Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine Erkrankung mit einer hohen Rückfallquote. Nachsorge und Präventionsprogramme können dabei helfen, eine erneute Erkrankung zu verhindern.
Mindestens ein Drittel aller Magersüchtigen erleidet einen Rückfall in die Erkrankung. Bei Jüngeren ist die Rückfallquote geringer als bei älteren Patienten.
Der Begriff „Rückfall“ (Rezidiv) setzt voraus, dass der Patient zumindest eine Zeit lang stabil war. Das ist nicht bei allen Betroffenen, die aus der Klinik entlassen werden, der Fall. Dann handelt es sich nicht im eigentlichen Sinn um einen Rückfall, sondern um eine erneute Verschlechterung (Exazerbation) der bestehenden Krankheit.
Ein Rückfall zeigt sich mit den üblichen Kernsymptomen der Magersucht:
Meist ist ein Rückfall kein spontanes Ereignis, sondern das Ergebnis mehrerer kleinerer Rückschläge. Ziel ist, diese Rückschläge rechtzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken.
Die meisten Rückfälle ereignen sich in den ersten drei Monaten nach Entlassung aus der Klinik. Das kann zum einen daran liegen, dass sich der Zustand des Patienten in der Klinik noch nicht ausreichend stabilisiert hat. Zum anderen fühlen sich viele Patienten überfordert von der plötzlichen Eigenverantwortung. Die Hürde aus dem gesicherten und strukturierten Klinikalltag zurück in einen Alltag, in dem sich der Patient selbst organisieren muss, ist häufig zu hoch. Die Wartelisten bei Therapeuten sind lang. Nur selten findet sich nach einem Klinikaufenthalt nahtlos ein Übergang in eine ambulante Therapie. Das heißt, gerade dann, wenn der Patient am dringendsten Unterstützung braucht, ist er oft auf sich selbst angewiesen.
Besonders häufig werden Rückfälle beobachtet, wenn die Magersucht schon sehr lange besteht oder einen schweren Verlauf genommen hat und mit einem sehr niedrigen BMI (Body-Mass-Index) einherging. Auch wenn weitere Erkrankungen wie Zwangs- und Angststörungen oder Depressionen hinzukommen, ist das Risiko eines Rückfalls erhöht.
Obwohl so viele Magersüchtige einen Rückfall in die Anorexie erleben, gibt es kaum Therapieprogramme, die spezifisch auf das Vermeiden einer erneuten Erkrankung ausgerichtet sind. Studien, die sich mit Rückfallprophylaxe beschäftigen, haben Faktoren ermittelt, die einen Rückfall verhindern helfen:
Zur Nachbetreuung von Betroffenen wurden in den letzten Jahren Aftercare-Programme entwickelt. Entsprechende Studien haben gezeigt, dass die Rückfallquote bei Patienten, die nach dem Klinikaufenthalt einen Rückfallpräventionsplan hatten, von 31 Prozent auf 11 Prozent sank.
Behandlungsansätze wie das MANTRA-Therapiekonzept setzen auf eine Prophylaxe, die die Angehörigen aktiv integriert. Der Patient wird dazu ermutigt, sein soziales Umfeld mit einzubeziehen und nahestehende Personen als Unterstützung für die Vermeidung eines Rückfalls zu nutzen. Die Methode geht davon aus, dass der Magersüchtige selbst der Experte für seine Krankheit ist, und fördert die Autonomie und die Eigenverantwortung.
Die Leitlinie „Relapse Prevention Anorexia Nervosa“ zielt darauf ab, dass der Patient seine eigenen Rückfalltrigger erkennen lernt und verschiedene Bewältigungsstrategien entwickelt. Auf der Website http://relapse-an.com lässt sich ein Arbeitsbuch für den Patienten herunterladen, mithilfe dessen er einen eigenen Rückfallpräventionsplan erstellen kann.
Damit wird die Wahrnehmung für Frühwarnzeichen geschärft, sodass schwerere Rückfälle, die einen erneuten Klinikaufenthalt erfordern, verhindert werden können. Der Patient schafft sich ein Netzwerk von Menschen, denen er vertraut und die ihm helfen, bei einem Rückfall zu einer Mahlzeitenstruktur zurückzufinden. Trotz der Eigenverantwortung ist es wichtig, dass der Patient für mindestens ein Jahr nach der Entlassung therapeutisch begleitet wird.
Trotz Nachsorge und Vorbeugung können Rückfälle in die Magersucht nicht immer verhindert werden. Falls es dazu kommt, können gegebenenfalls erlernte Coping-Strategien und Notfallpläne angewendet werden. Betroffene sollten nicht resignieren, sondern versuchen, die ungesunden Verhaltensmuster zu durchbrechen und so bald wie möglich in eine gute Tagesstruktur mit regelmäßigen Mahlzeiten zurückzukehren. Dabei gilt es auch die Menschen im Umfeld einzuweihen und sich unterstützen zu lassen sowie professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine frühzeitige Erkennung einer erneuten Magersucht erhöht die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung.
Krankenhausgesellschaft Nordrhein Westfalen e.V. (KGNW) – SUSTAIN soll Rückfall bei Magersucht vorbeugen: https://www.kgnw.de/presse/neues-aus-den-nrw-kliniken/sustain-soll-rueckfall-bei-magersucht-vorbeugen (online, letzter Abruf: 09.03.2022)
TCE-Essstörungen (Therapie-Centrum für Essstörungen) – Magersucht/Bulimie/Binge-Eating: Rückfall - was nun?: https://www.tce-essstoerungen.de/ueber-tce/haeufige_fragen/rueckfall_was_nun.php (online, letzter Abruf: 09.03.2022)
Resarchgate, Katrin Giel; Elisabeth J. Leehr; Sandra Becker; Helen Startup; Stephan Zipfel; Ulrike Schmidt – Rückfallprophylaxe bei Anorexia nervosa: https://www.researchgate.net/profile/Stephan-Zipfel/publication/236206876_Relapse_Prevention_in_Anorexia_Nervosa/links/004635263bfc38fe58000000/Relapse-Prevention-in-Anorexia-Nervosa.pdf (online, letzter Abruf: 09.03.2022)
Rosenfluh; Manuela Eggel; Angela Maria Lanz; Tamara Berends – Hohe Rückfallrate bei Anorexia nervosa – Vorstellung eines Präventionsinstrumentes: https://www.rosenfluh.ch/psychiatrie-neurologie-2019-01/hohe-rueckfallrate-bei-anorexia-nervosa-vorstellung-eines-praeventionsinstruments (online, letzter Abruf: 09.03.2022)
aktualisiert am 03.04.2023