Drei Viertel aller Patienten, die unter einer psychischen Erkrankung leiden, klagen über Schlafstörungen. Es kommt zu Einschlaf- und Durchschlafstörungen oder zu Früherwachen. Man spricht dann von sekundären Schlafstörungen, da dem schlechten Schlaf eine psychiatrische Grunderkrankung zugrunde liegt.
Umgekehrt kann eine fortdauernde Schlafstörung in eine psychische Erkrankung führen. Wer Nacht für Nacht zu wenig Schlaf hat, sich erschöpft durch den Tag schleppt und mit Angst vor der nächsten schlaflosen Nacht wieder ins Bett geht, ist bald am Ende seiner Kräfte. Ein Abgleiten in eine depressive Verstimmung oder gar eine klinische Depression durch permanenten Schlafmangel ist keine Seltenheit.
Fast 90 Prozent aller Menschen, die unter Depressionen leiden, leiden auch unter Schlafstörungen. Depressive berichten häufig, dass eine akute depressive Phase sich mit Schlafstörungen ankündigt.
Der Schlaf eines depressiven Menschen unterscheidet sich von dem eines gesunden Menschen in einigen Punkten. Beim Depressiven ist die erste Tiefschlafphase kürzer und der Betroffene kommt früher in die REM-Phase, die dann wesentlich länger dauert als bei einem gesunden Menschen. REM-Phase steht für Rapid Eye Movement: In dieser Schlafphase bewegen sich die Augen hinter geschlossenen Lidern hin und her. Beim Depressiven ist die Zahl der Augenbewegungen höher als beim Gesunden. Ob die veränderten REM-Phasen schuld daran sind, dass der Schlaf bei Depressionen weniger tief und erholsam ist, ist noch ungeklärt. Typisch für Depressive ist auch, dass sie sehr früh erwachen. Sie liegen dann körperlich erschöpft, aber innerlich hellwach und angespannt im Bett, unfähig, wieder einzuschlafen.
Bei einigen Menschen schlägt sich eine Depression vor allem in körperlichen Symptomen nieder: Sie leiden unter
Die körperlichen Symptome überdecken die eigentlichen psychischen Ursachen. Man spricht von einer larvierten Depression.
Antidepressiva, die zur Behandlung von Depression eingesetzt werden, können den Schlaf verbessern. Im Gegensatz zur stimmungsaufhellenden Wirkung, die einige Wochen braucht, um sich zu entfalten, tritt die beruhigende Wirkung von Antidepressiva zeitnah ein. Deshalb werden Antidepressiva auch Menschen verschrieben, die zwar an Schlafstörungen, aber nicht an Depression leiden. Im Gegensatz zu Schlafmitteln können Antidepressiva über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Die Gefahr, eine Abhängigkeit zu entwickeln, ist bei Antidepressiva geringer als bei klassischen Schlafmitteln. Antidepressiva sollten nicht einfach abgesetzt, sondern langsam ausgeschlichen werden. Das Absetzen des Medikaments sollte mit einem Arzt besprochen werden.
Gerade bei einer Depression ist das Verlangen hoch, sich hinzulegen und die Decke über den Kopf zu ziehen. Betroffene bleiben häufig lange im Bett liegen, auch wenn sie nicht schlafen können. Doch wer zehn Stunden im Bett verbringt und grübelt, fühlt sich anschließend nicht besser. Schlafmediziner setzen daher auf eine Reduzierung der Zeit im Bett. Menschen mit Schlafstörungen – und insbesondere depressive Menschen mit Schlafstörungen – sollten besser spät ins Bett gehen und früh aufstehen.
Das Verlangen, sich tagsüber hinzulegen und auszuruhen, ist bei Depressionen ebenfalls groß. Nächtliche Schlafstörungen sind jedoch nicht selten die Folge von Tagesschlaf. Bei Depressionen sollte Tagesschlaf vermieden werden, da damit häufig ein Stimmungsabfall verbunden ist.
Angststörungen können unterschiedliche Ausprägungen haben. Neben vielen anderen Symptomen gehen sie häufig mit Schlafstörungen einher. Betroffene können schlecht einschlafen, weil belastende und angstbesetzte Situationen immer wieder gedanklich durchgespielt werden. Gelegentlich kommt es zu
Geschieht dies mehrmals, gesellt sich eine Erwartungsangst hinzu: Man hat Angst davor, ins Bett zu gehen, weil dort die Panikattacke auf einen wartet.
Posttraumatische Belastungsstörungen erreichen oft nachts ihren Höhepunkt. Wenn der Körper zur Ruhe kommt, tritt das belastende Ereignis gedanklich in den Vordergrund. Betroffene schlafen schlecht ein, leiden an Alpträumen oder wachen nachts auf und werden von Erinnerungen heimgesucht.
Bei allen Angsterkrankungen sowie bei posttraumatischen Belastungsstörungen können Antidepressiva helfen, den Schlaf zu verbessern.
Aufgrund seiner sedierenden (dämpfenden) Wirkung wird Alkohol gerne als Einschlafhilfe verwendet, nicht umsonst ist das Feierabendbier so beliebt. Zwar fällt man alkoholisiert zunächst tatsächlich leichter in den Schlaf, aber in der zweiten Nachthälfte erwacht man und kann nicht mehr einschlafen. Alkohol als Einschlafhilfe kann zudem in eine Abhängigkeit führen, sodass dann nicht nur abends, sondern auch tagsüber getrunken wird und die Dosis gesteigert werden muss. Bei Alkoholkranken ist der Schlaf gestört. Die Tiefschlafphasen sind seltener und die REM-Phasen dauern länger. Der Schlaf ist weniger erholsam.
Nicht selten ist es die Schlaflosigkeit, die in eine Abhängigkeit von Schlaf- und Beruhigungsmitteln führt. Die Medikamente helfen schnell und führen den gewünschten Schlaf herbei. Doch wer sie einnimmt, setzt sich einem hohen Risiko aus, in kurzer Zeit davon abhängig zu werden. In Deutschland sind mehr als eine Million Menschen von Schlafmitteln abhängig. Synthetische Schlafmittel sollten nur kurzzeitig eingenommen werden. Wer regelmäßig Schlaftabletten einnimmt, wird irgendwann feststellen, dass sie keine Wirkung mehr zeigen und er dann trotz oder vielmehr wegen der Schlafmittel nicht mehr schlafen kann. Schlaf- und Beruhigungsmittel sollten mit ärztlicher Hilfe schrittweise abgesetzt werden.
Bei Demenz ändert sich der Schlaf-Wach-Rhythmus. Das Zeitgefühl geht verloren und der Erkrankte kann häufig nicht mehr zwischen Tag und Nacht unterscheiden. Das führt zu einem nächtlichen Aktivitätsdrang, der sich mit dem sogenannten Sun-Downing-Syndrom, einer Unruhe in den Abendstunden, ankündigt. Der verschobene Tag-Nacht-Rhythmus kann für Angehörige und Pflegepersonal kräftezehrend sein. Die Medikamente, die gegen Demenz eingenommen werden, können zusätzlich Schlafstörungen als Nebenwirkung haben und damit die nächtliche Unruhe noch verstärken.
Vorrangig wird bei diesen Schlafstörungen die psychische Erkrankung behandelt. Je nach Schwere kann dies eine Kombination aus Psychotherapie und Medikamenten sein. In einigen Fällen empfiehlt sich ein Aufenthalt in einer psychosomatischen oder psychiatrischen Klinik.
Bessert sich die Psyche des Patienten, dann werden meist auch die Schlafstörungen besser. Trotzdem sollten gerade Menschen mit psychischen Krankheiten Schlaflosigkeit vermeiden, da sie einen großen Stressfaktor darstellt, der dann erneut zu einem Auslöser für die Grunderkrankung werden kann.
Es ist wichtig, dass sich psychisch Kranke auch in den stabilen Phasen darum bemühen, herauszufinden, was ihnen Ruhe, Entspannung und Ausgeglichenheit verschafft. Bewegung an der frischen Luft, eine ausgewogene Ernährung, der Verzicht auf Koffein und Alkohol, der Austausch mit anderen Betroffenen – all das kann dazu beitragen, sich besser zu fühlen und damit nachts besser schlafen zu können. Entspannungs- und Atemtechniken können auch in akuten Krankheitsphasen hilfreich sein und unterstützen einen gesunden Schlaf.
aktualisiert am 22.03.2021