In der Regel wachsen alle Brüche, auch der Wadenbeinbruch, wieder zusammen, wenn sie richtig fixiert werden. Der Zeitraum beträgt je nach Art des Bruches entweder ein paar Wochen oder auch ein paar Monate.
Trotzdem kann es bei entsprechender Konstellation sein, dass der Knochen nicht zusammen wachsen will. Das ist zwar äußerst selten, kommt aber dennoch vor. Der Grund hierfür ist eine gestörte Knochenbruchheilung. Eine Fehlbelastung kann ebenfalls zur sogenannten Pseudarthrose (Falschgelenk) führen. Der Knochen ist dann instabil und lässt sich unnatürlich leicht bewegen. Daher kommt auch die Bezeichnung Falschgelenk beziehungsweise Pseudarthrose. Davon ist die Rede, wenn der Knochen nach spätestens sechs Monaten nicht wieder zusammen gewachsen ist. Am häufigsten sind die langen Röhrenknochen betroffen, zu denen auch das Wadenbein zählt. Aber auch jeder andere Knochen, der gebrochen ist, kann ein Falsch- oder Scheingelenk entwickeln.
Bevor es zu einer weiteren Behandlung kommt, muss unbedingt abgeklärt werden, ob die Falschgelenkbildung nicht durch eine Knocheninfektion ausgelöst wurde. Das erfordert nämlich eine besondere Therapie. In den meisten Fällen ist hingegen eine Durchblutungsstörung die Ursache. Dann spricht der Mediziner von einer atrophen Pseudarthrose. Es gibt noch die hypertrophe Pseudarthrose, bei der zu viel Knochen- und Knorpelgewebe gebildet wird.
Die Krankheit entwickelt sich schleichend, deswegen treten auch die Symptome verzögert auf. Diese können in schweren Fällen unter anderem sein: Rötung und Schwellung über dem gebrochenen Wadenbein und natürlich Schmerzen. Zudem ist der Knochen unnatürlich beweglich, es kann zu Achsenabweichungen kommen, die zum Teil sichtbar sind. Eine Pseudarthrose ist in den meisten Fällen sehr schmerzhaft. Erstes Ziel, bevor mit der Behandlung begonnen wird, ist, den Patienten schmerzfrei zu stellen. Entweder geschieht dies mittels Schmerztabletten oder Wärme-/Kältetherapie.
Diagnostiziert wird anhand eines bildgebenden Verfahrens wie Röntgen. Ist die Röntgenaufnahme unklar, können ein MRT oder eine Szintigraphie durchgeführt werden, um die Diagnose zu sichern.
Liegt eine hypertrophe Pseudarthrose vor (wenn zu viel Knochen- und Knorpelgewebe gebildet wird), reicht in manchen Fällen ein Gips aus, um eine Heilung zu erreichen. Hier wird nach vier Wochen beim Röntgen kontrolliert, ob der Knochen beginnt zusammen zu wachsen.
In den meisten Fällen muss jedoch operiert werden. Hier können eventuell Nägel und/oder Platten zum Einsatz kommen, um den Knochen zu stabilisieren und ihn zum Zusammenwachsen zu bringen. Manchmal kommt auch ein Fixateur externe (ein durch die Haut von außen befestigtes Haltesystem) zum Einsatz. Bei einer hypertrophen Pseudarthrose darf das überschüssige Knochengewebe nicht entfernt werden, da es dazu führen kann, dass die gesamte Knochenproduktion reduziert wird.
Ist bereits zu viel Knochengewebe bei der atrophen Pseudarthrose abgestorben oder zu wenig Gewebe vorhanden, ist es möglich, dass Knochenmaterial (meist aus der Hüfte bzw. dem Becken) übertragen werden muss. Hier können Nägel und/oder Platten zum Einsatz kommen, damit der Knochen endgültig zusammen wachsen kann.
Ergänzend oder alternativ zur Knochenübertragung (Spongiosaplastik) können auch sogenannte Bone Morphogenetic Proteins, kurz BMP, eingesetzt werden. Diese kommen auch natürlich im Köper vor und stimulieren das Knochenwachstum. Mittels minimal-invasivem Eingriff lassen diese sich zum Knochen transportieren.
Weiterhin kann eine Therapie mit extrakorporalen Stoßwellen angewendet werden. Hier werden hochenergetische Stoßwellen fokussiert auf den Frakturbereich geschickt, der nicht richtig zusammengewachsen ist. Durch die Stoßwellen soll die Pseudarthrose abgebaut und die Durchblutung des Knochens angeregt werden. Auch die Knochenbruchheilung kann durch diese Therapie angeregt werden. Allerdings sind die exakten Wirkmechanismen noch nicht ausreichend erforscht.
Ein weiterer Grund, warum ein gebrochenes Wadenbein nicht zusammen wächst, kann eine Knochenmarks- bzw. Knochenentzündung sein (Osteitis beziehungsweise Osteomyelitis). Diese wird in den meisten Fällen durch eine bakterielle Infektion ausgelöst. Die Symptome sind in diesem Fall reduziertes Allgemeinbefinden mit eingeschränkter Leistungsfähigkeit, Schmerzen, Schwellungen und Rötungen über dem gebrochenen Wadenbein und zudem fühlt sich die betroffene Stelle warm an. Besteht der Verdacht auf eine Knochen- oder Knochenmarksentzündung, muss der Patient umgehend in ein Krankenhaus. Je früher die Therapie beginnt, umso größer sind auch die Heilungschancen.
Wächst der Knochen aufgrund dieser Entzündung überhaupt nicht mehr zusammen, dann ist eine Operation meist unumgänglich, da hier entweder bereits große Teile des Knochens nekrotisiert (zerstört) sind oder es sich sehr viel Eiter gebildet hat. Hier kann es sein, dass größere Teile des Knochens entfernt werden müssen. Das Knochenmaterial kann allerdings in einer zweiten Operation wieder rekonstruiert werden.
Knochenentzündungen, Knochenmarkentzündungen und Pseudoarthrose sind zum Glück eher selten. Nach einem Wadenbeinbruch ist es wichtig, dass der Patient regelmäßig zu seinen Nachsorge-Untersuchungen geht. Je früher eine Erkrankung dieser Art festgestellt wird, umso besser sind auch die Heilungschancen.
aktualisiert am 29.05.2020