Das Krankheitsbild der Darmerkrankung Morbus Hirschsprung (auch als kongenitales Megakolon bezeichnet) ist wesentlich durch ein Fehlen von Nervenzellen in einzelnen Darmabschnitten gekennzeichnet. Dies beeinträchtigt die Darmbewegung und führt zu einer Engstelle. Die angeborene Erkrankung tritt bei etwa einem von 5.000 Neugeborenen auf. Im Hinblick auf eine Behandlung mithilfe der Physiotherapie ist Morbus Hirschsprung eine Herausforderung. Der Physiotherapeut hat mit teils sehr jungen Patienten zu tun und kann die anatomischen Ursachen nicht ursächlich behandeln – sondern ausschließlich die Symptome.
Ursache der Krankheit ist eine Fehlentwicklung des Nervennetzes im Dickdarm. Diese Entwicklungsstörung entsteht bereits während der Embryonalentwicklung. In der Folge wird die Darmbewegung gestört, der Darm verengt und der Stuhl nicht mehr weitertransportiert – es kann sich ein Aufstau mit einem sogenannten Megakolon bis hin zum kompletten Darmverschluss entwickeln. Symptome treten mitunter bereits direkt nach der Geburt auf. Durch den Stuhlverhalt kann sich eine Darmentzündung entwickeln. Selbst wenn die Erkrankung milder verläuft und Morbus Hirschsprung während der Stillphase nur unspezifisch Probleme bereitet, ist eine operative Behandlung meist unumgänglich. Im Rahmen des Eingriffs wird das betroffene Darmsegment entfernt. Zur Nachsorge bei Morbus Hirschsprung gehört das Bougieren (Aufdehnen). Dabei wird versucht, die Bildung von Narbengewebe und die Verengung der Analöffnung zu verhindern.
Nach der OP kann es bei Patienten zu
kommen. Physiotherapie setzt in diesen Bereichen an – mit Maßnahmen, wie sie auch bei Fehlbildungen am After und Enddarm (anorektalen Fehlbildungen) eingesetzt werden.
Morbus Hirschsprung ist eine Diagnose, welche Physiotherapeuten vor gewisse Herausforderungen stellt. Einerseits ist hierfür die besondere Entstehungsgeschichte der Erkrankung verantwortlich. Physiotherapie stößt hier an Grenzen und die Ursache der Erkrankung lässt sich nicht beheben. Auf der anderen Seite sind Patienten oft noch sehr jung. Diese Tatsache zieht nach sich, dass Physiotherapeuten, die ihren Patienten eine Behandlung anbieten wollen, sich entsprechend in Richtung Beckenbodentherapie für Kinder weiterbilden müssen.
Da die Beckenbodentherapie bei Kindern und Erwachsenen im Bereich der anorektalen Fehlbildungen beziehungsweise bei Morbus Hirschsprung eine große Rolle spielt, wird für diese Behandlung ein gewisses Mindestalter vorausgesetzt. Der Patient muss ein Grundverständnis mitbringen und die Physiotherapie ist auf dessen Mitarbeit angewiesen. Daher setzt die Behandlung des Beckenbodens mittels Physiotherapie meist erst ab dem 5. Lebensjahr an. Viele unterschiedliche weitere Maßnahmen können jedoch bereits vor dem 5. Lebensjahr bei den Kindern sinnvoll sein. Dazu gehört auch eine Physiotherapie an Bereichen des Körpers, die mit dem Morbus Hirschsprung nicht direkt zu tun haben, wie Übungen an den Armen, Beinen, dem Bauch und Rücken oder dem Mund.
Generell ähneln die Maßnahmen, welchem im Zusammenhang mit Morbus Hirschsprung in der Physiotherapie eingesetzt werden, denen der Behandlung von Fehlbildungen am After und Enddarm. Zuerst muss dazu eine umfassende Anamnese (Gespräch zwischen Therapeut und Patient beziehungsweise Eltern) erfolgen. Ebenso wird der Befund erhoben, wozu Untersuchungen unter anderem des Beckenraums gehören. In dem Zusammenhang kann ein Stuhlprotokoll weitere Erkenntnisse bringen. Entsprechend der Erkenntnisse, welche aus der Befunderhebung gewonnen werden, lässt sich der weitere Behandlungsweg ableiten.
Da sich sowohl die Ausprägung der Erkrankung als auch Begleiterkrankungen individuell stark unterscheiden können, muss die Physiotherapie einen auf die Befundsituation zugeschnittenen Behandlungsablauf entwickeln. In einem ersten Schritt kann beispielsweise die Erklärung der Funktion des Beckenbodens erfolgen. In weiteren Schritten setzt die Physiotherapie an einer Förderung der Beweglichkeit der Wirbelsäule sowie der Korrektur eventuell auftretender Fehlstellungen an.
Einige besondere Probleme können bei Morbus Hirschsprung auftreten:
Dünne Stühle beziehungsweise Durchfälle sind durch Physiotherapie schwieriger anzugehen als eine Verstopfung (Obstipation). Ist der Stuhl oft dünn, dann reizt er oft besonders stark die Haut am After. Weil die Betroffenen Schmerzen verhindern zu versuchen, verkrampfen sie den After und der ganze Körper kann sich in der Folge verspannen. Diese Problematik kann durch verschiedene Entspannungsübungen durchbrochen werden.
Zu den Maßnahmen, welche im Rahmen der Physiotherapie eine Rolle spielen, gehören unter anderem:
Letztgenannter Ansatz kann beispielsweise im Rahmen der Nachsorge zur Morbus-Hirschsprung-OP in Erwägung gezogen werden. Parallel ist für Patienten eine Umstellung der Ernährung zu empfehlen, um hiermit dem Verstopfungsrisiko vorzubeugen. Von Nutzen sind zudem Übungen für die Kondition und die eigene Wahrnehmung des Körpers oder die Verbesserung der Atemfunktion.
In die Behandlung der Dysfunktionen können weiterhin verschiedene Methoden wie das Biofeedbacktraining einfließen. Dabei erhält der Patient über Geräte eine Rückmeldung zu seiner Muskelaktivität im Beckenboden. Ein weiterer wichtiger Bereich umfasst das Erlernen einer angepassten Haltung beim Stuhlgang. Mithilfe der richtigen Haltung oder von Hilfsmitteln wie Hockern oder Stühlchen bei Kindern kann die Defäkation erleichtert werden. Ein Toilettensitz kann Kindern beispielsweise die Angst vor dem Gang auf Toilette nehmen. Eine ebenfalls verbreitete Maßnahme, welche unterstützend wirkt, ist die Colon-Massage. Dazu wird der Dickdarm der Länge nach massiert.
Grundsätzlich sollte Physiotherapie bei Morbus Hirschsprung nicht isoliert stattfinden. Vielmehr ist – aufgrund der Komplexität des Krankheitsbildes – eine enge Zusammenarbeit mit dem behandelnden Kinderarzt beziehungsweise dem Facharzt anzustreben.
aktualisiert am 25.05.2018