Das Zollinger-Ellison-Syndrom ist gekennzeichnet durch schwere Verdauungsstörungen (peptische Störungen), die durch einen Gastrin freisetzenden Tumor (Gastrinom) der Bauchspeicheldrüse oder des Dünndarms ausgelöst werden. Gastrin ist ein Hormon des Magen-Darm-Traktes, das die Produktion der Magensäure steigert. Entdecker und Namensgeber der Erkrankung sind die amerikanischen Chirurgen Edwin Homer Ellison und Robert Milton Zollinger, die dieses Syndrom 1955 zuerst beschrieben.
Bestimmte Tumore des Gastrointestinaltrakts, sogenannte Gastrinome, besitzen die Fähigkeit Hormone – in diesem Fall Gastrin - zu produzieren. Neben weiteren Funktionen ist die Hauptaufgabe von Gastrin die Produktion von Magensäure. Eine ungezügelte Gastrinproduktion, beispielsweise durch ein Gastrinom verursacht, führt wiederum zu einer gesteigerten Magensäureausschüttung und schließlich zur Übersäuerung des Magens. Damit lassen sich die Symptome des Zollinger-Ellison-Syndroms, wie Durchfälle oder Geschwüre erklären.
Die Lokalisation der Gastrinome ist unterschiedlich, meistens entstehen sie in der Bauchspeicheldrüse, seltener im Zwölffingerdarm oder Magen. Sie können bösartig (maligne - in 60 bis 70 Prozent der Fälle) oder gutartig (benigne) sein. Bei Diagnosestellung haben viele bereits Tochterabsiedlungen (Metastasen), vor allem in Leber oder Lymphknoten gebildet. Gastrinome treten meist sporadisch (zu etwa 25 Prozent) oder im Rahmen des sogenannten multiplen endokrinen Neuropathie-Syndroms (MEN) auf. Hierbei handelt es sich um eine erbliche Tumorerkrankung. Durch eine Genmutation, in diesem Fall des MEN-1 Gens entstehen Wucherungen der Hormon freisetzenden Zellen der Bauchspeicheldrüse, mit oben beschriebenen Folgen.
Die häufigsten Beschwerden des Zollinger-Ellison-Syndroms sind Bauchschmerzen (abdominale Schmerzen), Durchfall und Fettstuhl (Steatorrhoe). Ursache des Fettstuhls ist die Inaktivierung der fettspaltenden Enzyme (Lipasen) durch den erhöhten Säuregehalt im Magensaft. Wiederkehrendes Sodbrennen sowie therapieresistente Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwüre sind die Folge. Als Komplikation der Erkrankung tritt eine obere Magenblutung (obere Gastrointestinale Blutung) häufig auf, die zu Bluterbrechen führen kann (Hämatemesis).
Die Verdachtsdiagnose Gastrinom oder Zollinger-Ellison-Syndrom kann aufgrund der klinischen Symptomatik gestellt werden. Zur Diagnosesicherung wird die Gastrin-Konzentration im Blutserum gemessen. Bei gesunden Menschen wird Gastrin durch Zellen in der Magenschleimhaut in das Blut freigesetzt. Dies geschieht durch Anregung bestimmter Rezeptoren beispielsweise durch Dehnungsreize ankommender Nahrung. Die Freisetzung von Gastrin führt zur Senkung des pH Wertes im Magen, stark saurer Mageninhalt wiederum stoppt die Freisetzung von Gastrin. Eine ungehemmte Gastrinfreisetzung durch Tumoren führt somit zu einem erhöhtem Gastrin-Wert im Blut. Dieser liegt bei Gesunden, nüchtern gemessen < 90 ng/l. Werte über 1000 ng/l gelten als Beweis für ein Gastrinom. Ergebnisse zwischen 90 bis 1000 ng/l werden im sogenannten Sekretin-Stimulationstest bestätigt. Sekretin, ebenfalls ein Hormon, bewirkt beim Gesunden eine Hemmung der Gastrin-Freisetzung und führt bei Patienten mit Zollinger-Ellison-Syndrom zu einer überschießenden Gastrin-Freisetzung. Wird Patienten mit fraglichen Ergebnissen der Gastrin-Messung im Blutserum Sekretin verabreicht, kommt es bereits nach wenige Minuten zu paradox erhöhten Gastrinwerten um das 3 bis 5 fache.
Bildgebende Verfahren dienen zur Lokalisierung der Gastrinome. Zur Anwendung kommen Szintigraphie, Computertomographie oder Ultraschall. Die Durchführung einer Darmspiegelung kann zum Nachweis von Geschwüren im Dünndarm erforderlich sein.
Differentialdiagnostisch sind andere Ursachen für eine vermehrte Säureproduktion mit erhöhten Serum Gastrin Werten abzuklären. Hierzu zählen Infektionen mit Helicobacter pylori, Magenausgangverengungen, Nierenversagen, Reflux, andere Geschwüre im Gastrointestinaltrakt sowie physiologische Ursachen erhöhter Gastrinwerte. Zur Unterscheidung kann beispielsweise der bereits beschriebene Sekretin-Stimulationstest angewendet werden.
Wichtig ist zunächst die vermehrte Magensäureproduktion zu kontrollieren. Zum Einsatz kommen auf Grund ihrer langen Wirkdauer und hohen Potenz bevorzugt orale Protonenpumpeninhibitoren ( H+-K+ ATPase Inhibitoren). Diese können intravenös verabreicht werden, wenn eine orale Therapie nicht möglich ist. Bei Unverträglichkeit können Alternativ Histamin-H2-Rezepto- Antagonisten verabreicht werden, allerdings sind hier deutlich häufigere und höhere Dosen nötig.
Der ursächliche Tumor sollte chirurgisch entfernt werden, was nur möglich ist, wenn noch keine Metastasierung stattgefunden hat. Bei Inoperabilität gibt es verschiedene Behandlungsansätze, wie Chemo-, nuklearmedizinische oder Biotherapie. Patienten mit MEN- 1 wird außerdem einen genetische Beratung empfohlen.
Liegen keine Lebermetastasen vor, ist die Prognose nach operativer Entfernung des Tumors günstig (90 bis 100 Prozent Überlebensrate für 10 Jahre). Patienten mit Lebermetastasen haben eine 10 Jahre Überlebensrate von 20 bis 40 Prozent.
Die Überlebensrate für MEN- 1 Patienten liegt bei 80 bis 98 Prozent, da eine Operation durch das multiple Vorkommen meist nicht in Frage kommt.
Das Netzwerk neuroendokriner Tumoren (NeT) ist ein Zusammenschluss von Ärzten, Patienten und deren Angehörigen und bietet Betroffenen Hilfestellung, Erfahrungsaustausch und Hilfe zur Selbsthilfe. Weitere Informationen unter:
https://www.netzwerk-net.de/
Letzte Aktualisierung am 02.05.2023.