Bei Harninkontinenz besteht ein ungewollter Abgang von Urin. Bei Frauen ist die häufigste Form einer solchen Blasenschwäche die Belastungsinkontinenz oder Stressinkontinenz. Sie entsteht meist durch Beckenbodenschwäche mit Absenkung der Beckenorgane. Eine Operation kann notwendig werden, um die Inkontinenz zu unterbinden. Dabei ist eine mögliche Methode bei der Frau die Kolposuspension. Das ist eine Operation, bei der die Scheide im Becken angehoben und fixiert wird.
In den meisten Fällen ist die Stressinkontinenz bedingt durch eine Gewebeerschlaffung im Becken und nachfolgende Senkung von Organen, unter anderem der Gebärmutter (Uterus). Durch das Absacken der Organe wird der Schließmuskel der Harnröhre undicht.
Die Gewebeschwäche besteht oftmals nach häufigen oder schweren Geburten. Es kann auch eine allgemeine Bindegewebsschwäche vorliegen. Erhöhtes Körpergewicht spielt ebenfalls eine Rolle. Ein weiterer Grund für die Absenkung der Organe kann starke körperliche Tätigkeit wie das häufige Hochheben schwerer Gegenstände sein.
Weitere Formen der Harninkontinenz sind unter anderem die Urge-Inkontinenz oder Dranginkontinenz, bei der sich der Harnblasenmuskel unwillkürlich zusammenzieht oder eine fehlende Aufweitung der Harnblasenwand den Urinabgang bedingt, sowie die Überlauf-Inkontinenz, bei der eigentlich ein Harnstau vorliegt. Die Dranginkontinenz wird in aller Regel nicht operativ behandelt, und bei der Überlauf-Inkontinenz besteht die einzige operative Möglichkeit meist nur in der Entfernung eines Abflusshindernisses.
Bei der Stress- oder Belastungsinkontinenz kommt es zum Urinabgang bei Druckerhöhung im Gewebe, wie dies beim Husten, Niesen, Lachen, schwerem Heben oder auch beim Treppensteigen oder weiteren Bewegungen der Fall ist. Die Menge des ungewollt abgehenden Harns ist in vielen Fällen nicht besonders groß. Im fortgeschrittenen Stadium kann schließlich auch dann ein Ausfluss von Urin bestehen, wenn keine Belastung von außen auf die Blase einwirkt.
Zunächst erfolgt die Befragung der Patientin (Anamnese). Es wird eine gynäkologische Untersuchung (Betrachtung sowie Untersuchung mit den Fingern) vorgenommen, bei der die Patientin auch pressen soll, damit der Arzt eine mögliche Lageveränderung der Organe bestimmen kann. Eine Ultraschalluntersuchung wird vorgenommen. Durch eine Druckmessung innerhalb der Harnblase kann festgestellt werden, ob tatsächlich eine Belastungsinkontinenz vorliegt. Eine Röntgen-Kontrastmittelaufnahme der Harnwege kann weitere Erkenntnisse bringen.
Die Belastungsinkontinenz muss von weiteren Formen der Blasenschwäche unterschieden werden. Der Arzt muss feststellen, ob eine Operation erfolgversprechend ist.
Eine Belastungsinkontinenz lässt sich oft schon mit einer einfachen Therapie behandeln. In schweren Fällen kann eine Operation angebracht sein. Diese wird häufig als so genannte Kolposuspension durchgeführt.
Spezielle Beckenbodengymnastik kann bei geringgradigen Befunden vorgenommen werden, um die Blasenschwäche zu bekämpfen. Die Gabe von Östrogenen (weiblichen Geschlechtshormonen) kann ebenfalls eine Harninkontinenz vermindern. Eine so genannte Reizstromtherapie ist eine weitere Möglichkeit der Behandlung. Die konservativen Therapieformen können parallel zu einem operativen Eingriff vorgenommen werden.
Bei Erfolglosigkeit der konservativen Maßnahmen oder bei schwerer Stressharninkontinenz muss meist eine Operation erfolgen, um ein gutes Ergebnis der Behandlung zu gewährleisten.
Die Inkontinenz-Operation erfolgt in Vollnarkose oder Regionalanästhesie (Betäubung eines größeren Körperbereiches), manchmal auch in örtlicher Betäubung.
Es kann eine so genannte Kolposuspension durchgeführt werden, bei der Scheide und Blasenhals (unteres Ende der Harnblase) angehoben und fixiert werden. Die Operation kann durch einen offenen Bauchschnitt (Laparotomie) oder durch eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) erfolgen. Bei einer Bauchspiegelung wird über einen kleinen Einschnitt am Bauchnabel ein optisches Gerät (Laparoskop) mit einer kleinen Videokamera eingeschoben. Um das Bauchgewölbe aufzuspannen und die Sicht zu verbessern, wird CO2-Gas eingeblasen. Benötigte Instrumente werden über weitere Einschnitte in den Bauchraum eingeführt. Auf einem Monitor sieht der Operateur in Echtzeit das Operationsgebiet. Eine ähnliche Spiegelung kann auch über den Zugangsweg zwischen Blase und Schambein vorgenommen werden. Die vordere Wand der Scheide wird zusammen mit dem Übergangsbereich von Harnblase und Harnröhre nach oben gezogen. Mit Fäden wird das den Harnblasenhals und Harnröhre umgebende Gewebe mit Bändern im Bereich über dem Schambein vernäht (Kolposuspension nach Burch). Manchmal werden Blase und Harnröhre auch an den Muskeln in diesem Bereich verankert (Kolposuspension nach Hirsch).
Eine weitere Methode besteht in der lockeren Einlage eines Bandes aus Kunststoffmaterial, durch das eine Straffung des Gewebes ermöglicht wird (TVT, tension-free vaginal tape). Dazu wird das Band unterhalb der Harnröhre eingearbeitet.
Eine Absackung der Organe im Beckenbereich erfordert oftmals weitere operative Maßnahmen. Zusätzlich zur Kolposuspension kann auch die Gebärmutter entfernt werden (Hysterektomie).
Bei unerwarteten Befunden und Komplikationen muss die Operation eventuell erweitert oder die Operationsmethode abgeändert werden.
Benachbarte Organe oder anatomische Strukturen können bei der Operation verletzt werden. Dadurch kann es unter anderem zu Blutungen und Nachblutungen kommen. Nervenbeschädigungen können zu Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühl oder auch zu meist nicht dauerhaften Funktionseinbußen der Harnblase führen. Verwachsungen im Bauchraum können entstehen. Selten kommt es zu schwerwiegenden Komplikationen wie einer lebensbedrohlichen Bauchfellentzündung oder einem Darmverschluss. Es können sich entzündliche Verbindungskanäle (Fisteln) z. B. zwischen Harnröhre oder Harnblase, Scheide und Mastdarm entwickeln. Des Weiteren kann es zu überschießender Narbenbildung mit Funktionseinbußen und Schmerzen z. B in der Scheide sowie zu Allergien kommen.
Hinweis: Dieser Abschnitt kann nur einen kurzen Abriss über die gängigsten Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Gespräch mit dem Arzt kann hierdurch nicht ersetzt werden.
Im Regelfall können die Probleme der Stressinkontinenz durch die Operation behoben oder zumindest vermindert werden. Insbesondere bei zusätzlichem Vorliegen einer Dranginkontinenz kann es aber möglich sein, dass der Harnabgang zwar gemindert, aber nicht komplett abgestellt wird. Ein Behandlungserfolg kann nicht garantiert werden, so dass es manchmal zu keiner Verbesserung oder auch zu einer weiteren Verschlimmerung der Blasenschwäche kommt.
Gegebenenfalls müssen Medikamente, die die Blutgerinnung herabsetzen, beispielsweise Marcumar® oder Aspirin®, weggelassen werden. Dies wird mit dem behandelnden Arzt besprochen.
Schwangerschaften können dazu führen, dass der Operationserfolg wieder zunichte gemacht wird. Daher sollte überlegt werden, ob nach der Stressinkontinenz-OP noch eine Geburt stattfinden soll. Eventuell kann dann auch eine Kaiserschnitt-OP den Operationserfolg erhalten.
In den Monaten nach der Operation sollte keine zu starke körperliche Tätigkeit ausgeübt werden, insbesondere sollten keine schweren Lasten hochgehoben oder getragen werden. Der Stuhl sollte (durch bewusste Ernährung) möglichst relativ weich gehalten werden, damit keine zu starke Bauchpresse erforderlich ist. Ebenso sollte ein eventuell erhöhtes Körpergewicht reduziert werden. Geschlechtsverkehr kann für einen Zeitraum von 14 Tagen nicht ausgeübt werden. Tampons sollten nicht benutzt werden, besser sind Vorlagen.
Ärztliche Kontrollen sollten regelmäßig wahrgenommen werden.
Ergeben sich Auffälligkeiten, die Zeichen von Komplikationen sein können, so sollte möglichst rasch der Arzt kontaktiert werden.
aktualisiert am 21.09.2020