Bei einer Kalkschulter (medizinischer Fachbegriff Tendinosis calcarea) kommt es zu einer Einlagerung von Kalk in die Sehnen der Rotatorenmanschette. Am häufigsten betroffen ist die Sehne des Musculus supraspinatus, die Supraspinatussehne. Sie verläuft zwischen Oberarmkopf und Schulterdach. Das Kalkdepot in der Sehne kann ohne Beschwerden bleiben oder zu plötzlich auftretenden, starken Schmerzattacken führen.
Das Schultergelenk setzt sich aus verschiedenen Knochen und dem umgebenen Weichteilgewebe (Muskulatur, Sehnen) zusammen:
Die Muskeln der Rotatorenmanschette sorgen für einen großen Bewegungsumfang (nahe 360°) und stabilisieren gleichzeitig den Oberarmkopf in der Gelenkpfanne des Schultergelenks. Zur festen Stabilisierung gehen die Muskeln am Knochenansatz in Sehnen über, die den Oberarmkopf wie eine Art Kappe umfassen.
Bei einer Kalkschulter kommt es zu einer Einlagerung von Kalk in die Sehnen von Muskeln der Rotatorenmanschette. In etwa 90 Prozent der Fälle ist die Supraspinatussehne betroffen. Die Ursache hierfür ist bisher nicht endgültig geklärt.
Kalk ist eine chemische Verbindung aus Calcium, Kohlenstoff und Sauerstoff. Bei Absterben von Knorpelgewebe oder Abbauvorgängen der Sehne kristallisieren Calciumsalze aus und bilden Kalkdepots.
Folgender Krankheitsprozess wird vermutet: Die Sehnen der Rotatorenmanschette liegen eng in einer Art Tunnel (Subacromialraum) und sind daher ständig einem gewissen Druck ausgesetzt. Auch die Blutgefäße verlaufen in diesem Tunnel. Daher ist die Blutversorgung schlechter als die anderer Sehnen. Dies führt zu einem ständigen Sauerstoffmangel. Bei Unterversorgung stirbt das Gewebe ab, die Sehnen bilden sich zurück und werden zunächst in Knorpelgewebe umgebaut. Im weiteren Verlauf lagert sich anstelle des Knorpelgewebes Kalk ab. Dieser hat zunächst eine kreideartige, eher krümelige Konsistenz.
Manchmal erst Jahre später wird der Kalk von Zellen des Immunsystems (sogenannten Fresszellen) abgebaut. Er bekommt dann eine zahnpastaartige Konsistenz und kann in Bereiche wie den Schleimbeutel „fließen“. Dadurch wird ein Entzündungsprozess ausgelöst. Das Gewebe schwillt an, Flüssigkeit tritt aus und der Raum unter der Schulterhöhe, in dem die Sehnen verlaufen, wird zunehmend enger. Dies führt zu den heftigen Schmerzattacken. Im Anschluss an den Entzündungsprozess wird das abgestorbene Sehnengewebe zunächst mit Narbengewebe ersetzt. Schließlich kann sich neues Sehnengewebe bilden.
Eine Kalkschulter entwickelt sich nicht durch Abnutzungserscheinungen und tritt auch nicht vermehrt im hohen Alter auf. Am häufigsten kommt sie im Alter von 30 bis 50 Jahren vor. Etwa bei jedem zehnten Menschen kommt es zu Kalkablagerungen in der Schulter. Nur etwa die Hälfte der Betroffenen zeigt aber Symptome. Häufige Überkopftätigkeiten bei der Arbeit oder beim Sport erhöhen die Neigung, eine Kalkschulter zu entwickeln. Ein etwas erhöhtes Risiko scheinen Patienten mit der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) zu haben.
Die Symptome einer Kalkschulter sind abhängig von Krankheitsdauer, Größe und Stelle der Kalkdepots. Meist ist der Krankheitsverlauf schleichend. Zu Beginn der Erkrankung wissen Patienten häufig gar nicht, dass sie Kalkablagerungen im Schultergelenk haben.
Im weiteren Verlauf kommt es erst bei bestimmten Bewegungen wie Überkopfsportarten (Tennis, Golf, Volleyball) oder auch bei Überkopfarbeiten (Malerarbeiten, Fenster putzen, Gardinen aufhängen) zu belastungsabhängigen Schmerzen.
Besonders in der Entzündungsphase, wenn der Körper mit dem Umbau der Kalkdepots begonnen hat, kommt es zu plötzlich auftretenden Ruheschmerzen. Auch nachts treten starke, teils unerträgliche Schulterschmerzen auf, sodass Patienten auf der betroffenen Seite nicht mehr liegen können. Die Schmerzen verstärken sich bei Bewegung und können bis in Nacken oder Handgelenk ausstrahlen. Berührungen der Schulter können als unangenehm befunden werden. Die Schulterbeweglichkeit ist teilweise deutlich eingeschränkt.
Eine Verdachtsdiagnose stellt der Arzt, wenn Patienten unter den typischen Beschwerden wie Schmerzen beim Liegen auf der betroffenen Seite, plötzlich auftretenden Schmerzen, Belastungsschmerzen bei Überkopfarbeiten oder Überkopfsportarten und einer eingeschränkten Beweglichkeit des Schultergelenks leiden.
Sobald sich Kalkdepots in die Sehne eingelagert haben, können sie in einer Ultraschall- oder Röntgenuntersuchung dargestellt werden.
Folgende Erkrankungen führen auch zu Schmerzen in der Schulter und werden als abweichende Diagnosen in Betracht gezogen:
Wenn Sie unter Schulterschmerzen leiden, sollten Sie immer einen Arzt aufsuchen, um die Ursache dafür herauszufinden. Bei rechtzeitiger Diagnose können Schulterschmerzen gut mit konservativen Therapien behandelt werden, ohne dass eine Operation nötig ist.
Die Kalkschulter kann spontan heilen, sodass keine Behandlung nötig ist oder gegebenenfalls nur unterstützende Maßnahmen eingesetzt werden. Ansonsten lässt sich eine Kalkschulter meist gut konservativ (mit Medikamenten oder physikalischen Maßnahmen) behandeln. Nur wenn die Kalkdepots schon sehr groß sind oder die konservative Behandlung nicht erfolgreich ist, kann eine Operation notwendig werden.
Für die konservative Behandlung gibt es verschiedene Therapieformen:
Eine Schulterorthese ist eine spezielle Bandage, die das Schultergelenk stabilisiert, ruhigstellt und entlastet. Die Orthese wird zum Beispiel oft bei einer durch die Kalkschulter ausgelösten Schleimbeutelentzündung, die mit starken Schmerzen einhergeht, eingesetzt.
Bei einer Schmerztherapie in Kombination mit den anderen Maßnahmen oder alleine werden beispielsweise Schmerzmittel mit den Wirkstoffen Ibuprofen oder Diclofenac verordnet. Neben einer schmerzlindernden haben sie auch eine entzündungshemmende Wirkung. Injektionen von Betäubungsmitteln oder Cortison direkt in das Gelenk können ebenfalls rasch vorübergehend Linderung schaffen.
Bei der Kältetherapie kommt es zu einer Schmerzlinderung durch Kühlung der Schulter, beispielsweise mit Cold Packs. Dies hält zusätzlich den Entzündungsprozess auf und reduziert die Schwellung. Unter eine Eispackung sollte ein Handtuch oder Ähnliches gelegt werden, um keine Hautschäden durch die Kälte zu verursachen.
Bei der Stoßwellentherapie wird das Kalkdepot in mehreren Sitzungen gezielt mit akustischen Wellen „beschossen“. Dadurch wird der Heilungsprozess gefördert und die Kalkdepots lösen sich auf.
Krankengymnastik dient zur Förderung der Bewegung, sobald die Schmerzen dies zulassen. Dadurch wird eine Versteifung des Gelenks verhindert und die Durchblutung gefördert.
Wenn die konservativen Maßnahmen nicht erfolgreich sind, die Patienten unter sehr starken Schmerzen leiden oder die Kalkdepots besonders hart und groß sind (über einen Zentimeter), ist eine Operation zur Kalkdepotentfernung an der Schulter nötig.
Der Eingriff erfolgt in der Regel minimalinvasiv: Der Chirurg führt über einen kleinen Hautschnitt ein Endoskop (spezielle Kamera) in das Schultergelenk ein. So kann er das Kalkdepot unter Sichtkontrolle mit speziellen Instrumenten entfernen. Gleichzeitig hat er einen Einblick in das Gelenk und die Umgebung, um Folgeschäden oder weitere Veränderungen zu erkennen und gleich mitzubehandeln.
Nach erfolgreicher Entfernung des Kalkdepots sollte die Schulter noch für etwa drei Wochen geschont werden. Nach drei bis vier Tagen startet jedoch bereits die Krankengymnastik, um die Schulterbeweglichkeit zu fördern und den Heilungsprozess zu beschleunigen.
Häufig heilt eine Kalkschulter spontan aus oder lässt sich gut und erfolgreich konservativ behandeln. Wenn eine Operation bei Patienten mit starken Schmerzen oder großen Kalkdepots nötig wird, kann die Schulter in etwa 90 Prozent der Fälle erfolgreich behandelt werden. Nach etwa vier Wochen sind die meisten Patienten schmerzfrei. Die Beweglichkeit der Schulter ist meist schon früher erreicht.
Wenn das Kalkdepot entfernt wurde oder sich spontan aufgelöst hat, bildet es sich in weniger als fünf Prozent der Fälle an der selben Schulter wieder. Allerdings kommt es bei etwa 30 Prozent der Patienten zu Bildung von Kalkdepots in der anderen Schulter.
Gelenk-Klinik, Prof. Dr. med. Sven Ostermeier – Kalkschulter (Tendinosis calcarea): Diagnose und Behandlung: https://gelenk-klinik.de/schulter/kalkschulter-tendinosis-calcarea-diagnose-und-behandlung.html (online, letzter Abruf: 18.06.2020)
Pharmazeutische Zeitung – Kalkschulter - Starke Schmerzen im Gelenk: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-242011/starke-schmerzen-im-gelenk/ (online, letzter Abruf: 18.06.2020)
Netdoktor.at, Dr. Gerhild Albrecht – Kalkschulter (Tendinosis calcarea): https://www.netdoktor.at/krankheit/kalkschulter-tendinosis-calcarea-6867532 (online, letzter Abruf: 18.06.2020)
Orthopaedicum Frankfurt – Kalkschulter: https://www.orthopaedicum-frankfurt.de/diagnosen/schulter/kalkschulter/ (online, letzter Abruf: 18.06.2020)
aktualisiert am 19.06.2020