Der Mensch ist ein tagaktives Wessen. Seine biologische Uhr tickt so, dass er zum späteren Abend hin, wenn es draußen dunkel ist, müde wird. Dann legt er sich hin, schläft sieben bis acht Stunden und steht auf, wenn der Tag anbricht und es hell wird. Der menschliche Schlaf-Wach-Rhythmus ist dem Tag-Nacht-Wechsel angepasst. Alle wesentlichen Körperfunktionen und Vorgänge im menschlichen Organismus basieren auf diesem Tag-Nacht-System.
Wenige Menschen haben die Möglichkeit, nach ihrem natürlichen Biorhythmus zu leben. Oft klingelt der Wecker eine Stunde früher als erwünscht. Besonders hart aber trifft es Menschen, die während der Nacht arbeiten müssen. Wer als Bäcker jeden Morgen um zwei Uhr in der Backstube stehen muss und Feierabend hat, wenn andere in den Tag starten, der muss einen eigenen Rhythmus finden. Eine Möglichkeit besteht darin, direkt nach der Arbeit vier bis fünf Stunden zu schlafen und sich vor der Arbeit noch einmal drei Stunden ins Bett zu legen. Auf diese Weise hat man auch die Möglichkeit am sozialen Leben derer teilzunehmen, die normale Arbeitszeiten haben.
Damit der Schlaf nach der Arbeit sich auch einstellt, sollte in den letzten vier Arbeitsstunden kein Kaffee mehr getrunken und nur eine leichte Mahlzeit gegessen werden. Am besten ist es, wenn der nächtliche Arbeitsplatz möglichst hell ausgeleuchtet ist.
Es dauert lange, bis der Körper sich auf einen verschobenen Schlaf-Wach-Rhythmus einstellt. Wochenenden und Urlaubszeiten verhindern, dass Nachtarbeiter komplett in ihrem veränderten Rhythmus leben. Eine wirkliche sogenannte "Resynchronisation" findet nicht statt. Hinzu kommt, dass Tagesschlaf weniger tief und erholsam ist als Nachtschlaf. Wer tagsüber schlafen muss, sollte auf ein kühles, dunkles Schlafzimmer achten, das möglichst viel vom Tageslärm ausschließt. Eine Schlafbrille und Ohrstöpsel können nützlich sein. Auch ein Ritual, das fest mit dem Zubettgehen verknüpft ist, kann helfen, den Körper auf den Schlaf einzustimmen: Das kann Entspannungsmusik, eine warme Dusche oder eine Tasse Kräutertee sein.
In einigen Berufen ist nicht nur Nachtarbeit erforderlich, sondern auch Schichtarbeit. Die innere Uhr kommt bei einem ständig wechselnden Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinander. Es gibt Menschen, die kommen damit besser zurecht als andere.
Am einfachsten ist es für den Körper zu verkraften, wenn nur eine Nachtschicht gearbeitet werden muss, da sich eine schlaflose Nacht noch am besten kompensieren lässt. Kürzere Schichtwechsel sind generell besser als wöchentlich wechselnde Schichten. Die Schichten sollten nach vorne rotieren: also von Frühschicht über Spätschicht zu Nachtschicht.
Schichtarbeit hat Auswirkungen auf den gesamten menschlichen Organismus. Menschen, die nicht von Natur aus über eine robuste Gesundheit verfügen, sollten darauf verzichten. Wer unter Herz-Kreislauferkrankungen, Leber- und Schilddrüsenproblemen, Diabetes mellitus, Epilepsie, psychischen Erkrankungen oder Depressionen leidet, sollte unbedingt einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus einhalten. Menschen mit dieser Indikation können sich in vielen Fällen auch ärztlich vom Schichtdienst befreien lassen. Auch ältere Menschen sollten keine Schichtarbeit leisten.
Ein spezifisches Krankheitsbild, das sich aus Nacht- und Schichtarbeit ableiten lässt, gibt es nicht. Schlafstörungen sind die häufigste Folge. Darüber hinaus kommt es durch den gestörten Biorhythmus zu Magen-Darm-Beschwerden, Appetitlosigkeit, Nervosität und innerer Unruhe.
Wer dauerhaft nicht richtig schlafen kann, riskiert Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Übergewicht und hat eine höhere Wahrscheinlichkeit an einer schweren Krankheit wie Krebs oder Alzheimer zu erkranken als der Durchschnitt. Wer langfristig Schichtarbeit leistet, muss auch mit kognitiven Einbußen rechnen: Die Konzentration lässt nach und die Denk- und Gedächtnisleistungen verringern sich.
Psychische Erkrankungen, allen voran die Depression, sind unter Schichtarbeitern besonders verbreitet. Ob dies allein am Schlafentzug liegt oder auch an den eingeschränkten Möglichkeiten am sozialen Leben teilzunehmen, ist noch nicht ausreichend erforscht.
Schichtarbeit hat zur Folge, dass der Mensch schlafen muss, wenn er nicht müde ist und nicht schlafen darf, wenn er schlafen möchte. Um dem Schlaf auf die Sprünge zu helfen, wird häufig Alkohol getrunken. Tatsächlich kann Alkohol beim Einschlafen helfen, fördert aber nicht den gesunden, erholsamen Schlaf, den der Körper braucht. Man erwacht vorzeitig und fühlt sich nicht so erfrischt, wie es nach dem Schlafen der Fall sein sollte. Abgesehen davon schadet dauerhafter Alkoholkonsum dem Organismus und kann in die Sucht führen. Das Gleiche gilt auch für synthetische Schlafmittel. Sie führen schnell in die Arzneimittelabhängigkeit und zeigen dann keine Wirkung mehr.
Mehr als ein Drittel der Menschen, die keinen erholsamen Schlaf haben, bekommen vom Arzt Schlafmittel. Schlafmittel sollten nur verschrieben werden, wenn eine kurzfristige Ausnahmesituation vorliegt. Sie werden nicht zur dauerhaften Therapie empfohlen, weil sie viele Nachteile hervorrufen. Zu den häufigsten Schlafmittel, die eingesetzt werden gehören die Benzodiazepine und die Benzodiazepin-Agonisten. In einigen Fällen greifen Ärzte auch auf Antidepressiva, Neuroleptika und Antihistaminika zurück. Schlaffördernde Wirkungen haben auch einige Phytotherapeutika, Arzneimittel, die aus Pflanzen zubereitet werden. Wissenschaftlich nachgewiesen ist die fördernde Wirkung auf den Schlaf bei Baldrian, Hopfen und Passionsblume.
Schlafmittel haben häufig den Nachteil, dass man nach dem Aufwachen noch müde ist. Amphetamine können helfen, sich wacher und wieder leistungsfähig zu fühlen. Doch ist der Wechsel aus Schlaf- und Aufputschmitteln ein gefährlicher Teufelskreis, der nicht selten in einer Missbrauchsspirale endet. Nicht nur ist es schwierig, sich von dieser Sucht wieder zu befreien, auch können Psychosen und erhebliche gesundheitliche Schäden die Folge sein. Wer nach dem Gebrauch von Schlafmitteln fit werden möchte, sollte auf Koffein-Tabletten oder Kaffee zurückgreifen.
Die Wahrscheinlichkeit durch Schichtarbeit körperliche und seelische Schäden davonzutragen, ist hoch.
Werden zusätzlich noch Tabletten eingenommen, um die Schlaf-Wach-Rhythmus-Störungen zu kompensieren, wird es schnell gefährlich. Die eingenommenen Substanzen verhindern, dass der Mensch merkt, wo die Grenzen seiner Belastbarkeit liegen, was das Risiko für weitere Krankheiten erhöht.
Schichtarbeit bietet finanzielle Vorteile, aber auf Dauer auch gesundheitliche Nachteile. Wer es sich leisten kann, auf die Gehaltszuschläge zu verzichten, sollte im Sinne seiner Gesundheit keine Schichtarbeit leisten.
Leitlinie zu Nacht- und Schichtarbeit: https://www.dguv.de/medien/ipa/publikationen/ipa-journale/ipa-journale2021/ipa-journal2102/ipa-journal2102_leitlinie-schicht-nachtarbeit.pdf
aktualisiert am 31.03.2023