Der Unterschenkel besteht aus zwei Knochen, die der Mediziner Tibia und Fibula nennt, uns aber besser unter dem Namen Schienbein und Wadenbein bekannt sind. Das Wadenbein (Fibula) ist sehr viel zarter als das Schienbein und kann deshalb leichter brechen als das wesentlich robustere Schienbein. Daher ist es auch bei Ermüdungsbrüchen deutlicher gefährdet als sein benachbarter Knochen. Ermüdungsbrüche wurden schon im 19. Jahrhundert bei jungen Rekruten vermutet, bei denen häufig der Mittelfußknochen betroffen war. Deswegen wird der Ermüdungsbruch auch etwas angestaubt formuliert als Marschfraktur bezeichnet.
Ein Ermüdungsbruch entsteht immer dann, wenn ein Knochen auf Dauer zu einseitig belastet wird. Wie jeder andere Knochen auch hat das Wadenbein eine gewisse Belastungsgrenze. Wird diese immer wieder überschritten, entstehen winzig kleine Brüche, sogenannte Mikrofrakturen. Am Anfang fallen sie gar nicht weiter auf. Nach dem Trainingsende, bzw. nachdem das Bein nicht mehr belastetet wird, kann es sein, dass leichte Schmerzen auftreten. Im Normalfall beruhigt sich das aber nach einer gewissen Ruhezeit wieder. Im Regelfall ist es nämlich so, dass der Körper diese Mikrofrakturen gut selbst wieder beheben kann. Er bildet einfach mehr Knochenmasse. Doch irgendwann funktioniert dieses System gerade unter Dauerbelastung nicht mehr. So ist die Folge ein Bruch des Wadenbeins. Das Tückische daran ist, dass dieser Bruch nicht durch ein handfestes Trauma ausgelöst wird, sondern durch eine ganz alltägliche Bewegung.
Gerade Leistungssportler leiden häufiger unter Ermüdungsbruchen, aber auch Frauen in den Wechseljahren oder mit einem gestörten Menstruationszyklus können davon betroffen sein. Durch einen Östrogenmangel können hier die Knochen leichter brechen - häufig leiden die betroffenen Frauen unter Osteoporose. Ermüdungsbrüche kommen im Übrigen tendenziell am häufigsten bei Läufern vor.
Doch auch manche Fußfehlstellungen können einen Ermüdungsbruch begünstigen. Hier kann ein Hohlfuß, eine Belastung des äußeren Fußrandes oder eine Außendrehung des Fußes beim Laufen schuld sein. Auf diese Art werden die Knochen mehr belastet. Aber auch andere Faktoren können selbst bei einem (sonst) gesunden Menschen einen Ermüdungsbruch herbeiführen. Darunter fallen die Einnahme von Kortison, eine strenge einseitige Diät, wenig Muskelmasse an der Wade, kombiniert mit relativ schmalen Knochen und anderes.
Die Symptome eines Ermüdungsbruchs unterscheiden sich komplett von denen, die durch einen Bruch durch ein Trauma (gewaltsames Ereignis) entstehen. Sie entstehen nämlich schleichend, während bei einem Traumabruch unmittelbar nach dem Ereignis die Verletzungssymptome auftreten. Der Patient leidet in der Anfangsphase unter leichten Schmerzen, die oft auch als Druckschmerzen auftreten. Manchmal kommt es auch zu Schwellungen, Überwärmungen oder Rötungen über der Betroffenen Stelle, meist im Bereich des Außenknöchels. Zudem kann es beim Auftreten zu Beschwerden kommen. Diese Symptome verschwinden anfangs nach einer Ruhephase wieder.
Erst nach einer gewissen Zeit bestehen diese Schmerzen dauerhaft und verschwinden auch nach einer Ruhephase nicht wieder. Deswegen kann das Bein nicht mehr richtig belastet werden. Auch das unterscheidet Ermüdungsbrüche von Traumabrüchen. Es kommt nicht zu einem völligen Funktionsverlust des Beins. Ein Ermüdungsbruch im Außenknöchel (der Teil des Wadenbeins ist) wird durch häufiges Umknicken noch zusätzlich gefördert.
Die Diagnose eines Ermüdungsbruchs des Wadenbeins gestaltet sich oftmals gar nicht so einfach. Häufig kommen Hobby- aber Leistungssportler mit starken Schmerzen in den unteren Extremitäten zum Arzt. Hier kann eine ausführliche Erstanamnese im Gespräch Erkenntnisse darüber bringen, ob es sich um einen Ermüdungsbruch handeln könnte oder nicht. Oft werden nämlich Rheuma und eine Stressfraktur miteinander verwechselt, weswegen die Betroffenen meist erst sehr spät zum Arzt gehen. Weiterhin sind Tumore oder Infektionen auszuschließen, um eine klare Diagnose zu stellen. Des Weiteren könnte es bei den Symptomen auch um Erkrankungen wie ein Schienbeinkantensyndrom oder Kompartmentsyndrom handeln, was es auszuschließen gilt. Diese Erkrankungen betreffen hauptsächlich das umgebende Gewebe, haben aber ähnliche Symptome.
Oft sind Ermüdungsfrakturen in einem frühen Stadium auf dem Röntgenbild nicht zu erkennen. Beim Wadenbein sind häufig das Fibulaköpfchen (im Bereich des Knies) und der Außenknöchel betroffen (im Bereich der unteren Wade). Hier gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder der Betroffene kommt nach 14 Tagen erneut zur Röntgenaufnahme, wenn die Beschwerden weiterhin bestehen oder es wird ein MRT, ein CT oder eine Szintigrafie vorgenommen. Diese bildgebenden Verfahren können schon bei ersten Anzeichen Aufschluss darüber geben, ob es sich um einen Ermüdungsbruch handelt oder nicht.
Wichtig für die Genesung ist, dass das Wadenbein nicht weiter belastet wird, damit es komplett ausheilen kann. Hier kann der Fuß mittels einer Schiene oder eines Verbandes ruhig gestellt werden. Nur bei einem schwerwiegenden Bruch wird operiert. Es gilt absolutes Sportverbot - und zwar in jeder Form, die das Wadenbein noch weiter belasten würde. Zusätzlich kann eine Physiotherapie weiterhelfen, damit das Bein nach der Genesung wieder voll belastbar ist. Die Heilung eines Ermüdungsbruchs dauert in der Regel sechs bis acht Wochen. Der Patient kann seinen Körper noch über die Ernährung und Verhaltensweisen kräftigen, damit der Heilungsprozess noch schneller voranschreiten kann. Als förderlich wirken die Einnahme von genügend Vitamin D und Kalzium. Vitamin D bildet der Körper bei Sonneneinstrahlung selbst. Deswegen ist es wichtig, wenigstens ab und zu an die frische Luft zu kommen.
Ist der Ermüdungsbruch des Wadenknochens ausgeheilt, kann der Patient auch einiges selbst tun, um einer erneuten Fraktur vorzubeugen. Die Trainingsintensität sollte moderat erhöht werden, ein gutes Aufwärmen und auch Abwärmen ist wichtig. Zudem sollte auf eine ausreichende Nährstoffversorgung des Knochens über die Nahrung geachtet werden. Das kommt nicht nur dem Wadenbein zugute.
aktualisiert am 18.03.2020