Die bipolare Störung, auch als manisch-depressive Erkrankung, bipolare Psychose oder affektive Psychose bezeichnet, ist eine psychische Störung, welches durch einen Wechsel von depressiven und manischen Krankheitsphasen gekennzeichnet ist. Bei den Betroffenen zeigt sie sich durch episodische, willentlich nicht kontrollierbare und extreme Auslenkungen des Antriebs, der Aktivität und der Stimmung. Zwischen den Krankheitsphasen wird oft eine Vollremission erreicht.
Die bipolare Störung ist durch folgende Episoden gekennzeichnet:
Generell unterscheidet man zwischen eine Bipolar-I-Erkrankung und einer Bipolar-II-Erkrankung. Als Bipolar I bezeichnet man eine 7 bis 14 Tage anhaltende depressive Episode, gefolgt von mindestens einer depressiven Episode. Bipolar II beinhaltet hingegen eine mindestens 14 Tage andauernde depressive Episode, gefolgt von mindestens einer Hypomanie.
Treten innerhalb eines Jahres mindestens vier Krankheitsepisoden auf, so spricht man von einem „rapid-cycling"-Verlauf, der eine besonders ungünstige Prognose hat. Die bipolare Störung ist eine ernsthafte Erkrankung des Gehirns, die wegen des erhöhten Suizidrisikos gefährlich werden kann.
Die Erkrankung beginnt meist im frühen Erwachsenenalter, wird aber meist erst viele Jahre nach Ausbruch erkannt. Schätzungen zufolge leiden in den Industrieländern bis zu drei bis vier Prozent der Bevölkerung zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens unter bipolaren Störungen. Das Erkrankungsrisiko ist bei Männern und Frauen gleich hoch. 75 Prozent der Patienten erleiden ihre erste Episode bis zum 25. Lebensjahr.
Etwa 10 bis 15 Prozent der Betroffenen durchleben mehr als 10 Episoden in ihrem Leben. Des Weiteren liegt bei 39 Prozent der Patienten eine weitere psychiatrische Diagnose vor.
Bipolare Störungen können durch eine Vielzahl von Faktoren mitbedingt und ausgelöst werden. Man spricht demnach von einer multifaktoriellen Ätiopathogenese. Hierzu gehören genetische, biologische und psychosoziale Faktoren. Bipolare Störungen scheinen eine größere genetische Disposition zu haben und verlaufen weniger beeinflussbar durch äußere Faktoren. Ein Wechselspiel zwischen Genetik und Umweltfaktoren führt letztendlich zur Manifestation der Krankheit.
Die Symptome können starke Auswirkungen auf Entscheidungen und Beziehungen haben. Zum Zeitpunkt der Diagnose kann der Lebensweg des Betroffenen schon erheblich beeinflusst worden sein, zumal die Symptome meist in jungen Jahren beginnen, in denen die Persönlichkeit nicht gefestigt ist. Meist treten Probleme im Arbeits- und Familienleben auf.
Durch den gesteigerten Antrieb in hypomanen Phasen können die Betroffenen mit ungewöhnlichen und gewagten Projekten begeistern. Ziele werden oft mit großem Engagement verfolgt.
Leider wird derzeit nur ein geringer Teil aller bipolar Erkrankten korrekt diagnostiziert. Die bipolare Störung tritt nicht plötzlich auf, sondern entwickelt sich schleichend. Treten bei einem Patienten zeitversetzt sowohl mindestens eine depressive als auch mindestens eine manische Phase auf, so spricht man von einer „bipolaren Störung". Depressionen und Hypomanien werden von Ärzten oft nicht zur Kenntnis genommen und erkannt.
Um eine Diagnose treffen zu können, gibt es sowohl für manische als auch hypomanische, depressive und gemischte Episoden so genannte Kriterien-Kataloge, bei denen einige Symptome erfüllt sein müssen und auch über eine definierte Zeit anhalten müssen.
Bei schweren Depressionen und akuten Phasen der Manie muss manchmal gegen den Willen der Patienten eine Zwangsbehandlung erfolgen, da hin und wieder eine mangelnde Krankheitseinsicht besteht. Oft zeigen Betroffene jedoch Einsicht und lassen sich aufgrund ihres hohen Leidendrucks freiwillig behandeln.
Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist die korrekte Diagnose. In den meisten Fällen ist eine medikamentöse Behandlung notwendig, weil allein durch Gesprächstherapie die krankhafte Veränderung des Botenstoffhaushalts nicht ausreichend beeinflusst werden kann (nur bei leichten Fällen erfolgreich). Der Krankheitsverlauf kann durch das frühzeitige Stellen einer Diagnose stark positiv beeinflusst werden.
In den verschiedenen Episoden werden unterschiedliche Medikamente eingesetzt. Man unterscheidet ferner zwischen Prophylaxe, Akuttherapie und Erhaltungstherapie. Bei akuten oder starken Manien werden oft Neuroleptika verabreicht. Auch die Behandlung mit dem Antiepileptikum Valproinsäure könnte erfolgsversprechend sein.
Als Begleitmedikation eignen sich Benzodiazepine, sie dienen vor allem zur Sedierung und Angstlösung. Doch Vorsicht, bei unsachgemäßer Verschreibung führen sie zur Abhängigkeit. Bei akuten oder immer wiederkehrenden Depressionen eignen sich Antidepressiva.
In den meisten Fällen müssen jedoch mehrere Medikamente kombiniert werden. Zur Vorbeugung der bipolaren Störung eignen sich Stimmungsstabilisatoren wie Lithium oder Antiepileptika. Lithium gilt auch heute noch, als das wirksamste Mittel gegen langfristige Stimmungschwankungen.
Daneben gibt es auch Faktoren wie Stress, Schlafmangel, Koffein, Alkohol, Tabakrauch oder Drogen (wie Cannabis, Kokain und Amphetamin), die sich bei bipolaren Störungen ungünstig auswirken. Zudem sind auch oft Wechselwirkungen mit den verordneten Medikamenten zu erwarten, so dass ein vollständiger Verzicht auf Kaffee, Alkohol und andere Drogen von Vorteil ist.
Sinnvoll ist außerdem eine auf die Krankheit abgestimmte kognitive Verhaltenstherapie und/oder Gesprächstherapie und/oder Soziotherapie und/oder Psychoedukation.
Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser. Mit Erkennen der Frühwarnzeichen und Gegensteuern kann man ein weitgehend erfülltes Leben führen. Der Krankheitsverlauf bipolarer Störungen ist individuell sehr verschieden. Im Mittel kommt es zu acht Krankheitsphasen. Etwa 20 bis 30 Prozent der Fälle heilen nicht oder nicht vollständig aus, sondern nehmen einen chronifizierenden Verlauf.
Leider ist die Rate des Alkohol-, Medikamenten- und Drogenmissbrauchs bei bipolaren Störungen auch wesentlich höher als bei monopolaren Depressionen. Zudem besteht ein deutlich erhöhtes Suizidrisiko. Nach derzeitigem Kenntnisstand der Wissenschaft ist eine vollständige Heilung nicht möglich.
Betroffene sollten eigene Warnsysteme entwickeln, um nicht wieder in extreme Phasen zu geraten. Geeignet sind vor allem Selbststeuerungskonzepte, Stress-Management-Training, Selbstbeobachtung, Selbstregulation und Selbstmanagement.
Durch ein rechtzeitiges Gegensteuern und der richtigen Medikation zum richtigen Zeitpunkt, kann der Ausbruch einer neuen Episode verhindert werden. Ein geregeltes, stressfreies Leben mit Schlaf und Bewegung kann neue Episoden verzögern oder auch ganz verhindern.
Zusammenfassung der wichtigsten Kennzeichen der bipolaren Störung:
Letzte Aktualisierung am 11.12.2020.