Eine Ernährungstherapie dient dazu, Menschen mit Essstörungen an regelmäßige Mahlzeiten zu gewöhnen und Nahrungsmengen zu essen, die den individuellen Nährstoffbedarf decken und den Körper gesund erhalten.
Die Behandlung von Magersucht (Anorexia nervosa) stützt sich vor allem auf zwei Säulen:
Beide sind gleichermaßen wichtig und unterstützen sich gegenseitig im Gesundwerdungsprozess. Ziel der Ernährungstherapie ist es, den durch die Anorexie unterernährten und geschwächten Körper wieder aufzubauen. Die Patientin oder der Patient (etwa zehn Prozent der Betroffenen sind männlich) soll an regelmäßige Mahlzeiten mit normalen Portionen gewöhnt werden. Wichtig ist, wieder zu lernen, sich gesund, vollwertig und abwechslungsreich zu ernähren. „Verbotene“ Lebensmittel, die Magersüchtige meiden, weil sie zu viele Kalorien enthalten, werden Stück für Stück wieder mit in den Speiseplan integriert. Im Verlauf der Therapie soll der Erkrankte lernen, auf seine Körpersignale zu hören, um das natürliche Gefühl von Hunger und Sättigung wieder wahrzunehmen.
Bei einem stationären oder teilstationären Aufenthalt in einer Klinik für Essstörungen ist die Ernährungstherapie von Anfang an ein wichtiger Baustein. Zusammen mit einem Ernährungsberater und einem Therapeuten wird für die Patientin ein Essensplan erstellt. Mahlzeiten werden zusammen mit anderen Erkrankten – mit Unterstützung der Therapeuten – eingenommen. Die Mahlzeiten sind so bemessen, dass die Betroffene pro Woche 500 bis 1000 Gramm Gewicht zunimmt. Beim wöchentlichen Wiegen wird das Gewicht protokolliert.
Während die Klinik der Patientin eine feste Mahlzeitenstruktur bietet, die sie nicht umgehen kann, gestaltet sich die Ernährungstherapie im Alltag häufig komplizierter. In einigen Fällen kann es deshalb hilfreich sein, wenn die Patientin, bevor sie komplett in die Eigenverantwortung zurückkehrt, für einige Monate in einer therapeutischen Wohngruppe lebt. Gerade dann, wenn zu Hause die Unterstützung fehlt oder die Familie durch die Magersucht stark belastet ist, ist dies sinnvoll. Die Erkrankte lebt dann mit anderen Essgestörten in einer Gruppe, organisiert und kocht ihre Mahlzeiten aber selbst beziehungsweise zusammen mit ihren Mitbewohnern. Die Mahlzeiten werden meist von einer Ernährungstherapeutin begleitet.
Eine Ernährungstherapie kann nur dann sinnvoll zu Hause umgesetzt werden, wenn zwischen Eltern und dem magersüchtigen Kind ein gutes Vertrauensverhältnis besteht. Falls die Magersüchtige alleine lebt, ist es erforderlich, dass sie stabil und motiviert genug ist, vollständig wieder gesund zu werden.
Eine Magersucht erzeugt in der Familie Spannungen. Eltern fällt es schwer zu verstehen, warum dem Kind „Essen Angst macht“. Von ihnen wird einerseits die Sensibilität abverlangt, sich in ihr Kind hineinzuversetzen, anderseits die Stärke, sich in Sachen Nahrungsaufnahme und Essensplan durchzusetzen. Auch die Vorstellung, einem Kind oder Teenager vorzuschreiben, was wann und wie viel gegessen wird, widerstrebt vielen Eltern. Deshalb ist es wichtig, dass auch die Eltern im engen Austausch mit dem Ernährungstherapeuten und dem Psychotherapeuten stehen.
Am Anfang der Ernährungstherapie stehen Gespräche, Ziele werden aufgestellt und die Mahlzeiten werden geplant.
Anamnese (Gespräch zwischen Therapeut und Patientin): Zu Beginn versucht der Ernährungstherapeut, möglichst viel über das aktuelle Essverhalten zu erfahren:
Aufschluss gibt ein Essensprotokoll, das die Magersüchtige eine Woche lang führt und in dem sie jede Nahrungsaufnahme einträgt.
Zielsetzung: Die Patientin erarbeitet zusammen mit dem Ernährungstherapeuten Teilziele, die sie erreichen möchte. Eine regelmäßige Mahlzeitenstruktur steht dabei neben dem Gewichtszuwachs an erster Stelle. Vorgesehen sind im Normalfall drei Hauptmahlzeiten (eine davon warm) und zwei Zwischenmahlzeiten. Zusätzlich soll die Liste der aus eigener Sicht verbotenen Lebensmittel langsam abgebaut werden. Wichtig ist, dass sich die Patientin ihre Ziele – im Rahmen des erforderlichen Gewichtszuwachses – selbst setzt.
Essensplan: Anschließend wird gemeinsam ein Essensplan erarbeitet, der vorsieht, was jeden Tag in welcher Menge gegessen werden soll. Dabei werden die persönlichen Vorlieben und Abneigungen der Patientin berücksichtigt. Kalorienreduzierte und Light-Produkte stehen nicht auf dem Plan. Die Kost ist vollwertig und abwechslungsreich. Auch wenn auf eine gesunde Ernährung geachtet wird, dürfen auch Süßigkeiten gegessen werden.
Ein Essensplan sieht folgendermaßen aus:
Zurück zu einem gesunden Essverhalten: Das langfristige Ziel der Ernährungstherapie ist, die Betroffene von einem strikten Essensplan mehr und mehr in die Eigenverantwortung zu entlassen. Das bedeutet, dass sie ihre Mahlzeiten selbst plant, zu einem flexibleren Essverhalten findet sowie das Gefühl von Hunger und Sättigung wieder kennenlernt. Je nachdem, wie lange die Anorexie schon besteht und wie ausgeprägt sie ist, kann dies viele Monate dauern.
Eine Ernährungstherapie kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Erkrankte selbst den festen Willen hat, wieder gesund zu werden. Auch wenn die meisten Magersüchtigen gesund werden wollen, so ist die damit verbundene Gewichtszunahme üblicherweise mit Angst besetzt. Eine psychotherapeutische Begleitung, die sich damit auseinandersetzt, ist essenziell.
Ein Rückfallplan kann den Betroffenen (und den Angehörigen) helfen, Trigger zu erkennen und eventuelle Rückfälle in Essensvermeidung schneller wahrzunehmen und gegenzusteuern.
Mit körperlichem Unwohlsein muss die Magersüchtige ebenfalls rechnen. Der Magen wird aufgrund der fehlenden Nahrung kleiner, die Verdauung ist verlangsamt. Werden nun wieder normale Mengen Nahrung gegessen, führt dies zu unangenehmem Völlegefühl, manchmal Bauchweh und Übelkeit. Die Beschwerden sind vorübergehend, aber normal.
Sowohl beim Ernährungs- als auch beim Psychotherapeuten findet die Erkrankte Unterstützung in ihrem Genesungsprozess. Ängste, Zweifel, Rückschläge gehören dazu und können hier besprochen werden. Gelingt die ambulante Ernährungstherapie nicht, vermeidet die Patientin die Gewichtszunahme, kann ein Klinikaufenthalt mit einer intensiveren Unterstützung ratsam sein.
Ernährungsumschau, Vera Baumer – Ernährungstherapie bei Essstörungen: https://www.ernaehrungs-umschau.de/fileadmin/Ernaehrungs-Umschau/pdfs/pfd_2009/07_09/EU07_B25_B28.qxd.pdf (online, letzter Abruf: 03.03.2022)
F.E.A.S.T. (Families Empowered And Supporting Treatment for Eating Disorders), Dr. Debra K. Katzman – Ernährung während einer Essstörung verstehen und behandeln: https://www.feast-ed.org/wp-content/uploads/2019/07/Ernährung-während-einer-Essstörung.pdf (online, letzter Abruf: 03.03.2022)
aktualisiert am 04.03.2022