Schlafstörungen sind weit verbreitet. Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass über zwanzig Prozent der Menschen in Deutschland weniger als sechs Stunden pro Nacht schlafen. Das führt nicht nur zu Tagesmüdigkeit, sondern hat langfristig auch gesundheitliche Folgen.
Jeder kennt den Effekt: Wenn man nachts schlecht geschlafen hat, kommt man am Morgen schwer aus dem Bett, ist gereizt und unkonzentriert. Im Laufe des Tages spürt man die schwere Müdigkeit in den Knochen. Man möchte sich am liebsten ins Bett legen, muss aber stattdessen bei der Arbeit volle Leistung bringen. Der Tag nach einer kurzen Nacht ist anstrengend und verlangt einem viel Energie und Selbstdisziplin ab.
Wenn bereits eine Nacht mit Schlafmangel solche Folgen hat, kann man sich vorstellen, wie sehr Menschen leiden, die mehrere Nächte am Stück kaum schlafen. Und das möglicherweise über einen Zeitraum von Wochen und Monaten.
Häufig ist Schlafmangel eine Folge der Lebensumstände: ein Säugling, der einen wachhält, Schichtarbeit, die der inneren Uhr permanent abverlangt, sich umzustellen oder Lebenskrisen, die einen nachts nicht zur Ruhe kommen lassen. Seit den 1960er-Jahren hat sich der durchschnittliche Nachtschlaf um rund neunzig Minuten verkürzt. Schlafmangel ist damit auch eine Folge unserer Leistungsgesellschaft. Lifestyle-Gurus verbreiten die Meinung, schlafen sei vergeudete Lebenszeit. Bücher und Studien über Kurzzeit-Schlafmodelle, die helfen sollen, mit noch weniger Schlaf auszukommen, überschwemmen den Markt.
Nachgewiesen ist, dass sich anhaltender Schlafmangel - oder ein sich immer wieder verschiebender Schlafrhythmus, zum Beispiel bei Schichtarbeitern -, negativ auf die Gesundheit auswirkt.
Schlechter Schlaf ist purer Stress für den Körper. Der Hormonhaushalt gerät durcheinander. Es wird vermehrt Cortisol, ein Stresshormon, ausgeschüttet. Schlafentzug leistet Diabetes und Bluthochdruck Vorschub, denn er greift in den Stoffwechsel ein und reduziert die Insulinsensibilität. Menschen, die regelmäßig zu wenig schlafen, sind tendenziell häufiger übergewichtig als Menschen die ausreichend schlafen.
Zu wenig Schlaf wirkt sich negativ auf das Immunsystem aus. Wer nicht schlafen kann, ist anfälliger für Infekte wie zum Beispiel Erkältungskrankheiten.
Tierversuche haben gezeigt, dass dauerhafter Schlafmangel auch die Entstehung von Alzheimer und Demenz begünstigt. Da sich das Gehirn aufgrund des fehlenden Schlafes nicht richtig regenerieren kann, kommt es möglicherweise zu einer Frühschädigung des Gehirns, die später degenerative Erkrankungen des Gehirns fördert.
Man vermutet inzwischen, dass Schlafmangel bei der Entstehung von vielen Krankheiten eine weit größere Rolle spielt, als bislang angenommen. So kann Schlafmangel auch die Entwicklung bestimmter Krebsarten begünstigen.
Dauerhaft zu wenig Schlaf erhöht die Wahrscheinlichkeit von vielen Krankheiten und reduziert damit auch die Lebenserwartung. Auf Dauer kann aber nicht nur sehr kurzer Schlaf Auswirkungen auf die Sterblichkeit haben. Auch Menschen, die regelmäßig länger als zehn Stunden pro Tag schlafen, haben eine geringere Lebenserwartung. Dennoch muss man mit den Aussagen von Studien vorsichtig sein, da jeder Mensch individuell unterschiedlich ist und es auch Unterschiede im Schlafverhalten zwischen den Kulturen gibt.
Abgesehen davon sollte man bedenken, dass im Straßenverkehr kurze Spannen von Unkonzentriertheit oder Sekundenschlaf schwerwiegende Unfälle verursachen können.
Schlafstörungen haben auch auf die Psyche deutliche Auswirkungen. Wer über längere Zeit nicht richtig schlafen kann, kann deutlich schlechter mit Stress umgehen. Im Weiteren kommt es häufig zu einem sozialen Rückzug, denn wer müde und gereizt ist, verspürt nur noch wenig Lust, sich mit Freunden zu treffen. Wenn sämtliche Kraft für die Bewältigung der Tagesaufgaben gebraucht wird, bleibt nicht mehr viel Energie übrig für Hobbys und Dinge, die gut tun würden.
Langfristig kann zu wenig Schlaf Depressionen auslösen. Andererseits kann Schlafmangel auch das Symptom einer Depression sein. Bei der Behandlung von Depressionen ist ein geregelter Schlaf- Wachrhythmus ein wichtiger Baustein.
Ist der Schlafmangel nur eine Ausnahmeerscheinung, zum Beispiel, weil man eine Nacht durchfeiert oder sich auf eine Prüfung vorbereitet, so ist das kein Problem. Schwierig wird es erst, wenn die Schlafstörung chronisch wird. Davon spricht man, wenn man an mindestens drei Tagen in der Woche und mindestens drei Monate lang schlecht schläft.
Arthur Schopenhauer sagte: „Der Schlaf ist für den ganzen Menschen, was das Aufziehen für die Uhr“. Nachts verarbeitet das Gehirn die Eindrücke des Tages, räumt sozusagen auf und schafft Ressourcen für den nächsten Tag.
US-Forscher haben Anhaltspunkte dafür entdeckt, dass bereits drei Nächte Schlafdefizit dauerhafte Schäden in den Hirnzellen zurücklassen.*
Tierversuche mit Mäusen haben gezeigt, dass durch längeren Schlafentzug Zellen in einem Areal des Gehirns absterben, das für geistige Leistung und Konzentration wichtig ist. Ob diese Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind, muss erst noch erforscht werden. Bestätigt sich die Vermutung, dann liefert die Studie möglicherweise auch Auswege aus der Misere. Denn es hat sich gezeigt, dass ein Protein namens Sirtuin, das von den Neuronen ausgeschüttet wird, das Gehirn bei kurzzeitigem Schlafmangel schützt. Daher könnte hier auch die Lösung für einen Therapieansatz bei langanhaltenden Schlafstörungen liegen.
Zwar wird oft behauptet, dass der Mensch durchschnittlich mindestens sieben bis acht Stunden Schlaf braucht, um leistungsfähig zu sein. Letztendlich ist entscheidend, wie fit man sich morgens fühlt. Es gibt Menschen, die kommen mit sechs Stunden Schlaf aus und fühlen sich erholt und leistungsfähig und es gibt Menschen, die auch nach acht Stunden noch schwer aus dem Bett kommen. Letztere sollten abklären lassen, ob sie möglicherweise unter Schlafstörungen oder anderen gesundheitlichen Problemen leiden, ohne es zu wissen. Zum Beispiel könnte eine Schlafapnoe, also kleine nächtliche Atemaussetzer verbunden mit Schnarchen, die Ursache sein, dass man sich tagsüber müde und erschöpft fühlt.
Jugendliche in der Pubertät brauchen mehr Schlaf als Erwachsene, ältere Menschen schlafen häufig weniger als Menschen in der Lebensmitte.
Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass ein Mittel von sieben bis acht Stunden pro Nacht das gesündeste Schlafmaß zu sein scheint. Schlafzeit lässt sich nach heutigen Erkenntnissen nicht einsparen. Sogenannte polyphasische Schlafmodelle reduzieren den Nachtschlaf und sehen dafür über den Tag verteilt mehrere Power-Naps, also kurze, tiefe Schlafeinheiten vor. Schlaf- und Wachzeiten unterliegen dabei einer strengen zeitlichen Struktur. Ob sich die Schlafzeit damit dauerhaft reduzieren lässt, ohne gesundheitliche Folgen nach sich zu ziehen, ist derzeit noch nicht ausreichend erforscht.
* Sigrid Veasey (University of Pennsylvania School of Medicine, Philadelphia) et al., The Journal of Neuroscience
aktualisiert am 24.04.2020