Wenn ein Zahn gezogen werden musste, gibt jeder Zahnarzt seinen Patienten eine Liste mit Verhaltensregeln nach Hause mit. Zu den wichtigsten und gleichzeitig am schwersten einzuhaltenden Maßgaben zählt, für eine gewisse Zeit auf das Essen zu verzichten. Mitunter müssen die Patienten schon im Vorfeld die Nahrungseinnahme unterlassen, insbesondere wenn für den Eingriff eine Vollnarkose geplant ist. Vielleicht haben die Patienten auf feste Nahrung bereits längere Zeit mehr oder weniger freiwillig verzichtet: Ein nicht mehr festsitzender Zahn oder zunehmende Schmerzen beim Beißen und Kauen können einem das Essen durchaus verleiden.
Im Anschluss an eine Zahnentfernung muss mit dem Essen zumindest so lange gewartet werden, bis die Wirkung der Betäubung abgeklungen ist. In den folgenden Tagen sollten nur weiche Speisen verzehrt werden, um die Wunde zu schonen.
Das Ziel einer zahnärztlichen Behandlung ist der Erhalt des Zahnes. Trotz aller Fortschritte in der Zahnheilkunde kann die Extraktion, wie die Entfernung des Zahnes auch genannt wird, nicht in jedem Fall vermieden werden. Vor diesem Eingriff bespricht der Zahnarzt eingehend die Gründe hierfür sowie den Verlauf der Extraktion mit dem Patienten. Wichtig ist ebenfalls eine ausführliche Information über das Vorgehen, nachdem der Zahn gezogen ist. Hierzu zählt ein möglicher Lückenschluss genauso wie Vorsichtsmaßnahmen im direkten Anschluss an den Eingriff.
Um den Zahn aus seiner natürlichen Zahnhalterung herauszulösen, muss dieser mit einer speziellen Zange gelockert werden. Die Extraktion wird unter einer lokalen Betäubung vorgenommen. Dies gewährt dem Patienten eine weitgehende Schmerzfreiheit und ermöglicht dem Zahnarzt durch einen Zusatz (Adrenalin) eine bessere Übersicht, da die Wunde weniger stark blutet.
Ist der Zahn gezogen, wird zunächst die Wunde gesäubert. Der Patient erhält eine mit infektionshemmenden Substanzen getränkte Tupferrolle, die er durch einen festen Biss in die offene, blutende Wunde presst. Nach kurzer Zeit beginnt der Prozess der Wundheilung. Hierbei ist das Bluten in die offene Zahnalveole von großer Wichtigkeit. Die Zahntasche füllt sich rasch mit Blut, welches gerinnt und ein sogenanntes Blutkoagel bildet. Das Blutkoagel verschließt die Wunde und hilft, diese frei von schädlichen Krankheitserregern zu halten. In den nächsten 48 bis 72 Stunden bildet sich sogenanntes Granulationsgewebe, welches im weiteren Heilungsverlauf zu Bindegewebe und im Bereich des Kiefers letztlich in einen reifen Knochen umgebaut wird. Eine Störung dieses komplexen Vorganges führt zu einer verzögerten Wundheilung.
Eine kleine blutende Wunde stoppen wir im Alltag durch das Aufdrücken eines Taschentuches, oder wir kleben ein Pflaster darüber. Der Aufbisstupfer vom Zahnarzt hat den gleichen Effekt. Entfernt man ein Pflaster zu früh, kann die Wunde erneut zu bluten beginnen. Wird jedoch das nach einer Zahnentfernung gebildete Blutkoagel versehentlich gelöst, führt dies nicht in jedem Fall zu einem erneuten Einbluten in die Alveole. Diese bleibt dann trocken (Alveolitis sicca) und bietet eine ideale Einlasspforte für Bakterien. Für den Patienten ist dies häufig mit starken Schmerzen verbunden (Dolor post extractionem). Im schlimmsten Fall können die Keime den Kieferknochen angreifen und dort eine eitrige Entzündung auslösen.
Um diese Folgen zu vermeiden, ist der Bereich der Wunde in den nächsten Tagen zu schonen. Der Verzehr ausschließlich weicher oder flüssiger Nahrung verhindert, dass harte Kanten beim Kauen den Wundbereich schädigen und die Heilung gestört wird.
In der Mundhöhle wird die Nahrung durch das Beißen und Kauen in kleinere Bestandteile zerlegt, um so die Verdauung zu erleichtern. Neben den Zähnen sind auch die Lippen, die Mundschleimhaut und die Zunge beteiligt. Wenn eine örtliche Betäubung wirkt, kann der Essvorgang zu Problemen führen.
Die örtliche Betäubung (Lokalanästhesie) ist eine der am häufigsten durchgeführten Maßnahmen in der Zahnmedizin. Meist wird ein sogenannter Vasokonstriktor (Adrenalin oder Noradrenalin) zugesetzt, welcher die Gefäße verengt und vorrangig die Blutung verringern soll. Zudem wirkt sich ein solcher Zusatz verlängernd auf die Wirkungsdauer der Betäubung aus. Auf diese Weise werden Zeiten von 20 Minuten bis zu mehreren Stunden erreicht, in denen der Patient die Behandlung weitgehend schmerzfrei übersteht. Bei der in vielen Fällen angewandten Leitungsanästhesie hält die Wirkung häufig deutlich über drei Stunden an. Bei mehr als einem Viertel aller Patienten bleibt die Betäubung sogar mehr als vier Stunden bestehen. Die Wirkungsdauer der Lokalanästhesie wird bewusst über die geplante Behandlungsdauer hinaus gewählt. Dies verringert für den Patienten die Schmerzen unmittelbar nach dem Eingriff, schränkt jedoch die Aufmerksamkeit und die körperlichen Aktivitäten ein.
Essen und Trinken sollte daher den Empfehlungen der Zahnärzte zufolge für diesen Zeitraum möglichst unterlassen werden. Wasser und abgekühlter Tee dürfen vorsichtig getrunken werden. Ein örtliches Betäubungsmittel setzt für den Zeitraum der Wirkung neben den Schmerzen auch die Empfindung für Temperatur, Druck und Berührung herab. Dies lässt erst nach, wenn das Taubheitsgefühl abgeklungen ist. Es muss davon ausgegangen werden, dass in den Lippen, der Mundschleimhaut und der Zunge ein vollständig normales Empfinden erst als letztes wiederhergestellt ist.
Beim Essen können während der wirksamen lokalen Betäubung Verletzungen unterschiedlicher Art entstehen. Durch das Kauen und Beißen kann es vor allem zu Bisswunden im Mund kommen. Mitunter beginnen diese zu bluten und können nach Abklingen der Betäubung schmerzhaft sein. Insbesondere spitze oder kantige Nahrungsbestandteile (wie Brotkruste, Fischgräten, Nüsse) müssen vermieden werden. Gleiches trifft für heiße oder extrem saure Gerichte zu. Heiße Getränke oder Speisen führen zu unangenehmen Brandwunden im Mund oder am Gaumen oder können die Speiseröhre verletzen.
Die Wahrnehmung von sauren, salzigen oder extrem scharfen Gewürzen ist stark vermindert. Übelkeit, Erbrechen oder einer Reizung der Schleimhäute können die Folge der Aufnahme entsprechender Nahrung sein. Scharfes Essen bewirkt zudem eine Erweiterung der Gefäße und führt zu einer Erhöhung des Blutdrucks. In der Folge kann es zu Nachblutungen und damit einer verzögerten Wundheilung kommen.
Vielfach wird nach einer Zahnextraktion zum Verzicht auf Milchprodukte geraten. Für diese Empfehlung wird eine Reihe von Gründen angeführt, welche im Einzelfall jedoch kritisch beurteilt werden sollten. Eine Erklärung für den Verzicht könnte sowohl bei den Milchsäurebakterien als auch beim Nährwert der Milch zu finden sein. Milch stellt aufgrund der Eiweiße und des Milchzuckers eine hervorragende Nahrungsquelle für Bakterien dar. Eine Studie konnte indes aufzeigen, dass sich die Zusammensetzung der Bakterien in der Mundhöhle nach der Einnahme von Milch nicht verändert. Somit dürfte in dieser Hinsicht dem Genuss von Milchprodukten nichts im Wege stehen.
Die Gerinnung von Blut ist ein wichtiger Vorgang des Körpers, welcher die Heilung einer Wunde einleitet. Zu den Vorgängen im Zuge der Gerinnung gehört auch die Fibrinolyse. Sie wirkt einer überschießenden Gerinnungsreaktion entgegen. Bei gesteigerter Fibrinolyse ist es denkbar, dass die Bildung des Blutkoagels in der Wunde gestört wird. Neben der körpereigenen Aktivierung der Fibrinolyse kann diese auch durch entsprechende gerinnungshemmende Substanzen begünstigt werden, die in der Milch von Kühen, Schafen oder Ziegen vorkommen.
Eine größere Bedeutung muss dem vorgeschlagenen Verzicht auf Milch zugesprochen werden, wenn gleichzeitig Antibiotika eingenommen werden müssen. Allerdings trifft dies nur für zwei Gruppen von Wirkstoffen (Tetracycline und Chinolone) zu. Hier kommt es bei der gleichzeitigen Einnahme von Milch zu einer Verminderung der Wirksamkeit.
Wenngleich die Empfehlung, auf Milch zu verzichten, nicht zwingend zutreffen mag, so kann eine dreitägige Enthaltung durchaus in Erwägung gezogen werden.
Zellgifte wie Alkohol und Koffein begünstigen Blutungen und können die Wundheilung stören. Sie können das Immunsystem schwächen und steigern den Blutdruck. Auf diese Weise kann der Wundverschluss durch das Blutkoagel verzögert werden oder dieser kommt nur mangelhaft zustande. In der Folge können Bakterien in die Wunde eindringen. Ist das Immunsystem nicht mehr stark genug, diese richtig abzuwehren, kommt es zu bisweilen schwerwiegenden Entzündungen. Vom Konsum koffein- und alkoholhaltiger Getränke wird daher für mindestens 24 bis 48 Stunden abgeraten. Darüber hinaus sollte auf Rauchen verzichtet werden.
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aktualisiert am 29.06.2021