Eine Vestibulodynie oder lokalisierte Vulvodynie ist ein Schmerz, der einen umschriebenen Bereich am Scheidenvorhof betrifft und keine spezielle Ursache wie eine Infektion oder Hautkrankheit hat.
Allgemein werden Schmerzen im Schambereich der Frau ohne andere Ursache als Vulvodynie bezeichnet. Bei einer Vulvodynie ist grundsätzlich zwischen der lokalisierten (örtlich begrenzten) und generalisierten (eher die Gesamtheit betreffenden) Form dieser Erkrankung zu unterscheiden. Die lokalisierte Vulvodynie wurde einst auch als Vestibulitis-Syndrom oder einfach als Vestibulitis bezeichnet. Heute ist eher der Begriff Vestibulodynie für diese Erkrankung gebräuchlich. Manchmal wird der Ausdruck Vulvar Vestibulitis Syndrome verwendet.
Worin bestehen die entscheidenden Unterschiede der zwei Formen der Vulvodynie? Bei der generalisierten Vulvodynie treten Schmerzen in den verschiedensten Bereichen der Vulva, sprich der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane, zu verschiedenen Zeiten auf. Dabei kann es sich um einen konstanten Schmerz handeln oder der Schmerz kann von begrenzter Dauer sein. Mitunter tritt der Schmerz nur auf, wenn eine Berührung erfolgt oder Druck ausgeübt wird.
Bei einer lokalisierten Vulvodynie (Vestibulodynie oder Vestibulitis) treten im Gegensatz dazu die Schmerzen in nur einem Bereich der Vulva auf. Die lokalisierte Form der Erkrankung tritt vor allem in der Region des vulvären Vestibulums, sprich des Scheidenvorhofs, auf. Der Schmerz kann sich zum Beispiel am Scheideneingang (Introitus) oder im gesamten Bereich zwischen den kleinen Schamlippen manifestieren.
Oftmals wird der Schmerz als eine Art Brennen empfunden. Die Patientinnen berichten auch von einem feuerartigen Schmerz, Schmerzen wie die von offenem Fleisch oder von einem Gefühl von stechenden Nadeln. Selbst Urin kann stark schmerzen.
Darüber hinaus tritt eine lokalisierte Vulvodynie häufig während des Geschlechtsverkehrs auf, da dieser die unangenehmen Symptome dieses Krankheitsbilds provoziert. Bei einer lokalisierten Vulvodynie leiden die Patientinnen nicht dauerhaft an den eben beschriebenen Schmerzen. Vielmehr führt ein Druck oder eine Berührung des betroffenen Bereichs zu dem Schmerz. Der Schmerz kann in einigen Fällen auch spontan ohne äußeren Anlass eintreten. Dass die Klitoris von der lokalisierten Vulvodynie betroffen ist (Klitorodynie), ist im Übrigen selten der Fall.
Neben Geschlechtsverkehr können unter anderem die folgenden auslösenden Vorgänge (Trigger) die Schmerzen bei der Vestibulodynie provozieren:
Eine Besonderheit dieser Krankheit besteht darin, dass diese bei der Untersuchung meist von außen nicht zu erkennen ist. Es gibt keine oder nur sehr geringe Rötungen oder andere äußerliche Anzeichen, die auf derartige Schmerzen schließen lassen. Bei dem Krankheitsbild einer lokalisierten Vulvodynie kann der Geschlechtsverkehr sogar so schmerzhaft sein, dass dieser gar unmöglich wird (Dyspareunie). Grundsätzlich ist erst dann von einer Vulvodynie oder Vestibulodynie die Rede, wenn die Patientin mindestens drei Monate lang unter den Schmerzsymptomen leidet. Eine Hauterkrankung, eine Infektion oder ein Tumor dürfen darüber hinaus nicht der Auslöser dieser Symptomatik sein. Dann würde es sich nicht um eine Vulvodynie oder Vestibulodynie handeln, da in diesen Fällen klare Gründe vorliegen.
Die Ursachen für eine lokalisierte Vulvodynie sind weiterhin nicht abschließend geklärt. Bei vielen Patientinnen können keine Gründe für das Schmerzsyndrom ermittelt werden.
Unter anderem scheint die Beckenbodenmuskulatur eine Rolle zu spielen. Frauen, die an einer lokalisierten Vulvodynie leiden, weisen im Vergleich zu gesunden Frauen folgende Veränderungen im Bereich der Beckenbodenmuskulatur auf:
Die Schmerzen, die mit einer lokalisierten Vulvodynie einhergehen, können noch verstärkt werden, wenn sich die Beckenbodenmuskulatur reflexartig zusammenzieht.
Weiterhin steht diese Krankheit oft mit einem Herpes genitalis oder Candida (einem Hefepilz) im Zusammenhang. Viele Betroffene litten vorher an einer solchen Infektion.
Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Patientinnen mit einer lokalisierten Vulvodynie eine deutlich erhöhte Anzahl an Nervenendungen im Bereich des Vestibulums vorhanden sind. Diese zusätzlichen Nervenendungen könnten somit ebenfalls zu der erhöhten Schmerzwahrnehmung beitragen.
Darüber hinaus spielen Angst und Stress eine Rolle. Diese Gemütszustände können das Leiden der Patientinnen begünstigen und verstärken. Diese wichtigen psychologischen Aspekte sind daher nicht außer Acht zu lassen.
Weitere mögliche Gründe für die Entstehung der Vestibulodynie sind verschiedene Mittel, die örtlich aufgetragen wurden wie zum Beispiel Cremes oder Desinfektionsmittel. Denkbar als Ursache sind auch Antibiotika, die die normale Bakterienflora stören, da sie gegen Bakterien gegeben wurden, welche an sich unproblematisch sind.
Die Diagnose der Vestibulodynie ist schwierig und manchmal halten Ärzte das Krankheitsbild lediglich für ein unwichtiges psychologisches Problem, ohne dass sie diesem weiter auf den Grund gehen. Dabei ist es besonders wichtig, eine gründliche Anamnese (Erhebung der Symptome und der Vorgeschichte der Patientin) durchzuführen.
Schmerzen sowie ein Brennen treten bei einer lokalisierten Vulvodynie vor allem dann auf, wenn das Vestibulum berührt wird. Um eine lokalisierte Vulvodynie zu diagnostizieren, bietet sich der Test mit einem Wattestäbchen an. Mit diesem Hilfsmittel wird die sogenannte Palpation durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine tastende Befunderhebung. Der Bereich des Vestibulums wird mit den Wattestäbchen abgetastet, woraus eine sehr genaue Diagnose resultiert. Denn der behandelnde Arzt kann aufgrund der Reaktion der Patientin auf diesem Weg genau feststellen, wo die Schmerzen auftreten.
Eine Untersuchung mit einem Spekulum (Instrument zum Aufspreizen), bei der Veränderungen im Bereich der Scheide und des Muttermunds festgestellt werden können, sollte hingegen warten, bis die Wattestäbchen- beziehungsweise Tastuntersuchung durchgeführt wurde. Sonst könnte es zu einem verfälschten Untersuchungsergebnis hinsichtlich der Schmerzlokalisation kommen. Zusätzlich wird der behandelnde Arzt bei dem Verdacht auf eine lokalisierte Vulvodynie die Beckenbodenmuskulatur untersuchen. Vor allem wenn diese Muskeln stark angespannt ist, ist dies für den Therapieplan relevant.
Sofern von Anfang an eine Rötung vorhanden ist, handelt es sich meist nicht um eine Vulvodynie oder Vestibulodynie. Um sicherzugehen, dass die Patientin an einer lokalisierten Vulvodynie leidet, wird der behandelnde Arzt die folgenden Krankheiten mittels der geeigneten Diagnoseverfahren ausschließen:
Der psychologische Leidensdruck der Patientinnen wird mitunter allein durch die Diagnose gemindert. Betroffene wissen endlich, dass sie die Schmerzen nicht fantasiert haben, sondern ein offizielles Krankheitsbild wird bestätigt, welches zu ihren Symptomen passt.
Patientinnen sollten nicht notwendige Mittel wie Cremes oder Ähnliches weglassen, da diese möglicherweise die Vestibulodynie fördern. Der Intimbereich sollte vorerst nur mit Wasser gereinigt werden.
Um eine lokalisierte Vulvodynie zu therapieren, werden vom Arzt oftmals spezielle Salben verordnet. Hier eignen sich Salben oder Gele, die ein örtliches Betäubungsmittel enthalten: Lidocain-Salbe wirkt schmerzlindernd und wird von den Betroffenen insbesondere 30 Minuten vor jedem Geschlechtsverkehr aufgetragen. Auch im Anschluss an den Geschlechtsverkehr kann die Salbe die Schmerzen lindern. Bis sich die Patientinnen trauen, Geschlechtsverkehr mit ihrem Partner zu haben, kann es Wochen dauern. So lang fällt unter Umständen der Zeitraum aus, bis der Verkehr angesichts der bisher extremen Schmerzen überhaupt erst möglich ist.
Eine weitere Möglichkeit von örtlich aufzutragenden Mitteln ist Capsaicin-Creme. Capsaicin ist eine Substanz, die die Schärfe von Chilischoten ausmacht und bei verschiedenen Schmerzsyndromen des menschlichen Körpers hilft. Einigen Patientinnen helfen zudem fettende Salben.
Sofern die genannten Möglichkeiten der lokalen Therapie nicht zu den gewünschten Erfolgen geführt haben, können Medikamente (Psychopharmaka) zum Einsatz kommen. Diese werden auch zur Behandlung einer generalisierten Vulvodynie verwendet. In erster Linie handelt es sich um Antidepressiva (Amitriptylin, Nortriptylin). Dabei geht es nicht vorrangig um die antidepressive Wirkung dieser Medikamente (wobei diese zusätzlich von Vorteil sein kann). In niedrigen Dosen kommen diese Medikamente als spezielle Schmerzmittel zum Einsatz. Da Antidepressiva mitunter schlecht vertragen werden, gilt es die Dosis nur langsam zu steigern. Insbesondere Amitriptylin kann starke Nebenwirkungen verursacht werden. In einigen Fällen kann ausprobiert werden, ob andere Medikamente wie Gabapentin oder Citalopram eine Besserung der Beschwerden bringen. Im Einzelfall können Medikamente gegen einen Candida-Pilzbefall helfen (Fluconazol).
Biofeedback und Anwendungen zur Nervenstimulation (TENS) stellen weitere Therapiemöglichkeiten dar. Ebenfalls können einigen Patientinnen Akupunktur oder Entspannungsverfahren helfen. Weiterhin kann ein Beckenbodentraining vorteilhaft sein. Einige Betroffene profitieren von einer Psychotherapie.
In extremen Fällen kann ein chirurgischer Eingriff zur Behandlung dieses chronischen Schmerzsyndroms in Erwägung gezogen werden. Dieser Eingriff heißt Vestibulektomie. Die schmerzhaften Anteile des Scheidenvorhofs werden operativ entfernt. Allerdings ist eine sorgfältige Selektion der Patientinnen dazu erforderlich. Nicht alle betroffenen Frauen können von einer Operation gleichermaßen profitieren. Der Erfolg solch eines Eingriffs ist nicht garantiert, so dass die Patientinnen gemeinsam mit ihrem Arzt abwägen sollten, ob es sich um den für sie richtigen Schritt handelt.
http://werner-mendling.de/wp-content/uploads/Vestibulodynie-1.-Frauenarzt-2014.pdf
http://werner-mendling.de/wp-content/uploads/Vestibulodynie-2.pdf
http://www.frauenheilkunde-aktuell.ch/frauenheilkunde-d/PDF-Ordner-FHA-Frauenheilkunde-aktuell/Frauenheilkunde-Aktuell-Ausgabe-12-01/FHA-Artikel_Thema-Schmerzhafte-Vulva-Vulvodynie-Vestibulitis.pdf
aktualisiert am 31.01.2020