Magersucht ist nicht nur eine Teenager-Krankheit. Sie kann auch bei älteren Menschen auftreten.
Magersucht (Anorexia nervosa) ist eine Krankheit, die am häufigsten bei Jugendlichen vorkommt. Auch wenn zunehmend Kinder sowie Jungen und Männer betroffen sind, zeigen sich bei 16- bis 18-jährigen Mädchen die meisten Neuerkrankungen. Tritt die Krankheit erst nach dem 25. Lebensjahr auf, spricht man von einer Spätanorexie. Einige Menschen – fast immer sind es Frauen – sind bereits im mittleren oder höheren Lebensalter, wenn sich Symptome der Magersucht ausprägen.
Bei Frauen, die mit 40, 50 oder 60 Jahren anfangen zu hungern, ist die Anorexie meist keine Neuerkrankung. Nahezu ausnahmslos waren die Betroffenen in ihrer Vergangenheit bereits wegen Magersucht in Behandlung. Und selbst wenn sie nicht in Behandlung waren, zeigen sich in ihrer Biografie Tendenzen zu einer Essstörung.
Die Spätanorexie ist normalerweise ein Rückfall in die Magersucht. Bei einigen galt die Krankheit als besiegt. Die Frauen waren viele Jahre normalgewichtig, hatten ein gesundes Essverhalten. Bei anderen war die Erkrankung chronisch, Gewicht und Essen spielten weiterhin eine große Rolle, aber sie waren nicht stark untergewichtig.
In mittleren Lebensjahren kommt es nicht selten zu Brüchen in der Biografie: Lebensträume gehen kaputt, weil Ehen scheitern oder der Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Vieles verändert sich, Eltern werden krank oder sterben, Kinder verlassen das Haus. Der Blick in den Spiegel zeigt, dass das Älterwerden unaufhaltsam ist, und die Wechseljahre sorgen für zusätzliche Kilos auf der Waage.
Magersüchtige sind häufig ehrgeizig, streng zu sich selbst und perfektionistisch veranlagt. Medien vermitteln ein Bild der modernen Frau, die mit 40, 50 oder 60 nicht nur erfolgreich im Beruf, sondern auch noch attraktive Ehefrau und aufopferungsvolle Mutter ist. Derlei Ansprüche an sich selbst können irgendwann zu viel werden.
Diese und viele andere Gründe können ein Auslöser sein, in ungesundes Essverhalten zurückzufallen.
Essen – oder vielmehr Nichtessen – stellt für Menschen mit Magersucht eine „Lösungsstrategie“ dar, mit der sie Problemen und Konflikten in ihrem Leben begegnen. Hungern hilft ihnen, unangenehme Gefühle nicht spüren zu müssen und die vermeintliche Kontrolle über das eigene Leben zurückzugewinnen.
Eine Anorexie bei älteren Menschen wird in gleicher Weise behandelt wie eine Magersucht bei Kindern oder Jugendlichen. Mithilfe von Ernährungs- und Psychotherapie sollen Betroffene Gewicht aufbauen und zurück zu einem gesunden Essverhalten finden.
Je nach Schwere der Erkrankung kann ein Aufenthalt in einer Klinik für Essstörungen ratsam sein. Gerade in Krisensituationen kann es hilfreich sein, den Alltag bewusst hinter sich zu lassen. In der Klinik finden Betroffene einen geschützten Raum vor, wo sie sich mit anderen Patienten austauschen können, wo sie wieder lernen zu essen und psychotherapeutische Unterstützung erhalten.
Neben der Spätanorexie gibt es eine altersbedingte Anorexie, die im letzten Lebensabschnitt besonders häufig auftritt.
Verschiedene Faktoren führen dann zu Untergewicht. Dabei handelt es sich nicht um eine Anorexia nervosa oder Magersucht, sondern um eine allgemein verminderte Nahrungszufuhr und Appetitlosigkeit (Anorexie im allgemeinen Sinne). Körperliche Ursachen wie Magenbeschwerden, Probleme mit den Zähnen oder chronische Schmerzen können zu einer erschwerten Nahrungsaufnahme und einem verminderten Appetit führen. Auch eine Altersdepression, die häufig mit der zunehmenden Isolation im Alter einhergeht, kann Ursache dafür sein, dass nichts mehr oder zu wenig gegessen wird. Fremdbestimmte Essenszeiten und ein unattraktives Essensangebot im Altenheim sind auch nicht förderlich für die Nahrungsaufnahme. Hinzu kommt, dass sich viele Medikamente auf das Hungergefühl auswirken. Im Alter lassen Geschmacks- und Geruchssinn und damit auch der Appetit nach.
Im Unterschied zur Spätanorexie geht die altersbedingte Anorexie selten mit dem Wunsch nach Gewichtsverlust und einer verzerrten Körperwahrnehmung einher. Es handelt sich daher bei dieser Problematik weniger um eine Sucht als um altersbedingtes Untergewicht. Die Behandlung besteht darin, die Mangelernährung auszugleichen. Eine Psychotherapie kann helfen, die seelischen Ursachen wie Depression, Ängste, Einsamkeit oder Lebensüberdruss zu bearbeiten.
Deutschlandfunk Kultur, Eva Förster – Anorexie bei älteren Frauen - „Das haben doch nur junge Mädchen“: https://www.deutschlandfunkkultur.de/anorexie-bei-aelteren-frauen-das-haben-doch-nur-junge-100.html (online, letzter Abruf: 07.03.2022)
Deximed, Dr. med. Susanne Meinrenken; Marleen Mayer – Häufigkeit der Anorexie: https://deximed.de/home/klinische-themen/kinder-und-jugendpsychiatrie/patienteninformationen/anorexie/anorexie-magersucht-haeufigkeit (online, letzter Abruf: 07.03.2022)
Journal für Ernährungsmedizin, W. Schindlegger – Ursachen der Anorexie im Alter: https://www.kup.at/kup/pdf/871.pdf (online, letzter Abruf: 07.03.2022)
Rosenfluh, Rebecca Ott; Stefanie Grolimund – Essstörungen bei älteren Menschen: https://www.rosenfluh.ch/ernaehrungsmedizin-2018-01/essstoerungen-bei-aelteren-menschen (online, letzter Abruf: 07.03.2022)
Süddeutsche Zeitung, Sophia Lindsey – Gespräch über Magersucht im Alter - Von der Gier nach dem Mangel: https://www.sueddeutsche.de/leben/gespraech-ueber-magersucht-im-alter-von-der-gier-nach-dem-mangel-1.1330528 (online, letzter Abruf: 07.03.2022)
aktualisiert am 07.03.2022