Bevor eine Operation bei Harninkontinenz durchgeführt wird, sollte immer erst einmal hinterfragt werden, ob die Inkontinenz nicht auch mit klassischen, nichtoperativen Methoden therapiert werden kann. Von diesen gibt es eine ganze Reihe. Nicht jede Maßnahme ist für alle Patienten und für jede Form der Inkontinenz geeignet. Welche Behandlungsmethode im Einzelfall die beste ist, kann nur durch eine ausführliche Untersuchung und Anamnese (Gespräch zwischen Arzt und Patient) herausgefunden werden. In manchen Fällen ist auch eine Kombination aus mehreren verschiedenen Methoden ratsam.
In den allermeisten Fällen sind Frauen von einer Belastungsinkontinenz betroffen, bei Männern tritt diese Erkrankung eher selten auf.
Beim Verhaltenstraining lernen die Patienten Strategien, die dabei helfen, die Inkontinenz im Alltag besser im Griff zu haben. Dazu gehören nicht nur regelmäßige Toilettengänge, sondern auch Übungen, die helfen, den Urin in kritischen Situationen doch noch zurück zu halten.
Selbsthilfegruppen können außerdem zu einem Abbau der Scham führen: Patienten mit Inkontinenz schämen sich oft für ihre Erkrankung und fühlen sich sozial ausgegrenzt oder grenzen sich selber aus. Hier können andere Betroffene kennengelernt werden und man ist nicht mehr allein mit seiner Erkrankung.
Wie jeden Muskel kann auch die Beckenbodenmuskulatur durch Training gestärkt werden. Bei gezielten Übungen wird die Beckenbodenmuskulatur angespannt und wieder entspannt. Bei regelmäßiger Durchführung der Übungen tritt ein Trainingseffekt ein und die Muskulatur wird gestärkt. Eine stärkere Beckenbodenmuskulatur unterstützt die Schließfunktion von Blase und Harnröhre und kann so vorbeugend oder in leichteren Fällen auch heilend bei Inkontinenz wirken. Regelmäßiges Beckenbodentraining ist daher allen Frauen anzuraten, sei es, um eine Inkontinenz zu behandeln oder dieser vorzubeugen.
Bei dieser speziellen Form des Beckenbodentrainings erhält der Patient über einen Computer Feedback, wie stark sie welche Muskeln anspannt. So können Erfolg und korrekte Ausführung der Übungen direkt kontrolliert werden. Dieses sogenannte Neurofeedback verbessert das Gefühl für den eigenen Körper deutlich und macht so auch das klassische Beckenbodentraining effektiver.
Bei der Elektrostimulation werden leichte elektrische Impulse direkt an die Beckenbodenmuskulatur gesendet. Diese zieht sich daraufhin unwillkürlich zusammen. Dadurch wird die Muskulatur trainiert, es handelt sich also quasi um ein Beckenbodentraining, bei dem die Muskeln nicht bewusst angespannt werden, sondern elektrisch dazu veranlasst werden.
Verschiedene Medikamente können helfen, die Inkontinenz zu lindern oder ganz zu beseitigen. SNRI (Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) wie zum Beispiel Duloxetin (Cymbalta®) wurden ursprünglich als Antidepressiva eingesetzt. Da sie aber auch im Bereich des Harnsystems zu einem erhöhten Spiegel der Übertragungs-Substanzen (Neurotransmitter) führen, wodurch der Schließmuskel sich besser zusammenziehen und mehr Druck standhalten kann, werden sie mittlerweile auch sehr erfolgreich bei der Therapie von leichter bis mäßiger Inkontinenz eingesetzt.
Bei Frauen nach den Wechseljahren wird sehr erfolgreich Östrogen eingesetzt. Dieses Hormon liegt nach der Menopause (letzten Regelblutung) nur noch in sehr geringer Konzentration vor. Eine lokale Gabe von Östrogenen fördert die Durchblutung und die Muskeln um die Harnröhre können sich wieder stärker zusammenziehen. Sie reagieren besser, was zu einer deutlichen Verbesserung der Kontinenz führt.
Auch nach Einsatz eines TVT-Bandes werden häufig eine Zeit lang östrogenhaltige Salben angewendet, um das Ergebnis zu verbessern und die Heilung optimal zu unterstützen.
Verschiedene pflanzliche Medikamente können ebenso erfolgreich eingesetzt werden. Ob eine medikamentöse Therapie sinnvoll ist und mit welchem Medikament diese erfolgen sollte, sollte individuell je nach Ursache und Ausmaß der Inkontinenz gemeinsam mit dem behandelnden Arzt entschieden werden.
aktualisiert am 20.05.2016