Rauchen gefährdet die Gesundheit. Dabei stehen Krebserkrankungen und Gefahren für die Lunge im Blickpunkt vieler Aufklärungskampagnen. Rauchen zählt indes auch zu den größten Risikofaktoren bei der Entstehung der Parodontitis. Inzwischen ist der Warnhinweis für Zahnfleischbluten und Zahnverlust auf den Zigarettenpackungen zu finden.
Die Giftstoffe einer Zigarette sind nicht nur für die Entstehung von Zahnkrankheiten und Zahnausfall verantwortlich. Es muss ebenso davon ausgegangen werden, dass Substanzen aus dem Rauch wie Nikotin, Teer und Kohlenmonoxid einen geordneten Heilungsprozess nach einer Zahnextraktion behindern. Bei Rauchern ist das Risiko für Wundheilungsstörungen um mehr als das Doppelte erhöht.
Obwohl der Erhalt eines Zahnes oberstes Ziel einer zahnärztlichen Behandlung ist, gibt es gewichtige Gründe, welche für eine Extraktion (lateinisch: Herausziehen) des Zahnes sprechen.
Jeder Zahn liegt mit seiner Wurzel in einem Knochenfach, der Alveole. Die sogenannten Sharpey-Fasern sind für die Verankerung mit dem Zahnhalteapparat (Parodontium) verantwortlich. Muss der Zahn gezogen werden, wird zuerst das umliegende Zahnfleisch entfernt. Mit vorsichtigen Bewegungen wird der zu entfernende Zahn in seiner Alveole gelockert und anschließend mit einer speziellen Zange herausgezogen. Hierfür wird das Areal um den betroffenen Zahn örtlich betäubt.
Nach der Extraktion wird die Wunde gesäubert und mit einem infektionshemmenden Aufbisstupfer versorgt. Beim Ziehen des Zahnes verletzt der Zahnarzt unweigerlich kleinste Blutgefäße an der Wurzelspitze. Darauf kommt es zu einer Einblutung in die Alveole. Dies ist vom Zahnarzt gewollt und dient der offenen Wundheilung. Das Blut gerinnt innerhalb kurzer Zeit zu einem Koagel, welches die Wunde verschließt. Wichtig ist, diesen Blutpfropf nicht zu beschädigen, um eine Infektion der Wunde zu verhindern. Der Patient sollte die Vorgaben des Zahnarztes beachten. Vorzeitiges Essen oder Mundspülungen sowie Rauchen können das Blutkoagel lösen.
Zu Störungen kann es zudem bereits bei der Entstehung des Blutkoagels kommen. Etwa 250 giftige Substanzen sind bekannt, welche beim Rauchen von Tabak die normalen Körperfunktionen beeinflussen. Hierzu zählt auch die Wundheilung nach dem Ziehen eines Zahnes. Ein normaler Heilungsvorgang verläuft in unterschiedlichen Phasen. Dieser kann durch eine Vielzahl an Faktoren beeinträchtigt werden. Rauchen greift gleich auf mehrfache Weise in den Heilungsprozess ein. So kommt es durch den Tabakrauch zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff in der Wunde. Ebenso wird die wichtige Einwanderung und Aktivität weißer Blutkörperchen eingeschränkt. Der Aufbau von neuem Gewebe verzögert sich, wodurch die Infektionsgefahr steigt. Auf die gleiche Weise wird die Heilung von Knochen gestört. Dies kommt insbesondere bei einem bereits geschädigten Kieferknochen zum Tragen.
Bereits eine einzige Zigarette vermag einen Einfluss auf den Blutdruck auszuüben. Da schon geringe Mengen Nikotin zu einem Anstieg des Blutdruckes führen, sollte vor, während und nach einer Zahnextraktion nicht geraucht werden. Maßgeblich ist hierfür die Substanz Nikotin verantwortlich. Nikotin führt zu einer vermehrten Ausschüttung bestimmter Stoffe (wie Noradrenalin), welche den Körper in Alarmbereitschaft versetzen. Die Gefäße verengen sich, wodurch sich der Herzschlag erhöht und der Blutdruck ansteigt.
Zudem entstehen durch das Rauchen freie Radikale, welche Zellschäden an den Innenwänden der Blutgefäße verursachen und hierdurch den Blutfluss beeinträchtigen.
Der Zusammenhang zwischen Bluthochdruck und der Beeinträchtigung der Wundheilung kann eindeutig hergestellt werden. In dieser Hinsicht wird eine Abstinenz von vier Wochen empfohlen, um die Häufigkeit von Wundinfektionen zu verringern.
Kohlenmonoxid ist ein geruchloses, unsichtbares Gas, welches bei Verbrennungsvorgängen entsteht. Auch beim Rauchen wird diese giftige Substanz über die Lunge in das Blut überführt. Die Aufgabe der roten Blutkörperchen (Erythrozyten) ist es, den Sauerstoff zu den Zellen zu transportieren. Kohlenmonoxid bindet sich um den Faktor 200 leichter als Sauerstoff an den roten Blutfarbstoff (Hämoglobin) in den Erythrozyten. Der Sauerstoff wird vom Kohlenmonoxid verdrängt, wodurch es zu einer Minderversorgung im Gewebe kommt.
Sauerstoff ist für alle Vorgänge im Körper von großer Wichtigkeit. Dies trifft umso mehr bei der lebenswichtigen Aufgabe zu, eine Wunde schnell und effizient zu verschließen. Besteht ein Mangel an Sauerstoff, kann sich kein neues Gewebe bilden. Im Anfangsstadium der Wundheilung muss das Immunsystem die Ansiedelung von Keimen in der Wunde verhindern. Zusätzlich werden Fresszellen (Makrophagen) aktiviert, um abgestorbenes Gewebe abzutransportieren. Der Bedarf an Sauerstoff steigt während dieser Phase auf einen bis zu 100-fachen Wert. Tabak schränkt auf diese Weise die Funktionstüchtigkeit der Fresszellen und bestimmter weißer Blutkörperchen stark ein.
Betrachtet man den Schaden, sollte auf das Rauchen sofort verzichtet werden. Eine Enthaltung von drei bis vier Tagen stellt lediglich das Minimum dar. Die Empfehlung bei größeren Eingriffen liegt in einem Bereich von wenigstens zwei Wochen.
Kann der Zahn nicht erhalten werden, verbleibt im Gebiss eine Lücke. Im Gegensatz zum Ausfall der Milchzähne bei Kindern schließt sich die Lücke nicht durch einen nachwachsenden Zahn. Zwar rücken Nachbarzähne teilweise in diesen Freiraum ein, dennoch wirkt sich dies negativ auf den korrekten Biss aus. Der fehlende Zahn kann durch eine Brücke oder ein Zahnimplantat ersetzt werden. Das Einarbeiten einer Brücke ist nur möglich, wenn die Nachbarzähne ausreichend Zahnsubstanz aufweisen. Der Einsatz eines Zahnimplantates setzt eine gesunde Substanz des Kieferknochens voraus. Eine Parodontitis führt bei Rauchern jedoch verstärkt zu einem Abbau der Knochen. Da zudem die Infektionsgefahr nach dem Ziehen des Zahnes durch die Schadstoffe vergrößert ist, kommt ein Implantat häufig nicht mehr infrage. Ist der Kieferknochen beschädigt, muss vor dem Setzen eines Zahnimplantates der Knochen aufgebaut werden (Augmentation). Dies kann nur erfolgreich verlaufen, wenn der Tabakkonsum stark reduziert oder besser eingestellt wird.
Rauchen stellt nicht nur für das Ziehen des Zahnes selbst, sondern gleichfalls für die lokale Betäubung ein besonderes Risiko dar. Für das Rauchen nach dem Eingriff gelten die gleichen Empfehlungen, wie sie für das Essen und Trinken mit auf den Weg gegeben werden. Bei den Patienten ist jedoch weniger bekannt, dass Raucher eine höhere Dosis sowohl an lokalen Betäubungsmitteln als auch an Narkosemitteln (Anästhetika) benötigen. Ähnlich sieht es bei der Einnahme bestimmter Schmerzmittel aus. Muss bei einem Raucher eine Vollnarkose durchgeführt werden, ist aufgrund der übermäßigen Bildung von Schleim in den Bronchien und von Magensaft besondere Vorsicht geboten. Zur Vermeidung von Komplikationen während der Betäubung sollte das Rauchen bereits vor dem Eingriff eingestellt werden. Die Dauer der Abstinenz sollte mit dem Zahnarzt besprochen werden, da die notwendige Menge an Narkosemittel von Art und Umfang des Eingriffes abhängt.
E-Zigaretten, genau wie Shishas oder das Tabakprodukt Snus, enthalten ebenso Nikotin und dürfen nicht als Alternative für das Rauchen vor einem zahnmedizinischen Eingriff herhalten. Medizinische Nikotinersatzpräparate scheinen indes das Risiko für Komplikationen vermindern zu können, da diese deutlich weniger Nikotin enthalten. Wird mit dem Rauchen aufgehört, ist auch der Gehalt von Kohlenmonoxid im Blut bereits 24 Stunden nach der letzten Zigarette auf einen weitgehend normalen Wert gesunken.
Quintessence Publishing Deutschland, Dr. Susanne Proksch – Führt Rauchen zum Zahnverlust?: https://www.quintessence-publishing.com/deu/de/news/zahnmedizin/parodontologie/fuehrt-rauchen-zum-zahnverlust (online, letzter Abruf: 03.05.2021)
ÄrzteZeitung, Peter Leiner – Rauchen belastet Op-Wunden: https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Rauchen-belastet-Op-Wunden-264261.html (online, letzter Abruf: 03.05.2021)
PubMed.gov, S. Guo; L. A. Dipietro – Factors affecting wound healing: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20139336/ (online, letzter Abruf: 03.05.2021)
DKFZ (Deutsches Krebsforschungszentrum), Dr. Katrin Schaller; Dipl. Biol. Sarah Kahnert; Nick K. Schneider; Dr. Martina Pötschke-Langer – Operationsrisiko Rauchen: https://www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/FzR/FzR_Operationsrisiko_Rauchen.pdf (online, letzter Abruf: 03.05.2021)
NCBI, Lars Tue Sorensen; Tonny Karlsmark; Finn Gottrup – Abstinence From Smoking Reduces Incisional Wound Infection: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1422652/ (online, letzter Abruf: 03.05.2021)
DGI (Deutsche Gesellschaft für Implantologie) – Implantate auch bei Rauchern,: https://www.dginet.de/web/dgi/home/-/journal_content/56/10164/2513739?refererPlid=10697 (online, letzter Abruf: 03.05.2021)
Lungenärzte im Netz – Rauchen verschlechtert die Wundheilung nach operativen Eingriffen: https://www.lungenaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/rauchen-verschlechtert-die-wundheilung-nach-operativen-eingriffen/ (online, letzter Abruf: 03.05.2021)
aktualisiert am 27.05.2022