Hodenschmerzen können direkt von den Hoden ausgehen, aber auch im Zusammenhang mit Erkrankungen des Hodensacks oder des Unterleibs stehen. Besonders bei plötzlich auftretenden, sehr starken Schmerzen kann es sich um einen ernsten Notfall handeln, der sofort ärztlich behandelt werden muss. Die Hoden sind von zahlreichen Nerven durchzogen und daher sehr empfindlich und auch schmerzhaft. An keiner anderen Stelle des männlichen Körpers werden Schmerzen unangenehmer empfunden. Schon die Angst vor einer Verletzung schützt unsere Fortpflanzungsorgane.
Die beiden Hoden liegen frei hängend an einem Samenstrang im Hodensack. Sie produzieren lebenslang die Samenfäden (Spermien) und die männlichen Geschlechtshormone. Auf der Rückseite liegt der Nebenhoden wie eine Kappe eng am Hoden an. Beim Samenerguss gelangen die Spermien vom Hoden in den Nebenhoden. Dort reifen sie heran, werden beweglich und können durch die Samenleiter und die Harnröhre nach außen befördert werden.
Hodenschmerzen können durch die Hoden selbst oder durch verschiedene Erkrankungen des Hodensacks, der Leistengegend oder des Unterleibs verursacht werden.
Die häufigsten Ursachen sind:
Eine Hodenprellung entsteht durch ein Trauma, z. B. einer Sportverletzung oder eines Unfalls. Dabei wird der Hoden durch stumpfe Gewalteinwirkung wie einen Schlag oder Stoß verletzt. Eine starke Prellung des Hodens ist sehr schmerzhaft und kann zu einer Blutung in den Hodensack führen, der in der Folge anschwillt und sich bläulich verfärbt. Es besteht die Gefahr der Unfruchtbarkeit. Bei Gewalteinwirkung kann die den Hoden umgebende Bindegewebskapsel reißen und der gesamte Hodeninhalt kann austreten. In diesem Fall ist eine Operation notwendig. Ist nur einer der Hoden betroffen, bleibt die Zeugungsfähigkeit erhalten.
Eine Drehung von Hoden und Samenstrang um die eigene Achse führt zur Unterbrechung der Blutversorgung. Unbehandelt kann der Hoden absterben. Die auslösende Ursache ist weitestgehend unbekannt. Die Hodentorsion kommt besonders bei Neugeborenen oder in der Pubertät vor, kann aber in jedem Alter auftreten.
Info für Eltern: Plötzlich auftretende starke Hodenschmerzen bei Jungen sollten Eltern immer ernst nehmen und sofort einen Kinderurologen aufsuchen. In etwa 1/5 der Fälle handelt es sich um eine Hodentorsion, die rasch operiert werden muss. Kommt es durch die Hodentorsion zum Absterben von Gewebe, besteht die Gefahr, dass das betroffene Kind zeugungsunfähig wird. Lesen Sie auch: Gefahr der Zeugungsunfähigkeit - Hodenschmerzen sind bei Jungen immer ein Notfall
Der Appendix testis ist ein kleines Anhängsel am oberen Hodenpol, der sich verdrehen kann (Hydatidentorsion). Die Drehung führt zu einer Unterbrechung des Blutversorgung des Hodenanhängsels. Als Ursache gelten kleine Verletzungen oder starke körperliche Aktivität. Betroffen sind besonders Jungen im Alter von 7 bis 14 Jahren.
Die Symptomatik ähnelt sehr der Hodentorsion, ist aber im Allgemeinen weniger ausgeprägt und länger anhaltend. Die Kinder klagen über schlagartig einsetzende Schmerzen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer zunehmenden Rötung und Schwellung des Hodens. Die Hydatide ist als kleines blaues Knötchen unter der Hodensackhaut sichtbar („Blue Dot Sign“).
Bei Erwachsenen ist die Nebenhodenentzündung die häufigste Ursache für Hodenschmerzen. Ausgelöst wird sie durch eine Infektion mit Bakterien, aufsteigend beim Geschlechtsverkehr, bei einer Harnblasenentzündung oder Prostataentzündung oder weniger häufig durch Einschwemmung mit dem Blut. Seltener wird die Nebenhodenentzündung verursacht durch Rückfluss von Urin in den Nebenhoden durch schwere körperliche Belastung.
Auch Nierensteine und Harnleitersteine können Hodenschmerzen verursachen, wenn sie in die Genitalien ausstrahlen. Im Gegensatz zur Hodentorsion besteht hier kein Druckschmerz. Bei der Hodentorsion kann schon leichter Druck die Schmerzen verstärken.
Eine Hodenentzündung ist seltener als eine Nebenhodenentzündung. Häufig wird sie verursacht durch Viren wie das Mumpsvirus. Ein oder beide Hoden können betroffen sein.
Bei Erkrankungen des Unterleibs (wie bei einer Blinddarmentzündung) strahlen die Schmerzen vom Unterbauch bis in die Hoden aus.
Bei einem Leistenbruch kommt es zu einem Vorfall von Gewebe und Eingeweideteilen aus dem Bauchraum in den Leistenkanal, der in der Regel schmerzlos ist. Wird das vorgefallene Gewebe jedoch im Leistenkanal eingeklemmt, kommt es zu plötzlich auftretenden starken Schmerzen, die bis in die Hoden ausstrahlen können.
Eine Hydrozele ist eine Flüssigkeitsansammlung im Hodensack, die Schmerzen und Schwellungen verursachen kann. Schmerzen können auftreten, wenn die Hydrozele größer wird und auf das Hodengewebe drückt. In diesem Fall sind die Schmerzen oft von einer Schwellung des Hodens begleitet.
Als Varikozele bezeichnet man Krampfadern im Hodensack. Eine Varikozele entsteht im Venengeflecht entlang des Samenstranges. Die Varikozele macht in der Regel keine Beschwerden. Manchmal kann sie sich jedoch durch eine Schwellung, ein Spannungsgefühl oder einen dumpfen, ziehenden Schmerz im Bereich des Hodens bemerkbar machen.
Ein Hodentumor verursachen normalerweise keine Schmerzen. Es bilden sich häufig tastbare Knoten im Hodengewebe. In sehr seltenen Fällen können Hodentumore Schmerzen verursachen.
Ein Aneurysma der Aorta ist eine sehr seltene Ursache für Hodenschmerzen. Es kann durch Entzündung, Gefäßverkalkung oder Bluthochdruck. Schmerzen können in den Hoden ausstrahlen. Es handelt sich um einen lebensbedrohlichen Notfall.
Unter Kavaliersschmerzen versteht man das Phänomen, dass der Mann aus Höflichkeit die Ejakulation zurückhält. Die sexuelle Erregung und das Ausbleiben des Samenergusses können zu Unterleibs- und Hodenschmerzen führen. In einigen Fällen können die Schmerzen auch nach der Ejakulation auftreten.
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Chronischer Hodenschmerz ist definiert als Hodenschmerz, der über 3 Monate anhält oder zeitweise auftritt und den Patienten erheblich beeinträchtigt. Sie verursachen etwa 2,5 bis 5 % aller urologischen Arztbesuche. Wenn für die Hodenschmerzen keine Ursache gefunden werden kann, spricht man von idiopathischen Hodenschmerzen.
Die Symptome neben den Hodenschmerzen sind abhängig von der Erkrankung, die dafür verantwortlich ist.
Bei anhaltenden oder sehr starken Hodenschmerzen wird der Arzt (in der Regel ein Urologe) mit Hilfe der Krankengeschichte (Art der Beschwerden, Begleiterkrankungen, Alter des Patienten) bereits eine Verdachtsdiagnose für die Ursache der Hodenschmerzen stellen. Es folgt eine klinische Untersuchung beider Hoden, der Hodensäcke, des unteren Bauchraums und der Leistengegend. Zunächst wird der Untersucher auf äußerlich sichtbare Veränderungen achten und dann die betroffenen Bereiche abtasten.
Je nach Verdachtsdiagnose folgen gegebenenfalls weitere Untersuchungen:
Hodenschmerzen können durch Erkrankungen der Hoden ausgelöst werden. Aber auch andere Erkrankungen des Unterleibs können als Schmerzen im Hoden wahrgenommen werden. Wichtige Differenzialdiagnosen für Hodenschmerzen sind:
Bei anhaltenden Hodenschmerzen ohne weitere Symptome sollte grundsätzlich zeitnah ein Arzt aufgesucht werden. Bei plötzlich auftretenden, sehr starken Hodenschmerzen und/oder Symptomen wie Schwellungen, Schwarzfärbung der Haut, Erbrechen oder gestörtem Allgemeinbefinden handelt es sich um einen Notfall, der umgehend behandelt werden muss. Zu spät oder unbehandelt besteht die Gefahr, dass der Hoden seine Funktion verliert oder sogar absterben kann. Eine Entzündung kann sich weiter ausbreiten und gefährliche Folgen für den Körper haben.
Plötzlich auftretende Schmerzen im Bereich der Hoden, starke Empfindlichkeit sowie Hodenhochstand und -verdrehung deuten auf eine Hodentorsion hin, der sofort ärztlich behandelt werden muss.
Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Bei einer Hodendrehung oder einem eingeklemmten Leistenbruch muss umgehend operiert werden. Sonst besteht die Gefahr, dass der Hoden verloren geht.
Ein operativer Eingriff bei einer Hodentorsion oder einer Drehung des Hodenanhängsels mit unterbrochener Blutversorgung ist innerhalb der ersten sechs Stunden entscheidend, sonst kommt es zu Folgeschäden. Der verdrehte Hoden wird in einem operativen Eingriff wieder in die richtige Position gedreht und in dieser fixiert, um eine erneute Drehung zu vermeiden.
Eine Nebenhodenentzündung wird mit Antibiotika, Bettruhe, Hochlagerung und Kühlung des Hodens behandelt.
Bei einer Hodenprellung können je nach Schwere der Symptome Schmerzmittel, Ruhe und Kühlung helfen.
Kommt es bei einem Leistenbruch zu eingeklemmtem Gewebe oder Organen, werden diese umgehend operativ zurückverlagert. Die sogenannte Bruchpforte wird verschlossen.
Bei Hodentumoren erfolgt in der Regel eine operative Entfernung des Hodens, teilweise mit anschließender Chemotherapie, wenn sich Tochtergeschwülste (Metastasen) gebildet haben.
Die Prognose ist abhängig von der zugrundeliegenden Ursache und dem rechtzeitigen Behandlungsbeginn. Wenn Hodendrehungen, schwere Entzündungen oder ein schwerer Leistenbruch zu spät behandelt werden, kann es zum Verlust des Hodens kommen.
Bei rechtzeitigem Eingreifen, Hodenprellungen, Hoden- oder Nebenhodenentzündungen ist die Prognose im Sinne eines vollständigen Ausheilens ohne Funktionseinschränkung gut.
AWMF online: Leitlinie Akutes Skrotum im Kindes- und Jugendalter https://register.awmf.org/assets/guidelines/006-023l_S2k_Akutes_Skrotum_Kinder_Jugendliche_2015-08-abgelaufen.pdf (Letzter Abruf: 15.03.23)
Leslie SW, Sajjad H, Siref LE. Chronic Testicular Pain And Orchalgia. [Updated 2022 Nov 28]. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing; 2022 Jan-. Available from: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK482481/ (Letzter Abruf: 15.03.23)
aktualisiert am 15.03.2023