Bei nahezu jeder Grauer-Star-Operation wird nicht nur die natürliche Linse entfernt, sondern auch eine künstliche Linse ins Auge eingesetzt. Diese kann aus verschiedenen Kunststoffen bestehen und wird in der Fachsprache als Intraokularlinse (IOL) bezeichnet. Das Einpflanzen der Kunstlinse ist notwendig, um die hohe Brechkraft der natürlichen Augenlinse zu ersetzen. Ohne die Kunstlinse wäre das am Grauen Star operierte Auge sehr stark weitsichtig. Patienten müssten eine Brille mit besonders dicken, schweren Gläsern tragen, um scharf sehen zu können.
Vielfach eingesetzt werden heutzutage faltbare Linsen. Sie benötigen nur einen kleinen Schnitt am Auge, um eingeführt zu werden (unter zwei Millimeter bis drei Millimeter Schnittlänge reichen für den Zugang). An ihrem Bestimmungsort an der Stelle der vorher vorhandenen natürlichen Linse werden sie ausgebreitet. Die gefalteten Linsen werden aus den Materialien Acryl, Silikon oder Hydrogel angefertigt. In einigen Fällen wird eine harte Kunstlinse eingepflanzt. Deren Grundstoff ist PMMA (Polymethylmethacrylat).
Die meisten Linsen haben Bügel oder andere Strukturen am Rand, die einen festen Halt innerhalb des Auges ermöglichen.
Kunstlinsen haben unterschiedliche grundsätzliche optische Eigenschaften.
Die am häufigsten eingesetzte Linsenform ist eine monofokale Linse. Sie bricht das Licht so, dass die Strahlen an einem Punkt (Fokus) zusammenkommen. Abhängig davon, wie die Brechkraft der monofokalen Kunstlinse vorher festgelegt wurde, kann das Auge entweder in der Ferne oder in der Nähe scharf sehen. Dies können Patienten im Vorfeld entscheiden und angeben, ob ihnen eine Brille für den Nahbereich oder den Fernbereich lieber ist.
Die multifokale Kunstlinse ist so angefertigt, dass sie optisch nicht nur einen, sondern mehrere Brennpunkte aufweist. Das ermöglicht vielen der damit versorgten Patienten, in verschiedenen Entfernungsbereichen scharf sehen zu können. Oft können die Patienten mit einer Multifokallinse auf eine Brille verzichten. Dafür müssen Menschen mit diesen Linsen eine erhöhte Blendungsempfindlichkeit und schwächeres Kontrastsehen in Kauf nehmen.
Eine torische Kunstlinse ist in einer Ebene stärker gewölbt als in der senkrecht dazu liegenden Ebene. Das bedeutet, die Lichtstrahlen werden in einer Ebene mehr abgelenkt als in der anderen. Das gleicht eine Verkrümmung (Astigmatismus, Stabsichtigkeit) der Hornhaut aus.
Eine akkommodierende Kunstlinse ahmt die Fähigkeit der natürlichen Linse nach, die Brechkraft zwischen dem Sehen in der Ferne und der Nähe zu verändern (Akkommodation). Eine solche Anpassung an die Entfernung durch entsprechende Kunstlinsen ist möglich, aber die tatsächliche Wirkung ist bislang meist zu schwach und bleibt nicht langfristig bestehen. Die Forschung befasst sich damit, akkomodierende Linsen weiterzuentwickeln und deren Effekte zu verbessern.
Sphärische Linsen haben Oberflächen, die einem Teil einer Kugel entsprechen oder flach sind. Asphärische Linsen weichen von dieser Form ab. Asphärische Linsen haben eine bessere Abbildungsqualität als sphärische. Eine genauere Korrektur von optischen Abweichungen des restlichen Auges, die über die normale Rundung hinausgehen, ist mit asphärischen Linsen möglich. Das ermöglicht beispielsweise in der Dunkelheit eine bessere Sicht mit mehr Kontrast und weniger Blendung oder verschwommenen Lichtern.
Gelbe Kunstlinsen (genauer: Blaufilter-Intraokularlinsen) lassen weniger kurzwelliges (blaues) Licht hindurch. Die Blaufilterlinsen können die Netzhaut schonen, denn es wird vermutet, dass das kurzwellige Licht Schäden im Bereich des schärfsten Sehens verursacht (Makuladegeneration). Des Weiteren haben die Blaufilterlinsen bessere Eigenschaften hinsichtlich der Kontrastwahrnehmung.
In das Auge kann eine Vorderkammerlinse oder eine Hinterkammerlinse eingesetzt werden. Vorderkammer und Hinterkammer sind zwei durch die Regenbogenhaut (Iris) getrennte und durch die Pupillenöffnung verbundene Bereiche im vorderen Anteil des Auges, in dem sich das Kammerwasser befindet. Hinter den Augenkammern beziehungsweise hinter der Augenlinse liegt der Glaskörperraum.
Im größten Teil der Fälle werden die Intraokularlinsen an die Stelle gesetzt, an der sich vorher die natürliche Linse befand – die Hinterkammer des Auges. Bei einer Grauer-Star-Operation (Katarakt-OP) wird die natürliche Linse aus dem Auge entfernt und in der Regel der Kapselsack der Linse belassen. In diesen Kapselsack kann die künstliche Linse eingepflanzt werden (Hinterkammerlinse). Wenn der Kapselsack entfernt ist, gibt es außerdem die Möglichkeit, eine Hinterkammerlinse an die Iris oder die Lederhaut zu nähen.
Selten wird eine Intraokularlinse nicht an die Stelle der alten Linse gesetzt, die zur Hinterkammer des Auges gehört. Das ist nach einer Entfernung der natürlichen Linse mitsamt ihrer Kapsel der Fall (ICCE, intrakapsuläre Katarakt-Extraktion). Die Kunstlinse wird dann in die Vorderkammer, den Bereich vor der Regenbogenhaut (Iris), eingebracht. Diese Vorderkammerlinse muss speziell im Kammerwinkel (dem Randbereich der Vorderkammer) befestigt werden. Im Gegensatz zu Hinterkammerlinsen sind Vorderkammerlinsen nie gefaltete, sondern immer formstarre Linsen.
Eine Reihe von Voruntersuchungen ist nötig, damit die passende Kunstlinse gewählt und die Brechkraft berechnet werden kann. Vor allem wird die Sehschärfe mit und ohne Korrektur getestet und das Auge exakt abgemessen (Biometrie). Aus diesen Ergebnissen kann abgeleitet werden, welche Werte die künstliche Linse haben soll. Ferner muss der Operateur die Wünsche und Lebensgewohnheiten des Patienten mit einbeziehen, um eine möglichst zufriedenstellende Linsenauswahl treffen zu können.
Kunstlinsen im Auge sitzen normalerweise fest, in manchen Fällen können sie dennoch ihren Halt verlieren und verrutschen. Dann kann eine Folgeoperation erforderlich sein. Gerade bei Verletzungen des Auges ist es möglich, dass sich die Linsen lockern. Dadurch können weitere Schäden im Auge entstehen.
Nicht immer ist die Kunstlinse in ihren optischen Eigenschaften genau passend. Ist die Linse nicht gut berechnet oder weicht nach der Implantation von der gewollten Lage ab, dann sieht der Patient mit dem Auge unscharf. Dies kann auch durch spätere Veränderungen noch eintreten.
Ein Scheuern (Chafing) der Linse an der Iris kann zu weiteren Komplikationen wie Pigmentablösung mit einem gesteigerten Augeninnendruck führen.
Weitere Probleme, die auftreten können, sind
In einzelnen Fällen kann eine Eintrübung des Linsenmaterials auftreten. Die nur in seltenen Fällen eingepflanzte Vorderkammerlinse kann zudem zu Hornhauttrübungen oder zu einem zu hohen Augendruck (Glaukom, Grüner Star) führen.
Darüber hinaus können sich durch die Operation mit Eröffnung des Auges Komplikationen wie Infektionen oder Blutungen ergeben. Häufig, aber durch einen unkomplizierten Lasereingriff zu beheben ist die Entwicklung eines sogenannten Nachstars (getrübte Linsenkapsel).
Augenarztpraxis Prof. Dr. Marcus Kernt & Kollegen – Grauer Star - Linsentypen: https://www.grauer-star-muenchen.de/grauer-star-linsentypen/ (online, letzter Abruf: 02.10.2020)
aumedo – Intraokularlinsen (IOL): Gut Sehen trotz Grauen Stars: https://www.aumedo.de/intraokularlinsen-iol/ (online, letzter Abruf: 02.10.2020)
Deutsches Ärzteblatt, Thomas Kohnen; Martin Baumeister; Daniel Kook; Oliver K. Klaproth; Christian Ohrloff – Kataraktchirurgie mit Implantation einer Kunstlinse: https://www.aerzteblatt.de/archiv/66446/Kataraktchirurgie-mit-Implantation-einer-Kunstlinse (online, letzter Abruf: 02.10.2020)
aktualisiert am 02.10.2020