Die Vesselplastie ist ein modernes operatives Verfahren zur Versorgung von Wirbelkörperbrüchen. Es dient der Stabilisierung des Bruches und der Aufrichtung eingesunkener Wirbelkörper. Diese Methode ist eine Weiterentwicklung der bereits länger bekannten und angewandten Verfahren wie der Kyphoplastie und Vertebroplastie. Die Vesselplastie erfolgt in einem minimal-invasiven Eingriff, es sind also nur kleine Zugänge nötig.
Eine Vesselplastie kann durchgeführt werden, wenn ein Wirbelkörper durch einen Unfall oder eine Erkrankung gebrochen oder in sich zusammen gesunken (gesintert) ist. Besonders häufig kommen Wirbelkörperbrüche bei Menschen mit Osteoporose vor, da bei dieser Krankheit die Knochenstruktur ausgedünnt ist und die Wirbel weniger stabil sind. Schon bei geringer Belastung oder an sich harmlosen Stürzen kann es bei der Osteoporose zu Brüchen der Wirbelkörper kommen. Doch auch bei nicht vorgeschädigten Wirbelknochen ist im Rahmen einer Verletzung ein Bruch möglich.
So genannte Sinterungsbrüche entstehen, wenn im Laufe der Zeit durch häufige, alltägliche Belastung die Wirbelkörper in sich zusammen sinken, weil die Knochenbälkchen nicht mehr stark genug sind, um die Wirbelkörper zu stabilisieren. Dadurch kommt es zu einer Formveränderung der Wirbelkörper: Sie sind an der Vorderkante niedriger als an der Hinterkante, so dass sich im seitlichen Röntgenbild eine Keilform darstellt. Sind mehrere Wirbelkörper derartig verformt, kommt es zu einer verstärkten Krümmung der Brustwirbelsäule nach vorn, dem so genannten Witwenbuckel (Hyperkyphose).
Eine operative Versorgung von Wirbelbrüchen wird durchgeführt, wenn die Patienten starke Schmerzen haben, die sich mit einer konservativen (nichtchirurgischen), medikamentösen Therapie nicht behandeln lassen. Die Stabilisierung eines Wirbelkörpers durch eine Vesselplastie kann auch bei gutartigen oder bösartigen Knochentumoren sowie bei Osteonekrose (Erkrankung des Knochens, bei der das Gewebe abstirbt) angewendet werden.
Das Prinzip der Vesselplastie ist es, Knochenersatzmaterial in den eingesunkenen oder gebrochenen Wirbelkörper einzubringen, das den Wirbel stabilisiert und aufrichtet.
Für die Operation liegt der Patient auf dem Bauch, so dass die Wirbelsäule entlastet ist und ein Zugang zum gebrochenen Wirbel über den Rücken möglich ist. Der Patient kann in Vollnarkose behandelt werden, möglich sind aber auch eine regionale Betäubung und eine Operation im Dämmerschlaf.
Am Operationstisch befindet sich ein Röntgengerät, mit dem der Operateur ständig die Position der Geräte und seine Arbeitsschritte kontrollieren kann. Zu Beginn wird mit Hilfe von laufenden Röntgenaufnahmen (Durchleuchtung) der gebrochene Wirbel auf dem Rücken mit einem speziellen Hautstift angezeichnet und die Zugangswege markiert. Zum Einführen der Operationsgeräte benötigt der Arzt zwei kleine Hautschnitte rechts und links der Rückenmitte (minimal-invasives Verfahren).
Wie bei den Operationsmethoden der Kyphoplastie oder Vertebroplastie werden anschließend zwei Führungsstäbe durch diese Hautschnitte über die Wirbelbögen bis zum Wirbelkörper vorgeschoben. Dabei wird die Position der Führungsstäbe unter Durchleuchtung kontrolliert. Hat der Operateur beide Führungsstäbe korrekt positioniert, wird der innere Teil der Führungshilfe entfernt, so dass eine Kanüle im Wirbel verbleibt. Über diese Hohlnadel kann nun ein feiner Bohrer eingeführt werden, der im Wirbelkörper einen dünnen Hohlraum schafft, in dem später das Implantat positioniert werden kann.
Die Besonderheit der Vesselplastie liegt in dem speziellen Ballon, der zur Aufrichtung des Wirbelkörpers verwendet wird. Es ist eine Art feinmaschiger Korb, der in seiner Struktur dem Gewebe des Wirbelkörpers sehr ähnlich ist. Der Korb ist zunächst nicht entfaltet, so dass er eng an der Spitze des Operationsgeräts anliegt wie eine elastische Strumpfhose. So wird er über die Hohlnadel bis in den Wirbelkörper und in den zuvor geschaffenen Raum vorgeschoben. In diese engmaschige Hülle wird nun ein zäher Knochenzement eingespritzt, so dass sie wie ein Ballon gedehnt wird und den Wirbelkörper möglichst gut aufrichtet. Der Knochenzement ist ein spezielles Implantatmaterial, das dem natürlichen Knochen in seinen Eigenschaften sehr ähnlich ist und sich gut mit dem umliegenden Gewebe verzahnt. So wird das Implantat im Wirbel verankert und kann diesen stabilisieren.
Der für die Vesselplastie verwendete Korb wird mitsamt seiner Zementfüllung im Wirbelkörper belassen. Ist das Implantatmaterial nach wenigen Minuten ausgehärtet, kann der Korb mit dem Zement von dem eingeführten Draht entkoppelt werden. Anschließend können auch die beiden Hohlnadeln entfernt werden. Das Ergebnis wird nochmals über Röntgenaufnahmen kontrolliert. Die Hautschnitte werden mit ein oder zwei Stichen vernäht.
Die ursprünglichen Verfahren zur Behandlung von Wirbelbrüchen sind der Vesselplastie sehr ähnlich. Bei der Vertebroplastie wird der Knochenzement direkt ohne vorherige Aufdehnung in den Wirbelkörper eingespritzt. Im Rahmen der Kyphoplastie wird der Wirbelkörper zunächst aufgerichtet, indem man einen Ballon im Wirbelkörper platziert, der unter hohem Druck aufgepumpt und anschließend wieder entfernt wird. Der so entstandene zylinderförmige Hohlraum wird mit Knochenzement aufgefüllt.
Bei der Vesselplastie wird dagegen ein Korb verwendet, der mit Knochenzement gefüllt wird und im Wirbelkörper als Implantat verbleibt. Der Vorteil dieser Methode liegt darin, dass deutlich seltener Knochenzement ungewollt aus dem Wirbelkörper ins umliegende Gewebe, die Bandscheiben, den Rückenmarkskanal oder sogar in die Blutgefäße austritt. Dies wird durch den stabilen Korb gewährleistet, in dem das Material "gefangen" ist.
Bevor eine Vesselplastie geplant und durchgeführt wird, muss von einem Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie eine ausführliche Anamnese (Krankengeschichte) erhoben werden, um Ursache des Wirbelbruchs, Vorerkrankungen oder mögliche Kontraindikationen (Gegenanzeigen) gegen eine Operation festzuhalten. Außerdem sollte eine umfassende körperliche Untersuchung erfolgen.
Unerlässlich sind für die Planung der Operation Röntgenbilder in zwei Ebenen, also von hinten und von der Seite, sowie eine hoch auflösende Bildgebung mittels Computertomographie. Auch eine Magnetresonanztomographie ist möglich. In diesen Bildern kann der Arzt sehen, welchen Grad der Bruch hat, wie viele Wirbelkörper betroffen sind und ob eine Operation möglich und erfolgversprechend ist. Bei einigen Formen von Wirbelbrüchen ist keine minimal-invasive Operation möglich, so dass ein anderes Verfahren (eventuell offene OP) zur Behandlung gewählt werden muss.
Der Patient muss vor dem Eingriff über alle Risiken und Erfolgsaussichten der Operation aufgeklärt sein und sich mit dem Eingriff einverstanden erklären.
Trotz der Verbesserung und Weiterentwicklung dieser Techniken kann es immer noch zu einem ungewollten Austritt von Knochenzement während des Einspritzens kommen. Gelangt das Material in den Rückenmarkskanal oder in die Nervenaustrittstellen zwischen zwei benachbarten Wirbeln, kann dies zu motorischen (die Bewegung betreffenden) und sensiblen (den Gefühlssinn betreffenden) Ausfällen bis hin zu Lähmungen führen.
Tritt Knochenzement in die umliegenden Venen oder Arterien über, kann es zu Gefäßverschlüssen (Embolien) mit Mangeldurchblutung des betroffenen Gewebes und im schlimmsten Fall zu Organschäden kommen. Unsicher ist bisher, ob die durch das Implantat veränderte Struktur des Wirbels das Risiko weiterer Brüche der benachbarten Wirbelkörper erhöht.
Des Weiteren gelten die Operationsrisiken, die bei anderen chirurgischen Eingriffen ebenfalls vorkommen. Möglich sind beispielsweise die Schädigung umgebenden Gewebes, Blutungen, Narben, Infektionen und Wundheilungsstörungen.
Die Vesselplastie ist ein schnelles, minimal-invasives Verfahren, für das erfahrene Operateure zehn bis zwanzig Minuten benötigen und das keine längeren Krankenhausaufenthalte erfordert. In der Regel können Patienten nach einem stationären Aufenthalt von etwa fünf Tagen die Klinik wieder verlassen und sind dann im Alltag mobil. Schwere körperliche Belastung sollte jedoch in den ersten Monaten nach dem Eingriff, bei Osteoporose generell, vermieden werden.
Die Vesselplastie zeigt ebenso wie ihre Vorläuferverfahren gute bis sehr gute Ergebnisse. Die Patienten haben nach einer Vesselplastie deutlich weniger Schmerzen als vor dem Eingriff. Allerdings scheint diese Methode keine wesentlich besseren Ergebnisse hinsichtlich der Stellungskorrektur, also der Aufrichtung der Wirbelkörper, zu bieten im Vergleich zur Kyphoplastie.
Bemerkenswert ist jedoch, dass die Komplikationsrate durch Verschleppung von Knochenzement deutlich geringer ist als bei der Kyphoplastie oder Vertebroplastie. Da die Vesselplastie ein relativ neues Verfahren ist, liegen bisher noch keine Studien zu Langzeitergebnissen vor, so dass sich noch nicht sagen lässt, wie stabil die Versorgung der Wirbelbrüche über die Jahre ist.
Die Vesselplastie ist ein sehr sicheres Verfahren, das bei korrekter Durchführung nur selten zu nennenswerten Komplikationen führt und sehr gute Ergebnisse ermöglicht. Dennoch ist wie bei jeder Operation keine Garantie für den Erfolg des Eingriffs möglich. Es kann vorkommen, dass die Schmerzen und Beschwerden auch nach dem Eingriff nicht besser werden oder sich durch eventuelle Komplikationen sogar verschlimmern. In welchem Rahmen ein Erfolg von der Vesselplastie zu erwarten ist, müssen Patienten individuell mit ihrem Arzt klären.
Es besteht prinzipiell die Möglichkeit, einen Wirbelbruch rein konservativ mit Schmerzmedikamenten, Entlastung mithilfe von Orthesen (Korsetts) und dem Training des Rückens im Rahmen der Physiotherapie zu behandeln. Bei Brüchen, die nicht mit einer Formveränderung des Wirbels einhergehen, ist dies immer noch Mittel der Wahl.
Als operative Alternative zur Vesselplastie kann einer Versorgung des Wirbelbruchs mit den älteren Methoden Kyphoplastie, Vertebroplastie oder Spongioplastie erfolgen. Auch eine Versteifung einiger Wirbelsäulensegmente mit speziellen Schrauben-Stangen-Systemen kann notwenig werden, insbesondere bei komplizierten Brüchen. Welche Methode zur optimalen Behandlung des Wirbelbruchs möglich ist, kann nur ein Facharzt im Einzelfall unter Betrachtung aller Aspekte entscheiden.
aktualisiert am 18.01.2021