Morbus Hirschsprung ist eine angeborene Erkrankung des Darms, die sich je nach Schweregrad direkt nach der Geburt oder auch später bemerkbar macht. Können Neugeborene kein Kindspech absetzen, kann dies ein Hinweis auf Morbus Hirschsprung sein. Stuhlinkontinenz (der ungewollte Abgang von Stuhl) kann sich bei bestehendem Morbus Hirschsprung, aber auch nach einer operativen Behandlung entwickeln. Besonders zu erwähnen ist beim Morbus Hirschsprung eine Überlauf-Inkontinenz oder Überlauf-Enkopresis (Enkopresis bedeutet Einkoten nach der Neugeborenenzeit), bei der erst bei starkem Druck oder bei Dehnung des Afterbereichs Stuhl abgeht. Diese Problematik kann sich im Verlauf der Erkrankung entwickeln.
Mit Morbus Hirschsprung kommt etwa eines von 5.000 Neugeborenen zur Welt. Jungen sind etwa viermal häufiger von der Erkrankung betroffen als Mädchen. Auslöser der Symptome ist eine Fehlentwicklung des Nervensystems im Darm – es gibt Abschnitte (ausgehend vom Enddarm), in denen Nervenansammlungen (Ganglien) fehlen. Aufgrund dieser Fehlentwicklung kann sich der betroffene Darmabschnitt nicht entspannen. Dadurch wird der Transport des Stuhls durch den Darm unterbrochen. Im Ergebnis kann die Schwere der Erkrankung soweit gehen, dass es zu einem kompletten Verschluss des Darms (als Ileus bezeichnet) kommt.
Morbus Hirschsprung muss in diesem Alter noch nicht auffallen. Da der Stuhl während der Stillzeit eher weich ist und bei vielen Säuglingen unregelmäßig abgesetzt wird, kann die Erkrankung noch über Wochen, Monate, mitunter auch Jahre unerkannt bleiben. Oft treten Probleme nach dem Abstillen bzw. bei der Nahrungsumstellung auf. In diesem Zusammenhang können nicht nur Verstopfungen (Obstipation) bis hin zum Darmverschluss mit Nahrungsverweigerung und galligem Erbrechen (Cholemesis) auftreten. Formen der Inkontinenz sind ebenso möglich.
In den meisten Fällen handelt es sich bei der Inkontinenz beim Morbus Hirschsprung um eine Überlauf-Enkopresis (vergleichbar der Überlauf-Inkontinenz des Harns, die bei Verengungen des Harnblasenaustritts auftreten kann). Stuhl geht erst dann ab, wenn sich viel vor dem Hindernis aufgestaut hat. Wird der Darm- oder Afterbereich gedehnt, dann kann der angestaute Stuhl plötzlich heftig heraustreten. In diesem Zusammenhang kommt es beispielsweise zu
Bei einer entsprechend starken Aufstauung beziehungsweise Verstopfung kann es zudem passieren, dass flüssiger nachkommender Stuhl an verhärtetem Kot vorbeifließt. Der Betroffene leidet praktisch an einer Inkontinenz und dennoch kann nicht der ganze Stuhl abgegeben werden.
Das für das Auftreten der Symptome verantwortliche Fehlen der Nervenzellen im Darm (Aganglionie) macht eine ursächliche Therapie der Hirschsprung-Erkrankung schwierig. Die Standardbehandlung des aganglionären Megakolons – wie die ausgeprägte Krankheit in der Literatur auch genannt wird – ist eine operative Entfernung des betroffenen Segments. Welcher Anteil des Dickdarms entfernt werden muss – die Medizin spricht hier von einer Resektion – richtet sich nach der Form und Ausdehnung der Hirschsprung-Krankheit. Diese kann von einem sehr kurzen Segment in der Nähe des Afters bis zu einem kompletten Fehlen der Nervenbündel am Dickdarm reichen. Die OP kann auf verschiedene Weise am Darm oder After erfolgen. Im Rahmen der Behandlung kann es nötig sein, einen künstlichen Darmausgang als Zwischenlösung anzulegen.
Zu den Folgen der Behandlung gehört – auch wenn die Prognose im Allgemeinen gut ist – bei einem geringen Anteil der Patienten das Zurückbleiben einer Inkontinenz. Probleme bezüglich des Stuhlgangs treten gehäuft nach dem operativen Eingriff auf. So können Säuglinge schnell mehrere Dutzend Mal täglich Stuhlgang haben. Hierdurch ist eine besondere Hygiene und Pflege der Analregion erforderlich. Eine Inkontinenz kann beispielsweise nach einer Operation am Schließmuskel des Afters auftreten. Wird dessen Funktion zu sehr beeinträchtigt, dann kann der Operierte den Stuhlabgang mitunter nicht verhindern.
Ist der operierte Anteil des Darms allerdings verengt, zum Beispiel wegen Narben, dann kann es wiederum zu einer Verstopfung und einer Überlauf-Inkontinenz kommen.
Besonders schwierig ist die Situation für Heranwachsende nach dem Ende der Kita-Betreuung. Um die Stuhlinkontinenz in den Griff zu bekommen, bieten sich verschiedene Hilfsmittel und therapeutische Maßnahmen an. Im Zusammenhang mit der Inkontinenz bei Morbus Hirschsprung taucht beispielsweise die Biofeedback-Therapie auf. Aber auch Analtampons oder spezielle Windeln, Einlagen oder Produkte zum Auffangen des Stuhls helfen Betroffenen im Alltag.
Aufgrund der genannten Problematik und den Herausforderungen im Alltag bedarf es für Patienten und Familienangehörige häufig einer langfristigen Betreuung – zum Beispiel im Zusammenhang mit Darmspülungen. Ein besonderer Aspekt betrifft die Heilung der Verbindung zwischen Enddarm und dem gesunden Darmrest. Verengt sich die Analöffnung nach der OP, kann es zu Verstopfungen bis hin zum Verschluss kommen. Deuten Anzeichen auf eine Verengung der vernarbten Stelle hin, wird als Standardmaßnahme das sogenannte Bougieren vorgenommen. Das Bougieren beruht auf der Verwendung von Metallstiften mit verschiedenen Durchmessern. Auf diese Weise wird nach und nach eine Dehnung auf die Durchschnittsweite angestrebt.
aktualisiert am 10.09.2019