Der Begriff Bougieren bezieht sich auf eine Maßnahme zur Nachbehandlung von Patienten mit Morbus Hirschsprung. Hierbei handelt es sich um eine angeborene Erkrankung des Darms – vorrangig des Dickdarms. Die Behandlung der Krankheit erfolgt allgemein durch Entfernen des betroffenen Darmsegments über eine Operation. Um später eine Verengung der Analöffnung durch Narbenbildung zu verhindern, wird mittels Dehnung (Bougierung) gegengesteuert.
Beim Morbus Hirschsprung handelt es sich um eine Fehlentwicklung des Nervennetzes im Dickdarm. Betroffen sind hiervon die im Darm als Plexus myentericus organisierten Ganglien (Anhäufung von Nervenzellen). Zwischen Ring- und Längsmuskelschichten des Darms gelegen, steuert dieses Nervengeflecht die Darmbewegungen. Durch abwechselnde Kontraktionen und Erschlaffungen wird der Stuhl vorwärtstransportiert. Durch das Fehlen der Ganglien kommt es zu einer spastischen (krampfartigen) Kontraktion der Muskeln. Die Darmbewegung (Peristaltik) kommt in diesen Abschnitten zum Erliegen. In der Folge kommt es zu Schwierigkeiten beim Absetzen von Kot. Im schlimmsten Fall besteht die Gefahr, dass sich ein Darmverschluss bildet, was einen medizinischen Notfall darstellt.
Bei Morbus Hirschsprung kann sich zudem das Megakolon entwickeln. Hierbei weitet sich der Darm vor den aganglionären (ohne Ganglien angelegten) Segmenten durch die Stuhlansammlung.
Um schwerwiegende Komplikationen wie einen Darmverschluss zu verhindern, wird Morbus Hirschsprung operativ behandelt. Zur Operation kommen unterschiedliche Verfahren in Frage. Im Rahmen der Entfernung des betroffenen Darmsegments werden Operationsnähte angelegt. In deren Bereich kann sich im weiteren Verlauf Narbengewebe bilden. Letzteres führt zu einer sogenannten Analstenose. Hierbei handelt es sich um eine Verengung, durch welche es zu einer Verringerung der Analöffnung kommt. In der Folge kann Stuhl die Engstelle schlechter passieren, was wiederum Verstopfungen nach sich ziehen kann. Im schlimmsten Fall kommt es zur kompletten Verlegung – es entsteht ein Darmverschluss.
Um dem entgegenzuwirken, wird die Analöffnung gedehnt. Hierzu verwendet die Medizin das Bougieren. Eingesetzt werden sogenannte Hegar-Stifte. Der verwendete Stiftdurchmesser richtet sich nach der in der Operation erreichten Öffnungsweite der Analöffnung. Würde ein Bougieren unterlassen, kann eine Atresie – also das Verschließen der operativ geschaffenen Öffnung – entstehen. Hierbei handelt es sich um eine Komplikation, die wiederum operativ behandelt werden muss.
Generell sollte mit dem Bougieren bereits wenige Wochen nach erfolgtem Eingriff begonnen werden. Gerade in den ersten Monaten ist das Risiko einer Verengung (Stenose) groß. Daher ist der Behandlungsbeginn meist nach zwei bis drei Wochen angezeigt. Wie lange Patienten nach der Morbus-Hirschsprung-OP auf diese Weise behandelt werden müssen, richtet sich nach dem Behandlungsverlauf und danach, wie schnell die gewünschte Öffnungsweite erreicht ist.
In der Medizin bezeichnet der Begriff Bougieren bzw. Bougierung das Aufdehnen eines Hohlorgans. Hierzu werden im Rahmen der Nachsorge nach einer Morbus-Hirschsprung-OP sogenannte Hegar-Stifte verwendet. Diese Stäbe sind leicht gekrümmt mit einem definierten Durchmesser. Sie bestehen aus Metall und sind vorne abgerundet, damit sie sich gut in die enge Afteröffnung einführen lassen. Durch die Verwendung unterschiedlicher Durchmesser, welche aufeinanderfolgend eingesetzt werden, kann das Operationsumfeld (im Bereich der Narbe) gedehnt werden. Die Afteröffnung wird kalibriert – sprich mit einem festgelegten Durchmesser gedehnt.
Um die Analöffnung auf die gewünschte Durchschnittsweite zu dehnen, müssen die Hegar-Stifte regelmäßig in den After eingeführt werden. In den ersten Wochen passiert dies täglich, später können die Zeitabstände erweitert werden.
Für Patienten und Eltern ist diese Prozedur unangenehm und eine emotionale Belastung. Trotz dieser Tatsache ist die Behandlung mithilfe der Hegar-Stifte bis zum Erreichen der gewünschten Öffnungsweite vorzunehmen, um Spätfolgen zu verhindern. Stenosen (Verengungen), welche durch einen Abbruch des Bougierens entstehen, lassen sich mitunter nur durch weitere Eingriffe therapieren. Aufgrund der Bedeutung der Bougierung für den Verlauf nach der OP und aufgrund der besonderen Herausforderungen ist seitens der Kliniken ein hohes Maß an Feingefühl für betroffene Familien gefragt.
Den Eltern des betroffenen Kindes erleichtern einige Hinweise den richtigen Umgang mit dem Bougieren.
Achtung: Das Einführen der Hegar-Stifte bedarf keines größeren Kraftaufwands und sollte ohne Schwierigkeiten möglich sein. Beim Einführen werden die Stifte mit Daumen und Zeigefinger gehalten, der kleine Finger stützt die Hand ab. Zu tiefes Einführen ist auf jeden Fall zu vermeiden. Gewalt sollte beim Einführen der Hegar-Stifte niemals zum Einsatz kommen.
Das Einführen der Hegar-Stifte ist zwar notwendig – für die kleinen Patienten allerdings unangenehm. Den Unmut über die Behandlung drücken Säuglinge und Kleinkinder allgemein schon beim Festhalten aus. Um die Behandlung angenehmer zu gestalten, ist Ablenkung durch Spielen oder die Arbeit mit positiven Reizen zu empfehlen.
Leichte Blutungen können zu Beginn der Behandlung auftreten. Schmerzen sollten in der Regel nur beim Wechsel der Stiftdurchmesser auftreten. Letzteres sollte in wohldosierten Schritten erfolgen. Prinzipiell ist es wichtig, dass sich Eltern von behandelnden Ärzten über das richtige Verhalten in den verschiedenen Situationen aufklären lassen – gerade wenn ungewöhnliche Blutungen oder Schmerzen auftreten.
Aufgrund der Tatsache, dass es sich bei Morbus Hirschsprung um eine angeborene Erkrankung handelt und diese mit einer spastischen Kontraktion (unwillkürlichem Zusammenziehen des Gewebes) einhergeht, hat die Medizin nur eingeschränkt Spielraum in der Behandlung. Eine konservativ-medikamentöse Behandlung im Sinne einer vollständigen Heilung ist – aufgrund der Ursache – derzeit nicht möglich.
aktualisiert am 01.02.2018