Ein Zwölffingerdarmgeschwür (Ulcus duodeni) ist eine häufig diagnostizierte Erkrankung. Die Beschwerden sind für die Betroffenen unangenehm, aber die Prognose ist gut.
Der Zwölffingerdarm (Duodenum) sitzt im Oberbauch. Er beginnt am Magenausgang und ist der erste kurze Abschnitt des Dünndarms. Eine seiner Aufgaben ist es, die Magensäure im Speisebrei zu neutralisieren. Dafür produzieren die Drüsen in der Darmwand Schleim. Greift die Magensäure die Darmwand an, kommt es zu einer Entzündung.
Die Entzündung im Zwölffingerdarm entwickelt sich zum Beispiel, weil nicht genug Schleim produziert wird oder die Schleimschicht der Darmwand lückenhaft ist. Bleibt die Entzündung bestehen, breitet sie sich in die Muskelschicht aus und es kann ein Zwölffingerdarmgeschwür (Ulcus duodeni) entstehen.
Zwölffingerdarmgeschwür und Magengeschwür (Ulcus ventriculi) werden in der Literatur häufig in einem Abschnitt erklärt, da Ursachen, Symptome und Therapie in vielen Punkten übereinstimmen. Medizinisch werden beide Erkrankungen unter dem Begriff gastroduodenale Ulkuskrankheit zusammengefasst.
Auch umgangssprachlich werden Ulcus ventriculi und Ulcus duodeni meist unter dem Begriff „Magengeschwür“ subsumiert. Das Zwölffingerdarmgeschwür tritt jedoch drei- bis fünfmal öfter auf als das Magengeschwür. Es ist damit die häufigste Erkrankung, die im Zwölffingerdarm vorkommt. Ungefähr 15 von 10.000 Personen erkranken jährlich an einem Zwölffingerdarmgeschwür. Dreimal mehr Männer als Frauen sind davon betroffen und jüngere Menschen häufiger als ältere. Jeder Fünfte, der ein Magengeschwür hat, entwickelt gleichzeitig ein Zwölffingerdarmgeschwür.
Zahlreiche Umstände können ein Zwölffingerdarmgeschwür begünstigen.
Das Bakterium Helicobacter pylori lässt sich bei nahezu jedem Zwölffingerdarmgeschwür nachweisen. Andererseits lässt es sich auch im Zwölffingerdarm von kerngesunden Menschen finden. Inwieweit der Keim Auslöser ist oder die Geschwürbildung begünstigt, ist noch unklar. Fest steht allerdings, dass der Keim sich dem sauren Milieu des Magens gut widersetzen kann und dass er die Schleimhaut schädigt.
Ein Zwölffingerdarmgeschwür, das in Zusammenhang mit Helicobacter pylori steht, hat eine hohe Rückfallquote und kehrt in acht von zehn Fällen zurück (Rezidiv). Bei einem Geschwür ohne die Beteiligung von Helicobacter pylori kommt es nur in einem von zehn Fällen zu einem Rezidiv.
Bei vielen Medikamenten stehen an oberster Stelle Magenbeschwerden und Magenschäden als Nebenwirkung. Vor allem Rheumamedikamente (nicht-steroidale Antirheumatika, sogenannte Cyclooxygenasehemmer) schädigen die Magenschleimhaut. Dazu gehört die häufige oder dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln wie Acetylsalicylsäure, Diclofenac und Ibuprofen. Besonders ungünstig ist es, wenn dazu Cortisonpräparate eingenommen werden. Das Risiko für ein Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür steigt dann um das 15-fache. Das gilt auch für Medikamente, die im Rahmen einer Chemotherapie verabreicht werden.
Die Verdauung im Magen basiert auf einem komplizierten Gleichgewicht: Einerseits wird Magensaft abgesondert, andererseits werden Peptidhormone ausgeschüttet, die die Produktion von Magensaft hemmen, um die Schleimhaut zu schützen. Gerät dieses System aus dem Gleichgewicht, indem zum Beispiel permanent zu viel Magensäure abgesondert wird, kann sich die Schleimhaut nicht mehr ausreichend gegen die aggressive Säure wehren. Besonders nachts, wenn der Magen leer ist, hat die Säure dann leichten Zugriff auf die Schleimhaut.
Stress, Ängste und Depressionen begünstigen die Entwicklung eines Zwölffingerdarmgeschwürs. Nicht nur psychischer, sondern auch körperlicher Stress, zum Beispiel im Rahmen von Operationen, intensivmedizinischer Behandlung oder nach Unfällen kann ein Geschwür im Zwölffingerdarm verursachen.
Rauchen stellt eine Gefahr für die Magen- und Zwölffingerdarmschleimhaut dar, denn es steigert die nächtliche Absonderung von Magensaft. Alkohol hat zwar keine Auswirkungen auf die Produktion von Magensäure, greift aber die Zellen der Schleimhaut direkt an.
Studien zeigen, dass die Neigung zu einem Zwölffingerdarmgeschwür vererbt werden kann. Wer einen Verwandten mit einem Zwölffingerdarmgeschwür hat, bei dem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit um das Zwei- bis Dreifache, selbst einmal an einem Ulcus duodeni zu erkranken. Menschen mit der Blutgruppe 0 sind gefährdeter als Menschen anderer Blutgruppen.
In erster Linie kommt es bei einem Zwölffingerdarmgeschwür zu Magenbeschwerden aller Art: Oberbauchschmerzen, Blähungen, Aufstoßen, Völlegefühl oder Übelkeit nach dem Essen oder zwischen den Mahlzeiten, Erbrechen, Appetitlosigkeit und damit einhergehende Gewichtsabnahme. Die Symptome sind jedoch nicht sehr spezifisch, sondern können ein Hinweis auf eine Reihe von Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts sein.
Nüchternschmerz, also Magenschmerzen, die bevorzugt nachts auftreten oder dann, wenn länger nichts gegessen wurde, ist ein deutliches Anzeichen für ein Zwölffingerdarmgeschwür. Der Schmerz ist dann am stärksten zwischen dem Nabel und der Mitte der untersten rechten Rippe spürbar. Der Schmerz bessert sich, wenn eine Kleinigkeit gegessen wird.
Bei Stress sowie nach dem Genuss von Kaffee, Alkohol und Zigaretten können sich die Symptome verschlimmern.
Ein Zwölffingerdarmgeschwür kann auch ohne Beschwerden bleiben. Ein Drittel aller Patienten ahnt nichts von dem Geschwür, bis es gegebenenfalls zu Komplikationen kommt.
Der Arzt lässt sich zunächst die Beschwerden des Patienten genau schildern. Wichtig sind Fragen wie:
Anschließend wird der Arzt den Bauchraum abtasten, um herauszufinden, ob bei Druck oder Berührung Schmerzen bestehen.
Bei einer Blutuntersuchung geben die Hämoglobin- und Hämatokrit-Werte Aufschluss, ob eine Blutung in Magen oder Darm vorliegt. Anhand der Antikörperkonzentration im Blut lässt sich nachweisen, ob eine Infektion mit dem Magenbakterium Helicobacter pylori vorhanden ist. Aussagekräftiger ist der sogenannte 13C-Harnstoff-Atemtest. Der Patient nimmt gering radioaktiv versetzten Harnstoff zu sich. Sind Helicobacter-Keime vorhanden, wird beim Ausatmen C-markiertes Kohlendioxid freigesetzt.
Als erstes bildgebendes Verfahren wird meist eine Ultraschalluntersuchung des Bauchraums durchgeführt.
Eine genauere Diagnose lässt sich mithilfe einer Magenspiegelung (Endoskopie) stellen. Nach einer leichten Sedierung wird ein Schlauch, an dem eine Kamera befestigt ist, über die Speiseröhre bis in den Magen geführt. So kann der Internist (Arzt für Innere Medizin) den Zustand des Magens und des Zwölffingerdarms sehr genau begutachten. Auch eine Infektion mit dem Keim Helicobacter pylori lässt sich mit dieser Untersuchung feststellen, indem eine Probe genommen und eine Bakterienkultur angelegt wird. Besteht ein Zwölffingerdarmgeschwür, ist die Entnahme von Gewebe (Biopsie) nur selten notwendig, da sich bösartige Tumoren zwar im Magen, sehr selten aber im Zwölffingerdarm entwickeln.
Eine Endoskopie reicht in den meisten Fällen aus, um ein Zwölffingerdarmgeschwür eindeutig zu diagnostizieren. Nur in seltenen Fällen sind weiterführende Untersuchungen wie eine Computertomografie oder eine Kernspintomografie notwendig.
Eine Alternative zur Endoskopie kann eine Röntgenuntersuchung mit Kontrastmittel sein. Da diese weniger genau ist als eine endoskopische Untersuchung wird sie meist nur durchgeführt, wenn eine Endoskopie aus medizinischen Gründen nicht in Betracht kommt.
In fast 100 Prozent der Fälle ist Helicobacter pylori an dem Zwölffingerdarmgeschwür schuld. Zwei sehr seltene Krankheitsbilder können auch der Auslöser sein: Beim sogenannten Zollinger-Ellison-Syndrom produzieren Tumoren in der Bauchspeicheldrüse vermehrt das Hormon Gastrin. Dieses regt die Produktion der Magensäure an, was die Magenschleimhaut schädigt. In der Folge kann sich ein Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür bilden. Außerdem kann eine Überfunktion der Nebenschilddrüse (Hyperparathyreoidismus) ebenfalls die Produktion von Gastrin anregen und damit zu einem Geschwür im Magen oder Zwölffingerdarm führen.
Zwölffingerdarmgeschwüre, die rechtzeitig erkannt werden, sind gut medikamentös behandelbar und heilen bei entsprechender Medikamenteneinnahme vollständig aus. Zum Einsatz kommen Arzneimittel, die die Säureproduktion im Magen hemmen. Das sind hochwirksame Protonenpumpenhemmer (zum Beispiel Omeprazol oder Pantoprazol) sowie H-Rezeptorenblocker (zum Beispiel Ranitidin oder Cimetidin). Unter Einnahme der Tabletten lassen die Beschwerden schnell nach. Um aber richtig auszuheilen, müssen die Medikamente über mehrere Wochen eingenommen werden.
Helfen können auch sogenannte Antazida, die die bereits vorhandene Säure im Magen binden. Antazida gehören zu den freiverkäuflichen Medikamenten, deren Wirkung viele Menschen schätzen. Sie sollten trotzdem nicht regelmäßig eingenommen werden, da sich der Magen langfristig auf die Einnahme einstellt und dann umso mehr Säure produziert.
Wurde Helicobacter pylori nachgewiesen, wird eine Antibiotika-Behandlung (in Kombination mit den Protonenpumpenhemmern) durchgeführt. Im Rahmen dieser meist siebentägigen Eradikationstherapie kann der Keim in 90 Prozent der Fälle abgetötet werden, sodass das Geschwür ausheilen kann. Da hinter fast jedem Zwölffingerdarmgeschwür Helicobacter steckt, ist die Antibiotika-Behandlung ratsam. Wird ausschließlich mit Säureblockern behandelt, kehrt das Geschwür in neun von zehn Fällen zurück.
Operiert werden Zwölffingerdarmgeschwüre nur im Ausnahmefall, zum Beispiel dann, wenn das Geschwür nicht auf die medikamentöse Behandlung anspricht oder es zu Komplikationen kommt.
Der Patient kann mit einer magenschonenden Ernährung und einer gesunden Lebensweise selbst viel zur Besserung seiner Beschwerden und der schnellen Heilung seines Zwölffingerdarmgeschwüres beitragen: Auf Nikotin, Kaffee, Alkohol sollte nach Möglichkeit komplett verzichtet werden. Stark gewürzte, scharf angebratene oder fette Speisen sollten gemieden werden. Ist das Ulcus unter anderem durch Stress verursacht, sollte der Stress nach Möglichkeit dauerhaft reduziert werden. Außerdem helfen Entspannungstechniken, besser mit stressigen Situationen umzugehen. Für Schmerzmittel, die die Magenschleimhaut schädigen, sollte der Patient in Absprache mit dem Arzt nach möglichen Alternativen suchen.
Bleibt ein Zwölffingerdarmgeschwür unbehandelt oder unentdeckt, kann es zu Komplikationen kommen. Ein bereits länger bestehendes Zwölffingerdarmgeschwür kann im Lauf der Zeit die benachbarten Organe in Mitleidenschaft ziehen, zum Beispiel, indem sich schmerzhafte Fisteln bilden. Dabei handelt es sich um entzündliche Verbindungsgänge im Gewebe oder zwischen Organen. Ist die Bauchspeicheldrüse davon betroffen, kann eine gefährliche Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung) die Folge sein.
Ein weitere gefährliche Situation besteht, wenn ein Zwölffingerdarmgeschwür in die Bauchhöhle durchbricht (Perforation). In diesem Fall muss sofort operiert werden, da sonst eine lebensgefährliche Bauchfellentzündung (Peritonitis) entstehen kann.
Gastrointestinale Blutungen (Blutungen im Magen-Darm-Trakt), die im Rahmen einer Endoskopie nicht gestillt werden können, erfordern meist eine Operation. Sehr starke Blutungen können aufgrund des Blutverlustes des Kreislaufsystems zu einem Schock führen.
Liegt das Zwölffingerdarmgeschwür nahe am Magen, können Vernarbungen des Geschwürs zu Verdauungsproblemen führen, da die Passage des Speisebreis gestört ist. Betroffene können dann nur noch kleine Nahrungsmengen essen und leiden unter häufigem Erbrechen. Es kann sich ein Sanduhrmagen bilden, ein gedehnter Magen mit einem verengten Ausgang (Stenose).
Die meisten Zwölffingerdarmgeschwüre heilen unter der verordneten Medikamentengabe komplikationslos aus. Da Zwölffingerdarmgeschwüre nur selten entarten, ist eine endoskopische Nachuntersuchung nicht üblich.
Zwölffingerdarmgeschwüre können sich immer wieder neu bilden. Deshalb ist es für Betroffene besonders wichtig, langfristig ihren Lebensstil zu ändern. Vor allem auf Nikotin sollte konsequent verzichtet werden. Eine ausgewogene vollwertige Ernährung sowie Alkohol nur in Maßen helfen, dass der Magen gesund bleibt. Eine spezielle magenschonende Diät ist nicht notwendig. Betroffene merken selbst, welche Nahrungsmittel sie besser meiden sollten. Mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt sind bekömmlicher als wenige große. Leichte Bewegung in Form eines Verdauungsspazierganges ist besser, als sich nach dem Essen hinzulegen. Entspannungsmethoden für den richtigen Umgang mit Stress helfen, ein weiteres Zwölffingerdarmgeschwür zu vermeiden.
Müssen Medikamente eingenommen werden, die die Magenschleimhaut schädigen, kann es sinnvoll sein, zusätzlich niedrig dosierte Protonenpumpenhemmer einzunehmen, um einem Geschwür vorzubeugen.
aktualisiert am 11.12.2023