Die Retinitis pigmentosa, auch Retinopathia pigmentosa (RP) genannt, ist eine erbliche Augenerkrankung. An der Netzhaut der Augen gehen Sinneszellen (Photorezeptoren) zugrunde. Die Photorezeptoren im menschlichen Auge sind die Stäbchen und Zapfen. Die gewöhnliche Form der Retinitis pigmentosa führt dazu, dass die Stäbchen nach und nach zerstört werden. Die Zapfen werden erst sehr spät beeinträchtigt. Weil die Stäbchen sich nur außerhalb des zentralen Bereiches der Netzhaut (Makula) befinden, kommt es zu einer langsam fortschreitenden Einengung des Gesichtsfeldes, wohingegen ganz in der Mitte besser gesehen wird (dort finden sich nur Zapfen). Im Spätstadium kommt es praktisch zur Erblindung, die die Orientierung äußerst schwer macht, aber mit einem verhältnismäßig guten Restsehen im zentralen Bereich. Es gibt aber auch noch weitere, seltene Formen der Retinopathia pigmentosa.
Die Retinitis pigmentosa ist keine Entzündung. Daher lautet die korrekte Bezeichnung für die Erkrankung eigentlich Retinopathia pigmentosa. Dennoch wird sie immer noch häufiger als Retinitis pigmentosa bezeichnet. Schätzungsweise einer von 4000 Menschen ist von einer der Verlaufsformen der Retinopathia pigmentosa betroffen. Der Verlauf ist sehr unterschiedlich, meist kommt es nur ganz langsam (über Jahrzehnte) zur deutlichen Verstärkung der Symptome. Die Krankheit beginnt oft im Jugend- bis mittleren Erwachsenenalter.
Neben der vererbten Störung der Retinitis pigmentosa kann es auch ganz andere Erkrankungen geben, die mit ähnlichen Auswirkungen einhergehen. Sie werden Pseudo-Retinitis pigmentosa (Pseudo-Retinopathia pigmentosa) genannt. Dabei handelt es sich um eine so genannte Phänokopie (Symptome, die denen einer Erbkrankheit ähneln, aber durch andere Störungen verursacht werden).
Die Retinitis pigmentosa (Retinopathia pigmentosa, RP) wird vererbt. Vermutlich besitzt einer von 80 Menschen ein verändertes Gen. Verschiedene Gene können verantwortlich für eine Retinitis pigmentosa sein, so dass es mehrere Formen gibt. Darüber hinaus kann ein defektes Gen auch durch Veränderungen am Erbgut (Mutation) entstanden sein, ohne dass ein Elternteil dieses aufweist.
Eine Pseudo-Retinitis pigmentosa sind Symptome wie bei einer Retinitis pigmentosa, die aber nicht durch einen Gendefekt zustande kommen. Für eine Pseudo-Retinitis pigmentosa können z. B. Entzündungen, Verletzungen, Nebenwirkungen von Medikamenten oder Tumore verantwortlich sein.
Die Sehverschlechterung bei einer Retinitis pigmentosa (RP) entsteht durch eine Schädigung von Sinneszellen der Netzhaut, den Photorezeptoren. Diese tritt auf beiden Augen auf. Bei der gewöhnlichen Form der Retinitis pigmentosa (klassische Retinopathia pigmentosa oder Stäbchen-Zapfen-Dystrophie) kommt es erst zu einer Schädigung der Stäbchen. Die Stäbchen sind die Photorezeptoren, die für die Hell-Dunkel-Unterscheidung und das Nachtsehen zuständig sind und sich nur außerhalb der zentralen Stelle der Netzhaut (Makula) befinden. Die Zapfen, welche das Farbensehen ermöglichen und sich auch in der Netzhautmitte finden, werden erst sehr spät angegriffen. An der Pigmentschicht der Netzhaut, dem Pigmentepithel, ergeben sich bei der Retinitis pigmentosa ebenfalls krankhafte Veränderungen. Pigment lagert sich vermehrt in der Netzhaut ab.
Neben dieser klassischen Form der Retinopathia pigmentosa gibt es ähnliche Erkrankungen, die etwas anders verlaufen und ebenfalls unter den Oberbegriff der RP fallen. Manche Menschen leiden an der so genannten inversen Retinopathia pigmentosa (Stäbchen-Zapfen-Dystrophie), bei der es eher zur Schädigung der Zapfen und erst später zur Beeinträchtigung der Stäbchen kommt.
Eine weitere Sehverschlechterung kann sich bei der Retinopathia pigmentosa durch eine Linsentrübung ergeben (Katarakt, Grauer Star).
Eine Retinitis pigmentosa führt zu einer Reihe von Beschwerden, die das Sehen betreffen. Ist die Erkrankung weit fortgeschritten, dann kann nach der gesetzlichen Auffassung eine Blindheit bestehen. In der Mitte des Sehfeldes ist zumeist noch ein kleiner Rest mit relativ guter Wahrnehmung vorhanden, der aber tunnelartig stark eingeengt ist.
Oft werden die Symptome einer Retinitis pigmentosa über einige Zeit nicht bemerkt, da sie erst gering sind. Anfangs führt die Retinitis pigmentosa zu einer Nachtblindheit, die Betroffenen bekommen zunehmend Schwierigkeiten, sich in dunkler Umgebung zurechtzufinden. Auch sind Patienten stärker blendungsempfindlich, und die Augen stellen sich nicht mehr gut auf unterschiedlichen Lichteinfall ein. Die Wahrnehmung von Farben und Kontrasten kann ebenfalls beeinträchtigt sein, oft ist das Farbensehen aber gut. Bis es zu stärkeren Problemen kommt, kann es Jahrzehnte dauern.
Die Gesichtsfeldeinengung bei der Retinopathia pigmentosa ist zunächst ringförmig und wird oft erst bemerkt, wenn sie einen gewissen Grad erreicht hat. In den äußeren Bereichen wird das Sehen immer schlechter. Schließlich kann nur noch das erkannt werden, was sich direkt geradeaus vor dem Auge befindet. Obwohl im Zentrum das Sehen funktioniert, kann der Patient sich ohne Hilfsmittel kaum noch orientieren, weil das Gesichtsfeld äußerst stark eingeschränkt ist. Betroffene stoßen häufiger gegen Wände und Objekte, die sie nicht mehr wahrnehmen, oder stolpern, wohingegen z. B. das Lesen noch kaum beeinträchtigt ist. Der schleichende Verfall des guten Sehvermögens ohne die Möglichkeit, diesen aktiv aufzuhalten, belastet viele Betroffene sehr.
Ob auch die Sehschärfe bei der RP (Retinopathia pigmentosa) herabgesetzt ist, ist von Betroffenem zu Betroffenem unterschiedlich. Bei vielen Patienten kommt es im späten Verlauf zu einem Rückgang der Sehschärfe, bei einigen Betroffenen auch schon zu einem früheren Zeitpunkt.
Ein zusätzliches Symptom ist die Trübung der Augenlinse (Katarakt), die bei nicht wenigen Patienten mit Retinitis pigmentosa auftritt.
Eine der möglichen abweichenden Formen der Krankheit ist die inverse Retinopathia pigmentosa. Die Sehschärfe geht hier zuerst im Zentrum zurück, da von den Sehsinneszellen die Zapfen eher als die Stäbchen betroffen sind.
Etwa ein Viertel der Menschen mit einer Retinitis pigmentosa leiden aufgrund der vererbten Störung an weiteren Symptomen. Dies wird assoziierte Retinopathia pigmentosa genannt. Die Beschwerden bei diesen Krankheitsbildern finden sich auch an ganz anderen Organbereichen. Eines dieser Syndrome ist das Usher-Syndrom, bei dem es neben der Retinitis pigmentosa auch zu einem Hörverlust kommt. Andere Syndrome können z. B. Muskelschwäche, Lähmungserscheinungen oder geistige Beeinträchtigungen mit sich bringen.
Wenn ein möglicherweise Betroffener zum ersten Mal zum Augenarzt geht, muss der Arzt eine Befragung zu den Symptomen und zu Vorerkrankungen durchführen. Dann erfolgt ein Sehtest, der bei der gängigen Form der RP oft eine noch hohe Sehschärfe ergibt. Mit speziellen Tests kann die Nachtsicht überprüft werden, denn wenn diese schlecht ist, kann es ein früher Hinweis auf die RP sein. Sehr aussagekräftig ist die Gesichtsfelduntersuchung, bei der sich ab einem gewissen Stadium eine ringartige Zone schlechten Sehens feststellen lässt.
Eine sichere Diagnose der Erkrankung ist durch ein Elektroretinogramm (ERG) möglich. Das ERG ist eine elektrophysiologische Untersuchung, die die elektrischen Impulse als Reizantwort der Netzhaut auf Lichteinfall misst. Bei einer RP ist die Reaktion abgeschwächt.
Die Augen, vor allem der Augenhintergrund, werden betrachtet. Hier zeigen sich für den Augenarzt oft typische Befunde wie Pigmentablagerungen an der Netzhaut (von der Form her Knochenbälkchen genannt) oder ein blasser Sehnervenkopf (wachsgelbe Papille).
Mit einer DNA-Analyse kann festgestellt werden, welches Gen von einer Veränderung betroffen ist und für die Retinopathia pigmentosa verantwortlich ist.
Nicht nur der Augenarzt sollte einen Patienten mit Retinitis pigmentosa untersuchen, sondern auch Ärzte weiterer medizinischer Fachrichtungen. Diese können Auswirkungen erkennen, die im Rahmen eines bestimmten Syndroms zusammen mit der RP auftreten können.
Eine Therapie, die die Krankheit heilen oder aufhalten könnte, gibt es nicht. Möglicherweise kann der Krankheitsfortschritt mit der Gabe von Vitamin A verzögert werden. Zu einigen neueren Therapieansätzen laufen Untersuchungen (Gentherapie, Stamzellenbehandlung oder auch Netzhaut-Implantat).
Lediglich manche Unterformen der Erkrankung Retinitis pigmentosa lassen sich erfolgreich nach der Ursache behandeln. Ein Beispiel ist das Refsum-Syndrom, bei dem der Vorgang durch eine Ernährung ohne die Substanz Phytansäure gestoppt werden kann, da diese vom Körper des Betroffenen nicht abgebaut werden kann.
Betroffene mit fortgeschrittener Retinopathia pigmentosa benutzen meist einen Blindenstock zur Orientierung. Auch Hilfsmittel wie getönte Spezialbrillen oder vergrößernde Sehhilfen können einigen Betroffenen das Leben erleichtern. Außerdem kann eine psychologische Unterstützung in Frage kommen. Zu erwähnen sind auch die Selbsthilfegruppen von Betroffenen.
Die Retinitis pigmentosa (RP) ist nicht heilbar (außer bei einigen der seltenen Unterformen). Patienten müssen daher erlernen, mit der Erkrankung und ihren Folgen umzugehen. Mit einer guten Unterstützung und Hilfsmitteln kann ihnen das Alltagsleben erleichtert werden.
aktualisiert am 21.01.2022