Abszesse sind ein häufig beobachtetes Krankheitsbild in Zahnarztpraxen. Gehen diese Eiterherde von den Zähnen aus, werden sie als odontogene Abszesse bezeichnet. Der Zahnarzt wird in erster Linie versuchen, den betroffenen Zahn zu erhalten. Erst wenn alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen keinen Erfolg versprechen, muss der Zahn gezogen werden. Meist macht sich ein Abszess durch pochende Schmerzen bemerkbar. Wird ein Abszess nicht rechtzeitig behandelt, kann dies zu schweren Krankheitsverläufen führen, welche mitunter den gesamten Körper in Mitleidenschaft ziehen können.
Unter einem Abszess wird die Ansammlung von Eiter verstanden, die im Gewebe entsteht und einen Hohlraum ausbildet. Eiter (lateinisch: pus) ist eine Absonderung, welche durch eine Infektion mit Bakterien verursacht wird und zugrunde gegangene Erreger und Zellen enthält. Im Mundbereich wird ein Abszess vor allem durch Keime der Mundflora wie Staphylokokken oder Streptokokken ausgelöst. Die Entzündung bei einem Abszess kann sich in das umliegende Gewebe und daher auch auf den Kieferknochen ausbreiten.
Odontogene Abszesse sind auf eine Infektion des Zahnsystems zurückzuführen. Im Vordergrund stehen Entzündungen der Zahnfleischtaschen (parodontale Abszesse) sowie der Wurzelspitze (apikale Parodontitis). Bei letzteren ist die bakterielle Infektion häufig auf Karies oder eine ausgeprägte Entzündung des Zahnfleisches zurückzuführen. Weitere Ursachen für die Entstehung eines Dentalabszesses (Zahnabszesses) können jegliche Verletzungen im Mundraum darstellen. Hierzu zählen Verbrennungen ebenso wie mechanische Verletzungen der Mundschleimhaut (etwa durch Zahnspangen, Zahnersatz) oder selbst zugefügte Bisswunden. Unfälle gelten ebenso als Auslöser eines entzündlichen Geschehens mit Abszessbildung. Auch die Behandlung beim Zahnarzt (Spritze, Instrumente) kann zu kleinen Verletzungen führen und eine Abszessbildung zur Folge haben.
Durch den Abszess kann die Zahnwurzel nachhaltig geschädigt werden. Ist die endodontologische (im Zahninneren durchgeführte) Behandlung unzureichend, wird die Entfernung des Zahnes notwendig.
Abszesse mit Zahnbeteiligung kommen darüber hinaus im vorderen Gaumenbereich (palatinaler Abszess) oder als Eiteransammlung unter der Zunge (sublingualer Abszess) vor.
Entscheidend für eine zahnerhaltende Therapie ist die rechtzeitige Diagnose. Schmerzen und Schwellungen treten je nach Lokalisation des Abszesses unterschiedlich stark in Erscheinung. Pochende Schmerzen, vor allem nachts, wenn der Kopf flach liegt, können sich mit schmerzfreien Zeiten abwechseln. Schmerzen entstehen vor allem durch den steigenden Druck des Eiters auf das umliegende Gewebe. Öffnet sich ein Abszess, kann sich der Eiter verteilen, wodurch der Schmerz vorübergehend nachlässt. Druckschmerzen, insbesondere beim Kauen, erschweren das Essen.
Liegt die Eiteransammlung im Bereich der Wurzelspitze, kann sich der Zahn lockern und lässt sich in seiner Zahntasche leicht bewegen. Ein Druckschmerz am Kiefer in der Wurzelregion des entzündeten Zahns stellt einen zusätzlichen Hinweis auf einen Abszess dar.
Weitet sich eine Entzündung auf den Kieferknochen aus (Osteomyelitis), kann sich auch hier ein Abszess ausbilden. Unbehandelt führt dies zu einer Lockerung des Zahnes, sodass dieser möglicherweise entfernt werden muss.
Oberflächliche Abszesse, beispielsweise am Zahnfleisch, machen sich neben Schmerzen äußerlich sichtbar durch eine Rötung sowie Erwärmung bemerkbar.
Die Behandlung eines Abszesses am Zahn hat stets das Ziel einer Beseitigung des Eiters und damit einhergehend einer Linderung der Beschwerden. Darüber hinaus wird der Arzt versuchen, der Ursache auf den Grund zu gehen.
Nicht nur aufgrund der Gefahr der Ausbreitung der Entzündung, der Nähe zum Gehirn und möglicher damit verbundener Komplikationen kommt der schnellen und sicheren Beseitigung eitriger Abszesse eine große Wichtigkeit zu. Schäden können eintreten, die dazu führen, dass der Zahn nicht erhalten werden kann. Der Verlust eines Zahnes hat nicht ausschließlich kosmetische Konsequenzen, sondern wirkt sich auf die Nahrungsaufnahme und den Kieferapparat insgesamt aus.
Vor einer Therapie kann der Zahnarzt die Lage und das Stadium der Entzündung exakt ermitteln. In erster Linie kommen hier Röntgen und Ultraschall zum Einsatz. Zudem liegen die Entzündungsparameter (Blutwerte wie C-reaktives Protein, Leukozyten) deutlich über der Norm.
Eiter kann in den meisten Fällen nicht von allein abfließen und wird bei größeren Abszessen zudem nicht mehr vom Körper abgebaut. Somit bleibt als wichtigste Behandlungsmaßnahme die Eröffnung des Abszesses (Inzision). Eine erfolgreich durchgeführte chirurgische Eröffnung führt rasch zu einer deutlichen Verbesserung der Schmerzen. Bei oberflächlich gelegenen Abszessen ist ein kleiner Schnitt mit dem Skalpell ausreichend. Tiefere Abszesse, vor allem im Kieferknochen, bedürfen eines größeren Eingriffes. Hier ist zusätzlich eine über mehrere Wochen durchgeführte Antibiotikatherapie nötig, um den Zahn erhalten zu können.
Die Eröffnung eines Abszesses sollte in keinem Fall selbstständig durchgeführt werden. Dabei besteht die Gefahr einer Streuung der Bakterien in die Blutbahn und einer Ausbreitung der Infektion. Die Patienten gehen damit auch das Risiko ein, den entzündeten Zahn zu verlieren.
Vor allem oberflächliche Abszesse können, wenn der Druck durch den entstandenen Eiter zu groß wird, von selbst aufgehen. Wenngleich die Schmerzen in diesem Fall spontan nachlassen, sollte eine zahnärztliche Behandlung folgen, zumal die Bakterien nicht vollständig aus dem entzündeten Gebiet verschwunden sind. Der Abszess kann sich hier rasch neu bilden. Auch besteht die Notwendigkeit, die Ursache des entzündlichen Geschehens zu behandeln, um den möglichen Verlust des Zahnes zu vermeiden.
Die Entscheidung, inwieweit der Zahn erhalten werden soll, hängt von der Ausdehnung des Abszesses, dem Zustand des Zahnes sowie der Zahntasche im Kieferknochen (Alveole) und möglichen Risikofaktoren des Patienten ab.
In den Leitlinien wird bei einem odontogenen Abszess die Wurzelkanalbehandlung als Mittel der Wahl beschrieben, um den Zahn zu erhalten. Vielfach ist eine solche Behandlung die einzige Möglichkeit, den betroffenen Zahn zu retten. Obgleich die Erfolgsaussichten als gut zu bewerten sind, kann es beispielsweise durch übrig gebliebene Bakterien im Kanalsystem der Zahnwurzel zu Komplikationen kommen. Eine Wurzelspitzenresektion ist hier das möglicherweise letzte Mittel, um die Extraktion (das Ziehen) des Zahnes zu verhindern. Bei einer Wurzelspitzenresektion wird nur die Wurzelspitze, nicht die gesamte Wurzel des Zahnes, entfernt. Als erfolgreich ist eine Wurzelkanalbehandlung dann anzusehen, wenn diese zu einer Erhaltung des Zahnes sowie einer Abheilung des umgebenden Gewebes führt.
Eine ausschließliche Behandlung mit Antibiotika wird bei einem Dentalabszess nicht durchgeführt. Dies kann in ungünstigen Fällen in eine dauerhafte Entzündung (Chronifizierung) münden. Die gleichzeitige Gabe antibiotisch wirksamer Medikamente wird indes bei einer Tendenz zur Ausbreitung der Entzündung oder bei zusätzlich vorhandenen Allgemeinerkrankungen des Patienten erwogen.
Ein Abszess, sei es am Zahn oder an anderen Körperstellen, sollte stets in die Behandlung eines Arztes gegeben werden. Hausmittel können in leichten Fällen die Symptome lindern, die Ursache würde indes bestehen bleiben. Bis zur Behandlung durch den Zahnarzt können antiseptisch (keimtötend) wirkende Hausmittel wie Zwiebeln oder Kamille angewandt werden. Lassen die Schmerzen nach, darf dies jedoch lediglich als vorübergehende Linderung gewertet werden. Der Abszess sowie die Ursachen sind damit nicht beseitigt. Ein Abwarten könnte somit zum Verlust des Zahnes führen.
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aktualisiert am 25.03.2021