ist eine Behandlungsmaßnahme, die über einen Katheter in der Blutbahn vorgenommen wird. Sie führt in 80 Prozent der Fälle zu einer erfolgreichen Beseitigung der Engstelle. Wie bei einem Herzkatheter kann mittels Katheter ein Ballon bis zur betroffenen Nierenarterie vorgeschoben werden. Dieser Ballon wird dann an der Stelle des Defektes aufgedehnt, um das Gefäß zu weiten (Ballondilatation). Die Arterie wird dadurch wieder durchgängig. Gegebenenfalls kann ein Stent, eine innere Gefäßstütze, eingesetzt werden. Durch den Stent soll die Offenhaltung des Gefäßes sichergestellt werden.
Die PTA wird meist dann durchgeführt, wenn die Arterie zu über 80 Prozent eingeengt ist und somit eine Verbesserung der Blutdruckerhöhung nicht zu erwarten ist. Das Verfahren kommt ebenfalls zum Einsatz, wenn die medikamentöse Behandlung des hohen Blutdrucks nicht zu einer ausreichenden Drucksenkung führt. Besteht ein deutlicher Verlust der Nierenfunktion, kommt die PTA in bestimmten Fällen ebenso in Frage.
In seltenen Fällen kann eine Operation notwendig werden, wenn auch mit der Katheterbehandlung kein Erfolg erzielt werden konnte. Bei einem operativen Eingriff wird das verengte Gefäßstück entnommen und gegebenenfalls mit einer Gefäßprothese überbrückt (aortorenaler/anatomischer oder extraanatomischer Bypass).
Bei einer Nierenarterienstenose ist es besonders wichtig, auf eine gesunde Lebensführung zu achten. Dazu gehören folgende Empfehlungen:
Für Betroffene, die bereits schwere, chronische Nierenschäden haben, gelten besondere Empfehlungen wie eine proteinarme Ernährung.
In der Regel kann die Nierenarterienstenose mit den beschriebenen Eingriffen behoben werden. In der Mehrzahl der Fälle erreicht man eine Normalisierung des Blutdrucks. Das ist jedoch nicht immer möglich. Je länger eine Stenose unbehandelt bleibt und ein hoher Blutdruck besteht, desto geringer ist die Chance, dass sich der Blutdruck wieder erniedrigt. Grund ist, dass der Körper sich mit der Zeit an den hohen Blutdruck anpasst. Bei einem anhaltenden Bluthochdruck spricht man von einem fixierten Bluthochdruck. Länger bestehender Bluthochdruck kann gefährliche Auswirkungen haben wie Herzmuskelschwäche (Herzinsuffizienz), Herzinfarkt, Schlaganfall, arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) oder Schäden an der Netzhaut des Auges. Insgesamt besteht bei Betroffenen mit einer Nierenarterienverengung eine erhöhte Sterblichkeit. Diese ist umso höher, je stärker das Gefäß verengt ist.
Die Prognose hängt auch von der Ursache der Verengung ab: Bei der fibromuskulären Entstehungsform kann mit der Behandlung meist ein normaler Blutdruck erreicht werden. Bei der arteriosklerotischen Form bleibt häufiger ein Bluthochdruck bestehen. Das liegt auch daran, dass die Erkrankung oft erst spät im Verlauf festgestellt wird und nicht frühzeitig behandelt wird.
Zudem droht bei einer nicht behandelten Nierenarterienstenose ein schleichender Funktionsverlust sowie eine Schrumpfung der Niere. Die nicht betroffene Niere kann sich daraufhin vergrößern.
AWMF – S2k-Leitlinie Erkrankungen der Nierenarterie: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/004-008 (online, letzter Abruf: 21.07.2023)
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NYU Langone Health – Renal Artery Stenosis: https://nyulangone.org/conditions/renal-artery-stenosis (online, letzter Abruf: 21.07.2023)
aktualisiert am 22.07.2023