Die progressive Muskelentspannung (progressiv = fortschreitend) ist ein Verfahren, bei dem mittels gezielter Anspannung und Entspannung von bestimmten Muskeln ein Erholungszustand erreicht werden kann. Die progressive Muskelentspannung (PME) zählt zu den Entspannungsverfahren des Menschen und wird auch als progressive Muskelrelaxation (PMR) bezeichnet. Die Methode ist ein wichtiges Mittel zur Stressbewältigung, mit dem auch ein positiver Einfluss auf organische und psychische Erkrankungen erreicht werden kann.
Entwickelt wurde die progressive Muskelentspannung durch den amerikanischen Arzt Edmund Jacobson (1888-1983) am Anfang des 20. Jahrhunderts. In Deutschland ist die progressive Muskelentspannung weniger bekannt als in den englischsprachigen Ländern. Jacobson bemerkte, dass bei seelischen Stresszuständen die Muskulatur verkrampft und überlegte, dass man umgekehrt auch durch eine progressive Muskelentspannung einen seelischen Ruhezustand herbeiführen könnte.
Die progressive Muskelentspannung nach Jacobson ist ein ganzheitliches Verfahren mit Wirkung auf Körper, Geist und Seele. Sie ist mit dem autogenen Training verwandt, weist jedoch vor allem wegen des Körpereinsatzes einige Unterschiede auf. Außerdem ist sie einfacher erlernbar als das autogene Training.
Durch die progressive Muskelentspannung ergibt sich nicht nur eine seelisch beruhigende Wirkung, sondern es verringern sich auch Blutdruck, Pulsfrequenz und Atemfrequenz.
Die Wirksamkeit der progressiven Muskelentspannung zur Stress- und Angstreduktion ist durch Studien belegt. Eine blutdruck- und herzfrequenzsenkende Wirkung der PME konnte ebenfalls in Untersuchungen gezeigt werden.
Für die progressive Muskelanspannung sitzt man bequem, hat die Hände auf den Oberschenkeln und schließt die Augen. Im Liegen, etwa auf einer Yogamatte, lässt sich die PME ebenfalls durchführen. Nun spannt man eine Muskelgruppe des Körpers an, behält dies für einige Sekunden bei, entspannt für eine Zeit lang, spannt wieder an und fährt nach erneuter Entspannung über mindestens eine halbe Minute mit der nächsten Muskelgruppe fort. Die Stärke der Muskelkontraktionen kann dabei variieren und richtet sich nach der jeweiligen körperlichen Beschaffenheit.
Insgesamt 16 Muskelpartien sind für die progressive Muskelentspannung nach Jacobson von Bedeutung. Neben Muskeln von Beinen, Armen, Bauch oder Schultern werden etwa auch Muskeln des Gesichts mit einbezogen. Die Zustandsänderungen der Muskulatur sollen bewusst wahrgenommen werden. So stellt sich langsam eine deutliche Entspannung ein, die über den normalen Ruhezustand des Körpers hinausgeht. Nach dem Ablauf muss man die progressive Muskelentspannung durch Dehnen, Strecken und Augenöffnen wieder "zurücknehmen", ähnlich wie bei Hypnose und autogenem Training.
Die progressive Muskelrelaxation wird die ersten Male unter Aufsicht eines Therapeuten durchgeführt. Sie kann später problemlos alleine praktiziert werden. Es gibt eine empfohlene Reihenfolge der Aktivierung der Muskelgruppen: Die Muskelentspannung wird üblicherweise von unten nach oben durchgeführt. Diese Reihenfolge muss jedoch nicht eingehalten werden und es kann variiert werden, wie viele und welche Muskeln angesteuert werden. Die Methode kann mit bestimmten anderen Entspannungstechniken verbunden werden, zum Beispiel mit der Vorstellung von ebenfalls an- und abschwellenden Phantasiebildern.
Zudem wird die Eigenwahrnehmung des Körpers gesteigert, das bedeutet, dass man auch im Alltag mehr auf eine von Natur aus gesunde Körperhaltung achtet.
Die progressive Muskelentspannung nach Jacobson ist ein Verfahren, das besonders bei psychischen Störungen und Belastungen ausgeübt wird, beispielsweise bei Stress, Ängsten, Depressionen oder Schlafproblemen. Des Weiteren behandelt man körperliche Beschwerden, vor allem Verspannungen, aber auch Magen-Darm-Erkrankungen, Schmerzen oder einen hohen Blutdruck. Durch die progressive Muskelentspannung ergibt sich eher ein langfristiger Effekt als eine Sofortwirkung. Sie ist sowohl in der Vorbeugung als auch in der Unterstützung der Behandlung bereits vorliegender Krankheiten nützlich.
Schädigende Wirkungen und Gegenanzeigen gibt es für die progressive Muskelentspannung kaum. Bei einigen bestimmten psychischen Erkrankungen, Wirbelsäulenerkrankungen sowie bei Herzschwäche sollte diese Therapie aber unterlassen werden.
Letzte Aktualisierung am 16.02.2024.