Der Morbus Bechterew, ankylosierende Spondylitis oder Spondylitis ankylosans genannt, ist eine chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung mit Schmerzen und Versteifung von Gelenken. Sie ist auch als Bechterew oder Bechterewsche Krankheit bekannt. Die Erkrankung wurde nach dem russischen Neurologen Wladimir Bechterew benannt, nachdem er in den 1890er Jahren eine bekannte Beschreibung der Krankheit erneut im deutschsprachigen Raum veröffentlicht hatte. Er selbst hat die Erkrankung weder als erster beschrieben noch entdeckt.
Die Krankheit betrifft vor allem die Wirbelsäule, insbesondere das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk. Wird der Morbus Bechterew nicht behandelt, so kann es im schlimmsten Falle zu einer kompletten Versteifung der Wirbelsäule und des Beckens kommen. Zudem werden häufig entzündliche Veränderungen an den Gelenken der Extremitäten, an Sehnen und Sehnenansätzen, an der Regenbogenhaut der Augen und an inneren Organen beobachtet. Bei vielen Morbus-Bechterew-Patienten ist das Protein HLA-B27 nachweisbar, das bei verschiedenen Rheumaerkrankungen eine Rolle spielt.
Die Bechterew-Erkrankung (Spondylitis ankylosans) schreitet langsam voran und führt zunehmend zu einer Bewegungseinschränkung sowie einer Krümmung der Wirbelsäule. Auch können einzelne oder mehrere Gelenke vollständig steif werden. Das führt zur sogenannten Bambuswirbelsäule. Bis heute gilt die Krankheit zwar als unheilbar, aber der Verlauf lässt sich entscheidend beeinflussen.
Bis zur Diagnosestellung des Morbus Bechterew vergehen durchschnittlich etwa sechs Jahre. Sie bleibt so lange unentdeckt, da die Beschwerden im Frühstadium oft noch uncharakteristisch sind und sich eine Entzündung des Kreuzbein-Darmbein-Gelenkes erst im späteren Stadium auf dem Röntgenbild nachweisen lässt.
Anhand von Familienuntersuchungen wurde festgestellt, dass die erbliche Veranlagung eine wichtige Rolle spielt. Menschen, die in der Familie Morbus-Bechterew-Betroffene haben, weisen ein 5 bis 10 Prozent höheres Erkrankungsrisiko auf.
In Mitteleuropa ist etwa ein Prozent der Bevölkerung an Morbus Bechterew erkrankt. Die Erkrankung beginnt häufig zwischen dem 16. und 45. Lebensjahr und hat ein Maximum durchschnittlich im Alter von 25 Jahren. Entgegen früherer Ansichten sind Frauen und Männer gleich häufig betroffen, wobei die Erkrankung bei den Frauen üblicherweise einen leichteren Verlauf hat. Dies ist auch vermutlich der Grund dafür, dass die Erkrankung bei den Frauen viel seltener erkannt wird.
Die genaue Ursache für den Entstehungsmechanismus der Erkrankung ist bisher noch unbekannt. Vermutlich summieren sich die Effekte der genetischen Besonderheiten und der äußeren Einflüsse, so dass eine gegen eigenes Gewebe gerichtete Abwehrreaktion entsteht (Autoimmunreaktion). Es kommt zu chronisch-entzündlichen Prozessen, die insbesondere die Wirbelsäule betreffen.
Bei nahezu allen Morbus-Bechterew-Patienten (etwa 90 Prozent) ist ein vererbtes Protein, das HLA-B27, feststellbar. HLA steht für Humanes Leukozytenantigen. Dies sind also Eiweißaufbauten an den Außenseiten der Zellen, die in Abwehrvorgängen eine Rolle spielen. Die HLA-B27-Moleküle nehmen z. B. Krankheitserreger wie Bakterien auf und präsentieren sie gegenüber einer Art von Abwehrzellen, den T-Lymphozyten. Diese Zellen werden dadurch aktiviert und bewirken entzündliche Vorgänge. Untersuchungen bei Betroffenen mit Morbus Bechterew zeigen, dass bei ihnen wirklich diese aktivierten T-Lymphozyten vorhanden sind. Die chronischen Entzündungen führen zu den Erscheinungen der Bechterew-Krankheit wie Gelenkschädigung und Umbauten im Wirbelsäulenbereich. Es konnte aber noch nicht festgestellt werden, weshalb sich die Krankheitszeichen vor allem an der Wirbelsäule finden.
Des Weiteren ließ sich bei Untersuchungen an Mäusen, bei denen als gentechnische Veränderung das HLA-B27 des Menschen überführt wurde, zeigen, dass sie unter sterilen Bedingungen keine Krankheitsmerkmale entwickelten. Kommen sie jedoch mit den herkömmlichen Keimen aus der Umgebung in Kontakt, dann entwickelt sich bei ihnen eine gewöhnliche Darmflora, und sie zeigen die Bechterew-Erkrankung. Folglich kommt es bei Individuen mit HLA-B27 wohl zu einer Reaktion zwischen dem Abwehrsystem und den üblichen Darmkeimen, was letztendlich zu dem chronischen Entzündungsgeschehen bei der Erkrankung führt.
Der Morbus Bechterew führt in seinem Krankheitsgang zu unterschiedlichen, wechselnden Beschwerden. Ein typisches Symptom zu Beginn des Krankheitsverlaufs ist der chronische Rückenschmerz, der sich insbesondere in den tieferen Regionen der Wirbelsäule findet. Morgens und nach Ruhephasen sind die Schmerzen stärker, sie bessern sich bei Bewegung. Charakteristisch ist auch eine Morgensteifigkeit der Gelenke. Oft ist das Kreuzbein-Darmbein-Gelenk (die wesentliche Verbindung zwischen Wirbelsäule und Becken) betroffen. Schmerzen entwickeln sich auch gelegentlich im Gesäß, an den Knien, in der Schulter oder im Fersenbereich. Als uncharakteristische Frühsymptome können neben den Schmerzen auch Müdigkeit, Stimmungsschwankungen oder eine Gewichtsabnahme auftreten.
Der Morbus Bechterew ist eine der Erkrankungen, die üblicherweise in Schüben ablaufen. Die Krankheit beginnt häufig mit einem Entzündungsgeschehen im Kreuzbein-Darmbein-Gelenk, breitet sich auf weitere Gelenke der Wirbelsäule aus und bedingt eine zunehmende Steifheit. Die Veränderungen können prinzipiell in allen Gelenken auftreten. So treten die Erscheinungen des Morbus Bechterew relativ häufig im Hüftgelenk, in den Knien oder Sprunggelenken oder auch in den Zehen- oder Fingergelenken auf. Häufig kommt es zu Haltungsveränderungen mit zunehmend verkrümmter Brustwirbelsäule, während die Lendenwirbelsäule flach ist. Der Buckel ist oft deutlich ausgeprägt. In der Halswirbelsäule findet sich kompensatorisch eine Überstreckung. In der Hüfte und an den Kniegelenken zeigt sich oft eine Beugestellung.
Am Bewegungsapparat kann das Geschehen gleichermaßen an Sehnen beziehungsweise dem Knochen-Sehnen-Ansatz (es wird von einer Enthesitis gesprochen) vorkommen, an den Sehnenscheiden oder an den Schleimbeuteln. Nicht selten findet sich ein Druckschmerz am Ansatzpunkt der Achillessehne am Fersenbein, es kann sich auch ein Fersensporn bilden.
Doch auch andere Organe können an dem Krankheitsbild beteiligt sein. So findet sich bei rund 25 bis 30 Prozent der Bechterew-Patienten eine Regenbogenhautentzündung im Auge (Iritis/Uveitis). Die Iritis macht sich durch Augenschmerzen, Rötung und Lichtempfindlichkeit bemerkbar und kann zu Verklebungen der Regenbogenhaut führen. Eine herabgesetzte Sehstärke kann die Folge sein.
Bisweilen sind innere Organe beim Morbus Bechterew betroffen, beispielsweise die Lunge (mit einer Fibrose) und die Niere. Ebenfalls ist eine Herzbeteiligung möglich. Auch die Aorta (Hauptschlagader) kann entzündet sein (Aortitis), was Schäden wie z. B. an der Aortenklappe führen kann. Auch Herzrhythmusstörungen mit Herzrasen und Reizüberleitungsstörungen können im Rahmen eines Morbus Bechterew auftreten, nur selten sind die Herzrhythmusstörungen bedrohlich.
Der Schweregrad der Bechterew-Erkrankung ist von Patient zu Patient verschieden. Bei einigen Betroffenen handelt es sich um einen milden Verlauf, der z. B. bloß die Rückenschmerzen beinhaltet. Bei anderen kann sich ein schweres Krankheitsbild mit einer weitgehenden Wirbelsäulensteife und dem Befall diverser weiterer Gelenke und Organe entwickeln.
Der Morbus Bechterew ist anfangs nicht einfach festzustellen, da die Beschwerden zu Beginn der Erkrankung wenig spezifisch sind. Deshalb dauert es oft fünf bis zehn Jahre, bis die Krankheit eindeutig diagnostiziert wird. Dabei ist es für eine gute Prognose wichtig, dass der Morbus Bechterew früh erkannt wird. Beim Verdacht auf die Erkrankung können unterschiedliche Untersuchungsverfahren angewendet werden, um die Diagnose zu sichern.
Das Gespräch mit dem Patienten (Anamnese) liefert dem Arzt wichtige Indizien, dass es sich um eine Bechterew-Erkrankung handeln könnte. Hinweisend können etwa Rückenschmerz, Gelenkbeschwerden, Fersenschmerz oder auch Augenentzündungen sein. Der Arzt fragt auch zur Krankengeschichte und nach möglichen Krankheitsfällen in der Familie des Patienten.
Bei der körperlichen Untersuchung achtet der Arzt auf die Beweglichkeit und Stellung der Wirbelsäule und Gelenke. Mit einem Test (Menellsches Zeichen) kann ermittelt werden, ob die Kreuzbein-Darmbein-Gelenke schmerzhaft und somit wahrscheinlich entzündlich verändert sind.
In der Laboruntersuchung des Blutes ist bei Bechterew-Betroffenen eine Erhöhung der Entzündungswerte (CRP = C-reaktives Protein, BSG = Blutsenkungsgeschwindigkeit) häufig, dies kann aber auch bei verschiedensten anderen Entzündungen zu sehen sein. Bei den meisten Patienten mit Morbus Bechterew findet sich das Protein HLA-B27 im Blut. Auch hier gilt, dass dieser Marker auch bei anderen Erkrankungen oder sogar bei gesunden Personen (sechs bis acht Prozent der Menschen) auftreten kann. Deshalb sind noch weitere Untersuchungen erforderlich, wenn diese Werte positiv sind.
Bildgebende Verfahren können Erscheinungen beim Morbus Bechterew darstellen. An radiologischen Untersuchungen kann z. B. ein Röntgen des Beckenbereichs oder eine Computertomographie (CT) erfolgen. Sollte dort eine entzündliche Veränderung des Kreuzbein-Darmbein-Gelenkes ausfindig gemacht werden, so ist die Bechterew-Diagnose wahrscheinlich. Auch an den Wirbelkörpern sind oftmals typische Veränderungen zu sehen. Allerdings können oftmals zu Beginn der Erkrankung keine solchen Auffälligkeiten im Röntgen gefunden werden. Eine Kernspintomographie (MRT, Magnetresonanztomographie) ist eine weitere geeignete Untersuchung, um einen Morbus Bechterew festzustellen - hiermit können auch Veränderungen im Weichgewebe gesehen werden.
Letztendlich wird die Diagnose des Morbus Bechterew festgelegt, wenn bestimmte Kriterien zutreffen. So liegt die Erkrankung vor, wenn eine Entzündung des Kreuzbein-Darmbein-Gelenks besteht, Rückenschmerzen mit entzündlicher Komponente sowie eine verminderte Beweglichkeit der Wirbelsäule und des Brustkorbs.
Der Morbus Bechterew muss von anderen möglichen Diagnosen verschiedener Erkrankungen abgegrenzt werden. So können sich hinter den Rücken- und Gelenkbeschwerden etwa auch eine Osteoporose (Knochenschwund), ein Bandscheibenvorfall, eine an sich verkrümmte Wirbelsäule (Skoliose/Kyphoskoliose), spezielle Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankungen, infektiöse Erkrankungen oder in Einzelfällen Tumore verbergen.
Die Bechterewsche Erkrankung lässt sich nicht heilen. Daher dient eine Behandlung dazu, die Schmerzen zu lindern und die Bewegungsfähigkeit zu bewahren. Hauptsächlich kommen konservative Behandlungen in Frage, also Maßnahmen ohne chirurgischen Eingriff. Der Arzt passt den Behandlungplan auf den Patienten an und stimmt ihn mit diesem ab. Andere Therapeuten oder Ärzte verschiedener Bereiche werden in die Behandlung involviert.
Die Grundlage zur Behandlung des Morbus Bechterew bildet die Krankengymnastik. Mit der regelmäßigen Ausübung beim Therapeuten und zu Hause kann eine Schmerzbesserung erreicht werden und die Beweglichkeit des Rückens und der Gelenke erhalten werden. Geeignete Sportarten oder physikalische Therapieformen wie Wärme- oder Kältebehandlung sowie Ultraschall können ebenfalls zur Besserung beitragen.
Die medikamentöse Behandlung geschieht hauptsächlich mit Mitteln, die zu den NSAR (nichtsteroidalen Antirheumatika, übliche Rheuma- und Schmerzmedikamente) gehören, doch es können auch Cortison-Präparate verabreicht werden. Cortison kann in den Wirbelsäulen- oder Gelenkbereich eingespritzt werden. Außerdem eignen sich so genannte Basis-Medikamente, die auch als Immunsuppressiva bekannt sind und die Abwehrreaktionen mildern. Die Arzneimittelgabe ermöglicht auch eine schmerzärmere Bewegung und deshalb eine bessere Krankengymnastik. Ein relativ neuer Ansatz ist die Therapie mit Biologika (Biologicals). Die Biologika sind Medikamente, die Immunvorgänge hemmen können und dadurch vielversprechend bei der Behandlung von Rheuma oder eben auch Morbus Bechterew sind. Zu ihnen gehören die TNF-alpha-Blocker, die einen entzündungsvermittelnden Botenstoff hemmen. Damit kann der Krankheitsfortschritt aufgehalten werden.
Bei manchen Patienten kann es sinnvoll sein, eine stationäre Therapie mit Aufnahme in eine spezialisierte Rheumaklinik vorzunehmen.
Eine Operation kann unter Umständen in Frage kommen, wenn die Gelenke oder die Wirbelsäule stark versteift sind. Hier kann z. B. ein künstlicher Gelenkersatz eingearbeitet werden oder die Wirbelsäule begradigt werden.
Die Schwere und der Verlauf einer Bechterew-Erkrankung variiert stark zwischen den einzelnen Betroffenen. Zu ungefähr 10 bis 20 Prozent handelt es sich um eine starke Erkrankungsform mit hochgradiger Versteifung der Wirbelsäule. Dennoch können die meisten dieser Patienten ihren Beruf ausüben. Die Behandlung muss möglichst früh beginnen, um die Erkrankung nicht stark fortschreiten zu lassen. Gerade die Medikamente sind von großer Bedeutung, um die Entzündungsvorgänge aufzuhalten. Doch auch der Patient selbst sollte durch Maßnahmen wie Bewegungsübungen dafür sorgen, einem Voranschreiten der Erkrankung vorzubeugen.
Die Krankheit verläuft in Schüben, aber der Erkrankungsfortschritt kann irgendwann stoppen. Problematisch ist ein Befall des Hüftgelenks, denn dieses entwickelt rasch schwere Schäden und muss gegebenenfalls durch ein künstliches Gelenk (Hüftprothese) ersetzt werden. Außerdem wirkt es sich unvorteilhaft aus, wenn die Krankheit bereits in der Jugend einsetzt oder wenn die Rheumamedikamente (NSAR) keine deutliche Verbesserung bringen.
Jeder Bechterew-Patient kann selbst etwas dafür tun, die Erkrankung einzudämmen. Dazu dient neben den Bewegungsübungen auch das alltägliche Verhalten. Auf eine gute Haltung sollte ein Betroffener achten, z. B. im Beruf. Ein geeigneter Sitz mit der richtigen Höhen- und Rückeneinstellung ist unabdingbar. Die Abwechslung zwischen Aktivitäten im Stehen, Gehen und Sitzen ist vorteilhaft. Schweres Heben und Tragen sollte vermieden werden. Zwischendurch, z. B. am Mittag, ist es sinnvoll, sich eine Zeitlang flach hinzulegen, um der Wirbelsäulenkrümmung entgegenzuwirken.
Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass Aktivitäten mit einem größeren Unfallrisiko gemieden werden. Patienten mit Morbus Bechterew sind meist weniger geschickt, Unfälle aufzuhalten, und sie können ihr Gewicht bei Stürzen schlecht abpuffern.
aktualisiert am 18.03.2020