Kinder erkranken deutlich häufiger als Erwachsene an einer Mandelentzündung (Tonsillitis), manche Kinder sogar mehrmals im Jahr. Mit zunehmendem Alter kommt es in einem guten Teil der Fälle vor, dass die Häufigkeit dieser Entzündungen von selbst zurückgeht. Die Entscheidung darüber, ob eine Mandelentfernung (teilweise oder vollständig) bei einem Kind sinnvoll ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählen, wie häufig im Jahr Entzündungen auftreten und wie ausgeprägt die Symptome sind. Eine Mandelentfernung führt nicht immer zur gewünschten deutlichen Reduzierung von erneuten Entzündungen. Es kann deshalb hilfreich sein, eine zweite Meinung eines anderen Arztes einzuholen, bevor die endgültige Entscheidung für oder gegen eine Mandelentfernung getroffen wird.
Es wird allgemein zwischen einer Teilentfernung der Gaumenmandeln (Tonsillotomie), einer vollständigen Entfernung (Tonsillektomie) und einer Entfernung der Rachenmandel und der Gaumenmandeln (Adeno-Tonsillektomie) unterschieden. Im Folgenden werden für all diese Eingriffe nur noch die Begriffe Mandelentfernung (Tonsillektomie) verwendet.
Es gibt einige Beschwerdebilder, die für eine Tonsillektomie sprechen oder sie erfordern. Dies sind:
Bei den Mandelentzündungen wird zwischen viralen und bakteriellen Infektionen unterschieden. Mandelentzündungen, die allein durch Viren verursacht werden, sollten nicht operiert werden (es sei denn, sie engen die Atemwege ein). Es gibt keine Forschungsergebnisse, die nachweisen konnten, dass dadurch die Anfälligkeit für virale Entzündungen im Hals- und Rachenraum gesenkt werden konnte.
Für Mandelentzündungen, die durch Bakterien (meist sind es Streptokokken) ausgelöst werden, gibt es verschiedene Empfehlungen, wann über eine Tonsillektomie nachgedacht werden kann. Die Kriterien orientieren sich unter anderem an der Anzahl von Mandelentzündungen in einem bestimmten Zeitraum.
Eine auch international gebräuchliche Empfehlung befürwortet eine Mandeloperation in diesen Fällen:
Eine abweichende Empfehlung besagt im Wesentlichen, dass operiert werden kann, wenn in einem Jahr sechs eitrige Mandelentzündungen auftreten. Bei sechs eitrigen Mandelentzündungen innerhalb 18 Monaten kann nach dieser Empfehlung möglicherweise ebenfalls eine Operation durchgeführt werden.
Zusätzlich zur jeweiligen Häufigkeit und zum klassischen Symptom Halsschmerzen werden weitere Kriterien bei der Entscheidung für eine Operation mit berücksichtigt:
Forschungsergebnisse zeigen, dass bei Kindern, die diese Kriterien erfüllen, eine Mandelentfernung die Häufigkeit der Entzündungen senken konnte.
Bei vielen Kindern reduziert sich die Häufigkeit von Mandelentzündungen mit zunehmendem Alter von selbst. Auch ein völliges Verschwinden ist möglich. Leider gibt es keine Kriterien, die eine Prognose erlauben, bei welchen Kindern das so sein wird.
Eine Entfernung der Mandeln ist, wie jede andere Operation auch, mit Risiken verbunden. Starke Schmerzen, Schluckbeschwerden, Übelkeit oder Erbrechen sowie Geschmacksstörungen sind Beschwerden, die nach einer Mandeloperation auftreten können. Beschwerden beim Schlucken und Schmerzen sind in den ersten Tagen üblich und zu erwarten. Außerdem besteht das Risiko stärkerer Nachblutungen. Diese können im schlimmsten Fall lebensgefährlich werden.
Vor einer Operation sollte daher abgeklärt werden, ob eine Störung der Blutgerinnung besteht. Dadurch steigt das Risiko für gefährliche Nachblutungen. Bei manchen Kindern werden die Mandeln entfernt, weil das Kind durch vergrößerte Mandeln an Schnarchen mit nächtlichen Atemaussetzern leidet (Schlafapnoe). In diesen Fällen wird besprochen, ob die Kinder nach der Operation besonders intensiv beobachtet werden müssen, weil bei ihnen ein höheres Risiko für atembezogene Komplikationen (Abfall der Sauerstoffsättigung, Atemaussetzer) besteht.
Die Mandeln sind Teil des Systems, das Krankheitserreger im Mund- und Rachenraum bekämpft. Eltern haben häufig Sorge, dass eine Mandelentfernung die Immunabwehr ihres Kindes dauerhaft negativ beeinflussen könnte. Sie fragen sich, ob ihre Kinder möglicherweise später anfälliger für Erkrankungen des Mund-und Rachenraumes sind. Bislang konnten Studien diese Fragen noch nicht endgültig klären. Je älter das Kind bei der Mandelentfernung ist, desto geringer sind die Auswirkungen auf das Immunsystem einzuschätzen. Ab einem Alter von 12 Jahren wird davon ausgegangen, dass die Mandelentfernung keinen negativen Einfluss mehr hat.
Die meisten Tonsillektomien werden stationär durchgeführt. Der Krankenhausaufenthalt dauert ungefähr eine Woche. Die Operation erfolgt in Vollnarkose und dauert zwischen 15 und 30 Minuten. Zur Entfernung der Mandeln stehen verschiedene Techniken zur Verfügung:
Wann eine Mandelentfernung bei Kindern sinnvoll ist, sollte sorgsam abgewogen werden. Nicht immer wird der gewünschte Erfolg durch eine Operation auch erzielt. Außerdem reduziert sich bei vielen Kindern die Anzahl der jährlichen Mandelentzündungen mit zunehmendem Alter von selbst. Beim Vorliegen von Risikofaktoren wie einer erhöhten Blutungsneigung sollten Risiken und Nutzen besonders achtsam gegeneinander abgewogen werden. Das Einholen einer zweiten Meinung kann bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein.
AWMF online – Entzündliche Erkrankungen der Gaumenmandeln / Tonsillitis, Therapie: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/017-024.html (online, letzter Abruf: 21.01.2022)
Deutsches Ärzteblatt, Boris A. Stuck; Jochen P. Windfuhr; Harald Genzwürker; Horst Schroten; Tobias Tenenbaum; Karl Götte – Die Tonsillektomie im Kindesalter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/62624/Die-Tonsillektomie-im-Kindesalter (online, letzter Abruf: 21.01.2022)
Meine Gesundheit (Österreichische Gesundheitskasse), Mag. Christian Boukal – Mandelentfernung bei Kindern: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.689728 (online, letzter Abruf: 21.01.2022)
Spiegel Gesundheit, Gerlinde Gukelberger-Felix – Wann müssen die Mandeln raus?: https://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/mandeloperationen-wann-muessen-die-mandeln-raus-a-965571.html (online, letzter Abruf: 21.01.2022)
aktualisiert am 21.01.2022