Eine rasche und ohne Komplikationen verlaufende Wundheilung ist eine wesentliche Voraussetzung für den vorgesehenen Verschluss der Lücke nach dem Entfernen eines Zahnes. Bei der Wundheilung handelt es sich um einen komplexen Vorgang, welcher in verschiedenen Phasen abläuft. In der anfangs blutenden Wunde bildet sich ein Blutpfropf (Koagel), welcher entscheidend für den einwandfreien Heilungsprozess verantwortlich ist. Der Verlust dieses Koagels kann zu einer Kontamination der Wunde mit Bakterien führen und die Wundheilung stören.
Beim Ziehen eines Zahnes (Zahnextraktion) wird dieser mit einer Zange vorsichtig aus der Zahntasche befreit und herausgezogen. Die Verbindung zwischen dem Kieferknochen und dem Zahn (Sharpey-Fasern) wird dabei getrennt. Ebenso kommt es zu einer Verletzung der feinen Blutgefäße und Nerven in der Zahnwurzel. Bereits wenige Minuten nach der Zahnextraktion beginnt der Körper in der sogenannten Entzündungsphase die Wunde zu verschließen. Die entstandene Öffnung in der Zahntasche füllt sich mit Blut, welches gerinnt und die Wunde somit verschließt. Das Koagel verbindet sich mit dem Zahnfleisch und wird ab dem zweiten bis dritten Tag nach dem Eingriff in ein sogenanntes Granulationsgewebe und schließlich in ein Bindegewebe umgebaut. Die Schleimhaut ist nach ein bis zwei Wochen weitgehend stabil zugeheilt. Nach drei bis vier Monaten ist im Inneren der Lücke der Umbau zu einem reifen Knochen abgeschlossen.
Die Häufigkeit von Wundheilungsstörungen liegt nach dem Ziehen eines Zahnes bei etwa drei bis vier Prozent. Ist, wie bei der Entfernung der Weisheitszähne, ein operativer Eingriff nötig, steigt die Wahrscheinlichkeit auf über 25 Prozent.
Typischerweise sind Schmerzen im Bereich des gezogenen Zahnes die ersten Anzeichen auf eine entzündete Wunde. Diese treten meist ein bis drei Tage nach dem Eingriff auf und nehmen an Stärke zu. Frauen scheinen dabei ein höheres Risiko für eine Entzündung zu besitzen, was mit der Einnahme der Pille in Zusammenhang gebracht wird. Raucher haben ein um das Fünffache erhöhtes Risiko für eine Wundheilungsstörung. Darüber hinaus beeinflusst die Größe der Wunde, die Dauer des Eingriffes sowie eine schlechte Mundhygiene den Heilvorgang.
Insbesondere nach der Extraktion der Weisheitszähne kann es nach einigen Wochen zu Zeichen eines bis dahin schmerzfrei verlaufenden Entzündungsprozesses kommen. Dies äußert sich in einem spontanen Abfluss von Eiter und möglichen Schwellungen im Bereich des gezogenen Zahnes. Ein solcher Abszess kann sich im Verlauf mehrerer Wochen bilden. Risikobehaftet ist eine solche Operation bei immungeschwächten Patienten und Diabetikern sowie die Entfernung trotz bestehender Infektion des betreffenden Zahnes.
In der modernen Zahnheilkunde erfolgt der Verschluss der Wunde durch die Einblutung in die leere Zahntasche (Alveole) und das sich bildende Blutkoagel. Nach kurzer Zeit stellt sich das Koagel für den Patienten als gelblich-grauer Blutpfropf in der entstandenen Zahnlücke des Kiefers dar. Das Koagel bietet einen natürlichen Schutz vor dem Eindringen von Bakterien in die Wunde. Wenngleich dieser Verschluss an Eiter erinnern mag, darf er nicht entfernt werden. Aus diesem Grund soll der Patient für wenigstens zwei Stunden nach dem Eingriff auf Essen vollständig verzichten, zumal durch das Essen zusätzlich Keime in die Wunde geraten könnten. Weiter besteht die Wahrscheinlichkeit, dass feste Bestandteile der Nahrung das Blutkoagel mechanisch lösen. In den ersten 24 Stunden ist auch ein Verzicht auf koffeinhaltige Getränke notwendig. In den Tagen nach der Zahnextraktion muss der Patient beim Essen weiterhin sehr vorsichtig mit dem Bereich des gezogenen Zahnes sein. Unterbleiben sollte auch das Spülen des Mundes mit kosmetischen oder medizinischen Mundspülungen, da diese das Koagel aus der Alveole lösen können. Solche Spüllösungen dürfen nur nach ärztlichem Rat angewendet werden. Vor allem bei größeren Wunden kann sich durch einen kleiner werdenden Blutpfropf ein Spalt bilden, durch den Bakterien eindringen. Ebenso besteht das Risiko, dass das Koagel durch den Aufbisstupfer aus der Wunde gezogen wird. Sofern sich der Patient an die Verhaltensregeln für die Zeit vor und nach dem Eingriff hält, ist eine Beeinträchtigung der Wundheilung nur selten zu beobachten.
Die im Fachjargon häufig gebrauchte Bezeichnung Dolor post extractionem steht für Symptome einer Wundheilungsstörung. Genau genommen handelt es sich um eine Entzündung, welche in der Alveole ihren Ausgang nimmt (Alveolitis sicca). Der Zahnarzt kann anhand der berichteten Symptome, eigener Beobachtungen sowie mittels einer Röntgenaufnahme den Ort der Infektion feststellen. Die Unterscheidung spielt vor allem für die nachfolgende Behandlung eine wichtige Rolle.
Dem Arzt bietet sich hierbei das Bild einer sogenannten trockenen Alveole. Darunter wird das komplette oder teilweise Fehlen des Blutkoagels verstanden. Ist dabei der Kieferknochen freigelegt, führt dies zu starken Schmerzen und einer hohen Berührungsempfindlichkeit. Bei einer trockenen Alveole handelt es sich nicht um eine eitrige Infektion. Dennoch kann ein intensiver Mundgeruch und schlechter Geschmack die Entzündung begleiten.
Die Ursachen für die Alveolitis sicca sind noch nicht restlos geklärt. So kann das Koagel durch unsachgemäße Mundhygiene im Anschluss an die Zahnextraktion (Mundspülung, elektrische Zahnbürste) wieder gelöst werden. Möglich ist ebenfalls die fehlende oder mangelhafte Entstehung eines Blutgerinnsels. Insbesondere dem Rauchen kommt ein besonderes Risikopotential zu. Das Blutkoagel kann sich darüber hinaus frühzeitig selbst auflösen (durch die sogenannte Fibrinolyse). Bei der Fibrinolyse handelt es sich um einen normalen biologischen Vorgang, welcher dann einsetzt, wenn die weitere Gerinnung von Blut nicht mehr für den Heilvorgang notwendig ist. Das weibliche Sexualhormon Östrogen oder hohes Fieber sind in der Lage, diesen Prozess der Auflösung eines Koagels zu fördern. In der Folge können Bakterien leicht in die trockene Alveole eindringen. Sie tragen dort zu einer weiteren Auflösung des Koagels bei und bewirken letztlich die Entzündungsreaktion in der Wunde.
Eitrige Abszesse (entzündliche Gewebehöhlen) zählen zu den Spätkomplikationen nach einer Zahnextraktion. Betrifft eine eitrige Entzündung den Kieferknochen, handelt es sich um eine Osteomyelitis. Die akute Osteomyelitis ist eine durch heftige Schmerzen, Fieber und hohe Entzündungswerte im Labor gekennzeichnete Erkrankung. Aufgrund gut wirkender Antibiotikatherapien wird diese nach dem Ziehen eines Zahnes indes kaum mehr beobachtet. Eine schwache Immunabwehr kann die Entstehung einer Osteomyelitis fördern. Diese besteht beispielsweise bei Diabetes mellitus oder verschiedenen Autoimmunerkrankungen (Erkrankungen mit Fehlreaktion des Immunsystems auf eigenes Gewebe) sowie Krebserkrankungen.
Infektionen des Kieferknochens können im fortgeschrittenen Stadium die Durchblutung über die Knochenhaut (Periost) stören. Die Folge ist das Absterben (Nekrotisierung) von Knochengewebe. Der Organismus beginnt daraufhin die Bildung eines neuen Knochens, was bei einem unbehandelten Infektionsherd zu einem fortschreitenden Umbau und einer Verhärtung (Sklerosierung) führt. Der Knochen verliert dabei an Stabilität, was zu Brüchen und zu Problemen bei Zahnimplantaten führen kann.
Swiss Dental Journal, Andreas Filippi – Wundheilung und Heilungsstörungen nach Entfernung dritter Molaren: https://www.swissdentaljournal.org/fileadmin/upload_sso/2_Zahnaerzte/2_SDJ/SMfZ_2001/SMfZ_07_2001/smfz-01-07-fortbildung2.pdf (online, letzter Abruf: 12.04.2021)
ScienceDirect, Marc E. Cohen; John W.Simecek – Effects of gender-related factors on the incidence of localized alveolar osteitis: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1079210405801209 (online, letzter Abruf: 12.04.2021)
ResearchGate, Christopher Rueppell; Roland Meier; Andreas Filippi – Normale und gestörte Wundheilung nach Zahnentfernung: https://www.researchgate.net/publication/309770260_Normale_und_gestorte_Wundheilung_nach_Zahnentfernung (online, letzter Abruf: 12.04.2021)
aktualisiert am 12.04.2021