Zwangsstörungen gehören zu den psychischen Erkrankungen, bei denen ein innerer Drang besteht, bestimmte Dinge zu denken oder zu tun. Betroffene wissen oft nicht, dass es sich hierbei um eine chronische Erkrankung handelt. Im Durchschnitt dauert es 7 bis 10 Jahre, bis therapeutische Hilfe in Anspruch genommen wird.
Der Betroffene versucht sich gegen das Auftreten der Zwänge zu wehren und erlebt diese als übertrieben und sinnlos. Es kommt zu einer deutlichen Belastung und Beeinträchtigung des Alltaglebens.
Grundsätzlich spricht man von einer Zwangserkrankung, wenn:
Zwangserkrankungen sind neben Depressionen, Angststörungen und Süchten die vierthäufigste psychische Erkrankung. Bei der Zwangsstörung sieht man, wie auch bei anderen Angststörungen, dass sie häufig gemeinsam mit anderen affektiven Störungen und Angststörungen auftritt. Häufig kommt sie in Kombination mit Depression, Panikstörung, sozialer Phobie und Posttraumatischer Belastungsstörung auf.
Etwa zwei Prozent der Bevölkerung leiden an Zwangsstörungen. Da die Erkrankung in der Bevölkerung wenig bekannt ist, wird sie oft nicht richtig diagnostiziert und behandelt. Im Durchschnitt dauert es 7 bis 10 Jahre, bis die Betroffenen zielführend behandelt werden. In der Häufigkeit der betroffenen Personen scheint es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede zu geben.
Meist beginnt die Erkrankung im Jugend- oder frühen Erwachsenenalter (vor dem 30. Lebensjahr), wobei Jungen und Männer im Durchschnitt früher erkranken als Frauen. Die Zwangserkrankung verläuft in der Regel langsam zunehmend und verschlimmert sich dann stetig. Ohne wirksame Therapie verläuft sie bei zwei Drittel der Betroffenen chronisch, bei einem Drittel schubweise mit akuten Verschlechterungen unter besonderen Belastungen.
Vermutlich besteht eine Kombination von Veranlagung, Hirnstoffwechselstörungen und seelischen Ursachen für das Entstehen einer Zwangsstörung. Zwangsstörungen werden durch genetische Faktoren beeinflusst.
Erfahrungen in der Kindheit spielen eine wichtige Rolle. Muss ein Mensch in der Kindheit hohe Anforderungen an Leistung, Perfektion oder Sauberkeit erfüllen und für Fehler und Kritik sich nur Vorwürfe anhören, so kann er als Erwachsener sehr verunsichert sein. Das gesamte Leben erscheint einem gefährlich. Durch Rituale und starre Handlungsabläufe versucht der Betroffene, Ordnung und Sicherheit zu schaffen. Ist der Zwang erst einmal entstanden, so kommt man nicht einfach weg davon, da der Betroffene befürchtet, dass sonst etwas Schlimmes passieren könnte.
Die Entstehung von Zwangs-Symptomen versucht man in der Verhaltenstherapie über das lerntheoretische Modell zu erklären. Ein ursprünglich neutraler Reiz, z.B. Schmutz, wird durch Kopplung an einen angstbesetzten Stimulus zu einem stellvertretenden Auslöser von Angst oder Abneigung. Der Betroffene versucht durch Zwangs-Handlungen die Angst zu reduzieren/neutralisieren. Durch diese negative Verstärkung werden gerade die Zwangshandlungen verstärkt.
Des Weiteren gibt es auch biologische Erklärungsansätze. Verschiedene Neurotransmitter wie Serotonin oder Dopamin sollen das Auftreten von Zwangsstörungen fördern.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Zwangsvorstellungen, Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Die Haupt-Symptomatik der Zwangsstörung besteht in Zwangsgedanken und/oder Zwangshandlungen. Bei mehr als 90 Prozent der Betroffen sind beide Symptome anzutreffen.
Zwangsgedanken sind zwanghafte, sich immer wieder aufdrängende Denkinhalte, die jedoch als unsinnig anerkannt werden. Zwangsgedanken werden unterteilt in Zwangsideen bzw. Zwangsvorstellungen, Zwangsimpulse und Grübelzwang. In der Regel handelt es sich um angstvolle Gedanken und Überzeugungen, jemandem zu schaden, in eine peinliche Situation zu geraten oder ein Unheil anzurichten.
Gedankengänge können nicht befriedigend abgeschlossen werden. Sie drängen sich immer wieder auf und müssen wiederholt werden, ohne dabei zu einem realen Ergebnis zu gelangen. Ein Beispiel für zwanghafte Gedanken wäre, wenn eine Mutter befürchtet Mann und Kinder vergiften zu wollen.
Handlungen, die zwanghaft gegen oder ohne den Willen ausgeführt werden. Versucht der Betroffene die Handlungen zu unterlassen, so treten massive innere Anspannung und Angst auf. Zwangshandlungen sind Stereotypien, die ständig wiederholt werden müssen.
Den Betroffenen ist bewusst, dass ihr Verhalten übertrieben und unvernünftig ist. Sie versuchen anfangs noch Widerstand zu leisten, geben jedoch auf, wenn sie die Angst überfällt. Die Betroffenen haben keine Freude am Ausführen der Handlung selbst.
Einige bauen sogar die zwanghafte Handlung zu einem Zwangsritual aus: die Handlung wird in einer bis ins Einzelne ausgearbeiteten Art und Weise ausgeführt. Das Ritual wird dann jedes Mal in exakt derselben Weise durchgeführt. Wird die Handlung nicht abgeschlossen, so entsteht weitere Angst und das Ritual muss häufig von Anfang an wiederholt werden, z.B. Waschzwang.
Gemäß ICD-10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten), gelten folgende diagnostische Leitlinien:
Zur genaueren Diagnostik können Fremdratingskalen verwendet werden, z.B. die Yale-Brown Obsessive-Compulsive Rating Scale.
Differentialdiagnostisch sollten folgende Erkrankungen ausgeschlossen werden:
Eine Anleitung zur Selbsthilfe ist nur in wenigen Fällen erfolgreich. Sinnvoll ist eine Kombination von einem Antidepressivum und einer Psychotherapie. Der wirkungsvollste Therapieansatz von Zwangshandlungen und Zwangsgedanken ist die Verhaltenstherapie. In den meisten Fällen ist bei optimaler Therapie eine Besserung der Beschwerden zu erwarten.
Leider ist eine vollständige Heilung nur selten zu erreichen, wobei eine stabile Remission fast immer möglich ist. Der Betroffene muss lernen seine Ängste zu kontrollieren. Unter Anleitung der Therapeuten muss er sich Situationen stellen, in denen er sich zwanghaft verhält und sein zwanghaftes Verhalten unterlassen.
Dies erfordert Durchhaltevermögen. Die Therapie wird daher nicht selten, für eine befristete Zeit, durch Medikamente unterstützt. Dennoch muss eine Großzahl der zwangserkrankten Patienten mit einer lebenslangen Medikamenteneinnahme rechnen.
Bei abruptem Absetzen der Medikation und ungenügender verhaltenstherapeutischer Begleitung ist mit einer Verschlechterung der Symptomatik zu rechnen. Eine alleinige medikamentöse Therapie ist nicht zu empfehlen, da nach dem Absetzen des Antidepressivums in 80 bis 90 Prozent der Fälle mit einem Rückfall nach ungefähr 6-8 Wochen zu rechnen ist.
Hilfreiche Informationen und der Umgang mit der Zwangserkrankung:
Letzte Aktualisierung am 11.12.2020.