Der Marknagel wird an allen Knochen eingesetzt, die einen mit Knochenmark gefüllten Hohlraum haben. Damit ist er ideal geeignet für die Stabilisierung beim Bruch eines langen Röhrenknochens wie dem Oberschenkelknochen.
Marknägel werden genutzt, um verschiedene Brüche wie Querbrüche oder kurze Schrägbrüche des Oberschenkelknochens zu stabilisieren. Dazu wird zunächst der Bruch reponiert. Das bedeutet, die gebrochenen Knochenenden werden, falls sie sich durch den Bruch verschoben (disloziert) haben, wieder in ihre korrekte Lage gebracht. Das kann in einer geschlossenen Reposition durch Drücken und Schieben, oder aber in einer offenen Reposition durch eine Operation erfolgen.
Der Marknagel wird dann je nach Lage des Bruchs durch einen kleinen Schnitt vom knienahen oder vom hüftnahen Ende des Knochens in das Innere des Knochens eingeführt.
Es gibt generell zwei unterschiedliche Verfahren bei der osteosynthetischen (Bruchstücke verbindenden) Behandlung mit einem Marknagel: den aufgebohrten und den unaufgebohrten Marknagel. Bei der Versorgung mit einem aufgebohrten Marknagel wird zunächst der gesamte Markraum des Knochens aufgebohrt. Dann wird ein langer Hohlnagel in den Markraum eingeschlagen. Bei der Versorgung mit einem unaufgebohrten Marknagel wird der Markraum nicht aufgebohrt und es wird ein dünnerer, massiver Nagel benutzt.
Vor allem der unaufgebohrte Marknagel wird oft zur Versorgung schwerer, offener Brüche eingesetzt. Im Gegensatz zu dem aufgebohrten Marknagel hat der unaufgebohrte Marknagel den Vorteil, dass die Gefäße im Knochenmark weniger verletzt werden. Der Markraum ist wichtig für die Blutversorgung des Knochens und damit auch für die Bildung von neuer Knochensubstanz. Wird er, wie beim aufgebohrten Marknagel, empfindlich verletzt, kann sich das nachteilig auf die Heilung auswirken.
Ein weiterer Unterschied zwischen dem aufgebohrten und dem unaufgebohrten Marknagel ist die Verriegelung. Der unaufgebohrte Marknagel muss zwingend mit einer Verriegelungsschraube angewendet werden. Beim aufgebohrten Marknagel ist die Verriegelung optional. Verriegelung bedeutet in diesem Fall, dass der Marknagel an einem oder beiden Enden mit Schrauben oder Bolzen im Knochen fixiert wird. Man unterscheidet dabei zwischen der dynamischen und der statischen Verriegelung. Bei der statischen Verriegelung wird der Marknagel an beiden Enden verriegelt. Dadurch wird eine feste und starre Verbindung hergestellt, in der die Knochenfragmente nicht nachgeben können. Bei der dynamischen Verriegelung wird der Marknagel nur an dem Ende verriegelt, das dem Bruch näher liegt. Dadurch ist die Verbindung nicht so starr.
Welche Art von Marknagel jeweils besser geeignet ist und ob der Marknagel gegebenenfalls statisch oder dynamisch verriegelt werden muss, wird der behandelnde Arzt im Einzelfall nach Lage, Art, Form und Schwere des Bruchs entscheiden.
Die osteosynthetische Versorgung eines Oberschenkelknochenbruchs mit einem Marknagel hat viele Vorteile. Der Bruch ist direkt nach der Operation bewegungsstabil. So können krankengymnastische Übungen gleich am Folgetag aufgenommen werden und auch die Mobilität des Patienten kann sehr schnell wieder hergestellt werden.
Durch die Lage im Inneren des Knochens schont der Marknagel sowohl die empfindliche Knochenhaut als auch das umliegende Gewebe. Um ihn in den Knochen einzubringen, ist meist nur ein kleiner Schnitt notwendig. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Bruch selbst nicht eröffnet werden muss und von abseits der Stelle der Fraktur aus operiert werden kann.
Der größte Nachteil eines Marknagels ist, dass er eine Fettembolie auslösen kann: Durch die Lage im Inneren des Knochens wird fettiges Knochenmark in den Blutkreislauf eingeschwemmt, das auch in die Lunge gelangt. Gesunde Menschen ohne Lungenfunktionsstörungen bauen dieses Fett problemlos wieder ab. Bei einer bestehenden Lungenfunktionsstörung oder auch einem Polytrauma (umfangreiche Verletzung) durch einen Unfall kann dieses Fett jedoch zu einer tödlichen Lungenembolie führen.
Ein weiteres Problem kann sich bei dem Einbringen des Nagels ergeben. Dieses erfolgt immer am Knochenende, wodurch sich die Notwendigkeit ergibt, den Knochen im Gelenkbereich (Knie- oder Hüftgelenk) aufzubohren. Dabei kann unter Umständen die Gelenkkapsel verletzt werden, was zu Problemen mit dem Gelenk führen kann.
Alles in allem ist die osteosynthetische Behandlung mit einem Marknagel heute eine der besten Behandlungsmöglichkeiten für einen Oberschenkelbruch. Sofern keine medizinischen Gründe dagegen sprechen, ist der Marknagel daher fast immer die erste Wahl, um einen gebrochenen Oberschenkelknochen zu stabilisieren.
aktualisiert am 16.04.2019