Magersucht ist eine Essstörung mit zunehmender Häufigkeit. Mediziner unterscheiden zwei Typen.
Magersucht (Anorexia nervosa) ist vor allem eine weibliche Essstörung. Sie beginnt meist in der Jugend und wird unter anderem von dem Schönheitsideal des Schlankseins gesteuert. Manchmal können eine Diät und die übertriebene Beschäftigung mit dem Gewicht in die Magersucht führen. Die jungen Frauen – nur zehn Prozent der Betroffenen sind männlich – entwickeln, obwohl sie schon sehr schlank sind, eine ausgeprägte Angst davor, zuzunehmen. Sie halten sich immer noch für zu dick, obwohl ihr Körpermasseindex (BMI) bereits sehr niedrig ist (unter einem Wert von 18). Mediziner sprechen von einer Körperschemastörung.
Den Betroffenen fehlt für ihr Untergewicht jegliche Einsicht und sie streiten ab, dass Essen ein Problem für sie darstellt. Sie entwickeln einfallsreiche Strategien, wenn es um die Vermeidung von Mahlzeiten geht. Gleichzeitig nimmt die Beschäftigung mit Essen (beziehungsweise Nichtessen) einen Großteil des Denkens der Magersüchtigen ein. Die Essstörung wird verheimlicht und geht häufig mit einem sozialen Rückzug einher. So kann es sein, dass die Umwelt erst dann auf das gestörte Essverhalten aufmerksam wird, wenn sich bereits Untergewicht eingestellt hat. Zwei Formen der Anorexia nervosa unterscheidet die Medizin.
Ein Teil der Magersüchtigen gehört dem restriktiven Typ an. Das heißt, sie essen so wenig wie möglich. Sie verweigern die Mahlzeiten oder essen nur die kalorienärmsten Teile davon. Lässt sich ein Essen nicht vermeiden, versuchen sie die Kalorien durch längeres Fasten und vermehrte Bewegung auszugleichen. Sie setzen sich „ehrgeizige“ Ziele, indem sie sich vornehmen, den ganzen Tag nichts zu essen, oder sich strikte Essenspläne mit einer minimalen Kalorienzufuhr erstellen. Ihr Selbstwert ist stark abhängig vom Erreichen dieser Ziele. Gelingt es ihnen nicht, haben sie „versagt“ und müssen sich mit noch härterem Fasten oder noch mehr Sport bestrafen. Obwohl sie eigentlich schon müde und aufgrund der fehlenden Nährstoffe erschöpft sind, zwingen sie sich zu ausgedehnten Joggingrunden oder schweißtreibenden Workouts. Die Kontrolle über ihre Nahrungsaufnahme und ihren Gewichtsverlust vermittelt ihnen das Gefühl, stark zu sein, die Dinge im Griff zu haben. Hungergefühle überwinden erleben sie als persönliche Leistung, die sie von anderen Menschen, die „essen müssen“, abhebt.
Der andere Teil der Magersüchtigen leidet unter wiederkehrenden Essanfällen. Man spricht auch von einer bulimischen Form der Magersucht. Grundsätzlich vermeiden die Betroffenen ebenso das Essen oder nehmen so wenig Kalorien wie möglich zu sich. Das Nichtessen und die gleichzeitige gedankliche Beschäftigung mit Essen führt jedoch zu Heißhungerattacken, die dann in einem Binge-Eating-Anfall gipfeln. Ein solcher Essanfall zeichnet sich dadurch aus, dass in kürzester Zeit viel größere Mengen von Nahrung aufgenommen werden, als die meisten Menschen in diesem Zeitraum essen würden. Der Essanfall findet üblicherweise heimlich statt, ist unkontrolliert und gesteuert von der Unfähigkeit aufzuhören. Manchmal planen die Betroffenen diese hochkalorischen Essensorgien und gehen gezielt dafür einkaufen, manchmal werden auch Dinge gegessen, die kaum genießbar sind. Am Ende des Essanfalls fühlen die Betroffenen nicht nur ein unangenehmes Völlegefühl, sondern auch Scham und Schuldgefühle bis hin zu Selbstekel. Um die Kalorienzufuhr rückgängig zu machen, wird Erbrechen herbeigeführt. Auch Abführmittel oder Einläufe, entwässernde Medikamente oder Appetitzügler kommen zum Einsatz, um ein Zunehmen zu vermeiden. Die Anfälle treten mindestens einmal pro Woche und über einen Zeitraum von länger als drei Monaten auf.
Manchmal entwickelt sich aus einer restriktiven Magersucht ein Purging-Verhalten. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn Erkrankte im Rahmen einer Therapiemaßnahme essen müssen, obwohl sie nicht wollen.
Ferner kennen Mediziner noch eine sogenannte atypische Anorexia nervosa. Diese kann zum Beispiel Jugendliche betreffen, die übergewichtig sind und dann in kurzer Zeit stark abnehmen. Auch hier bestimmen ein gestörtes Körperbild und die Angst vor Gewichtszunahme das Denken der Betroffenen. Die Essstörung fällt allerdings weniger auf, weil die Mädchen (selten Jungen) nicht untergewichtig sind. Das Hungern kann aber, so wie beim restriktiven Typ und beim Purging-Typ, schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben: Die Monatsblutung bleibt aus, Herzrhythmusstörungen können einsetzen, die Organe werden geschädigt.
Cinderella (Aktionskreis für Ess- und Magersucht) – Essstörungen: https://cinderella-beratung.de/essstoerungen/allgemeine-informationen (online, letzter Abruf: 28.02.2022)
Kinder- und Jugendärzte im Netz – Essstörung mit „normalem“ Gewicht: Atypische Magersucht: https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/essstoerung-mit-normalem-gewicht-atypische-magersucht/ (online, letzter Abruf: 28.02.2022)
Magersucht.net, Miriam Schaum – Formen von Magersucht: https://www.magersucht.net/formen-der-magersucht/ (online, letzter Abruf: 28.02.2022)
AWMF online – Patientenleitlinie Diagnostik und Behandlung von Essstörungen: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-026p_Essstoerungen_2015-06_01.pdf (online, letzter Abruf: 28.02.2022)
TCE (Therapie-Centrum für Essstörungen) – Anorexia nervosa - die Magersucht: https://www.tce-essstoerungen.de/info-hilfe/magersucht_anorexie.php (online, letzter Abruf: 28.02.2022)
tima e.V. (Tübinger Zentrale für Mädchenarbeit) – Magersucht verstehen: https://www.tima-ev.de/essstoerungen-lebenshunger/essstoerungen/magersucht (online, letzter Abruf: 28.02.2022)
aktualisiert am 01.03.2022