Prof. Kaufmann: Bis zum Alter von 3-4 Jahren bekommen Kinder ein klareres Bild von einem Gegenstand, wenn sie ihn mit dem Mund, anstatt mit den Händen, „begreifen“.
Prof. Kaufmann: Zunächst muss man unterscheiden, dass „Verschlucken“ bedeuten kann, dass etwas unbeabsichtigt in die Speiseröhre oder in die Luftröhre gerät. Beides hat nicht immer eindeutig zu unterscheidende Zeichen. Alles, was attraktiv aussieht und in den Mund hineinpasst, wird verschluckt. In Europa sind das vor allem Münzen und andere Gegenstände aus dem täglichen Alltag wie Haarspangen, Schmuck- und Spielzeugteile und bei den Nahrungsmitteln vor allem Nüsse, Kerne und rohe Möhren. Aber auch Knopfzellbatterien sind im Alltag sehr präsent, werden regelhaft verschluckt und sind extrem gefährlich.
Alles, was attraktiv aussieht und in den Mund hineinpasst, wird verschluckt.
Prof. Kaufmann: Wenn – wie so oft – das Verschlucken nicht beobachtet wurde, sind vor allem Schmerzen im Hals- und Brustbereich sowie Schluckstörungen typische Zeichen, dass ein Fremdkörper im Hals oder in der Speiseröhre steckt. Weil die Speiseröhre direkt hinter der Luftröhre ist, können Fremdkörper dort aber auch Probleme wie Atemgeräusche und Luftnot verursachen. Wenn es beim Ereignis zu einem sehr heftigen Husten kommt, ist der Fremdkörper meist eingeatmet worden. Vor allem wenn Kinder mit Nüssen oder Ähnlichem im Mund toben, lachen oder sich erschrecken ist die Gefahr für eine solches Einatmen von Fremdkörpern groß.
Prof. Kaufmann: Wenn es eine Knopfzellbatterie war, muss sofort gehandelt und so schnell es geht eine (Kinder-)Klinik aufgesucht werden. Wenn es dem Kind gut geht, kann man selber mit dem Kind fahren, ansonsten muss der Rettungsdienst gerufen werden. Die Batterien bleiben in der Regel in der Speiseröhre stecken und verursachen durch den Stromfluss eine schwere chemische Verätzung. Diese führt oft zu einer massiven Entzündung der Speisröhre und später auch eine Gangbildung in die Luftröhre oder in Blutgefäße mit unter Umständen tödlichen Komplikationen!
Bei einer Knopfzellbatterie muss sofort gehandelt und so schnell es geht eine (Kinder-)Klinik aufgesucht werden.
Kinder, die älter sind als ein Jahr sollen zusätzlich auf dem Weg ins Krankenhaus alle 10 Minuten 10 ml Honig schlucken und nichts sonst trinken, wodurch die Verätzung etwas gemildert werden kann. Bei kleinen und unkomplizierten Fremdkörpern, die heruntergeschluckt wurden, kann man im Zweifel in einer Kindernotaufnahme anrufen und abklären, ob es nötig ist, zu kommen. Und sonst eben auch das Kind in einer Klinik vorstellen. Was man sonst akut machen muss, richtet sich nach den Problemen, die das Kind hat. Bei Luftnot ist immer der Rettungsdienst zu rufen.
Anders ist die Situation, wenn das Kind unmittelbar beim Ereignis sehr heftig gehustet hat und daher zu vermuten ist, dass der Fremdkörper oder die Nahrung in die Luftröhre geraten ist. Oft geht es dann den Kindern zwar erstmal viel besser, was aber keinesfalls heißt, dass sie den Fremdkörper abgehustet haben. Oft ist er nur tiefer in die Lunge geraten und macht dort – erstmal – keine Beschwerden mehr. Daher muss in einem solchen Fall immer eine Kinderklinik aufgesucht und eine Bronchoskopie durchgeführt werden. Lebensbedrohliche Situationen sind unmittelbar beim Ereignis zum Glück sehr selten, aber dann muss der Rettungsdienst gerufen werden. Zudem sind Rückenschläge bei Säuglingen angezeigt, die versuchen zu atmen, aber das bei verlegtem Atemweg nicht schaffen. Wenn die Kinder dann schlaff und leblos sind, muss eine Wiederbelebung versucht werden.
Die Batterien bleiben in der Regel in der Speiseröhre stecken und verursachen durch den Stromfluss eine schwere chemische Verätzung.
Prof. Kaufmann: Fremdkörper, die den Magen erreicht haben und chemisch-physikalisch inaktiv sind, machen in der Regel keine Beschwerden und verlassen den Darm meist auf natürlichem Weg wieder. Am besten sollte aber in jedem Fall mindestens einmal kurz telefonisch mit einer Kinderarztpraxis oder Kinderklinik Rücksprache gehalten werden.
Prof. Kaufmann: Knopfzellbatterien stecken meist in der oberen Speiseröhre fest und können dort „ganz einfach“ mit einem Laryngoskop und einer Zange geborgen werden. Das sollten alle Behandelnden können, die beides regelmäßig verwenden! Für alles andere hat eine kompetente Kinderendoskopie für alle Gewichtsklassen passende Geräte und erfahrenes Personal, mit denen in den Magen-Darm-Trakt und auch in die gesamte Lunge hineingeschaut und z.B. mit Fasszangen die Fremdkörper geborgen werden können.
Prof. Kaufmann: Das hängt von der Erfahrung der Durchführenden und der Größe der Kinder ab, ob man eine „echte Vollnarkose“ oder nur einen medikamentenerzwungenen Schlaf braucht. In jedem Fall bekommen die Kinder die Maßnahmen nicht mit.
Prof. Kaufmann: Nach der Bergung von Fremdkörpern aus der Lunge sind die Atemwege erstmal gereizt und die Kinder husten oft mehr als zuvor. Nachdem diese sich beruhigt haben, geht es den Kindern aber besser als zuvor. Und bei Bergungen aus dem Magen-Darm-Trakt merken die Kinder in der Regel gar nichts von der Untersuchung, außer dass sie zum Beispiel endlich wieder schlucken können.
Prof. Kaufmann: Ein Fremdkörper, der länger als 24 Stunden in der Lunge ist, wird mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr abgehustet werden können und das abhängige Lungengewebe wird auf Dauer zerstört. Dies unterstreicht, dass bei einem, wie oben beschriebenen typischen Ereignis mit heftigem Husten, immer eine Bronchoskopie durchgeführt werden sollte. Fremdkörper, die den Magen erreicht haben und auf natürlichem Weg abgehen, werden sehr individuell entweder noch am gleichen Tag, meist nach 3-4 Tagen oder spätestens nach einer Woche ausgeschieden.
Ein Fremdkörper, der länger als 24 Stunden in der Lunge ist, wird mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr abgehustet werden können und das abhängige Lungengewebe wird auf Dauer zerstört.
Prof. Kaufmann: Chemisch-physikalisch aktive, nadelartige Fremdkörper oder auch Batterien (aktuell wurde der Nachweis erbracht, dass auch die aus Europa nicht Magensäureresistent sind) sollten geborgen werden, wenn die Kinder nüchtern sind und solange der Gegenstand sich noch im Magen befindet. Hinter dem Magen ist es fast nie möglich, die Gegenstände durch eine Endoskopie zu bergen. Manchmal bleibt auch ein „unkomplizierter“ Gegenstand, wie eine Münze, einfach im Magen liegen. Wenn dieser also nicht in der Windel gefunden wurde, sollte man nach einer Woche nochmal schauen. Im Fall einer Münze wäre dann ein erneutes Röntgenbild angezeigt, um zu sehen, ob sie noch im Magen liegt.
Prof. Kaufmann: Eine Magenspülung ist eine Maßnahme, die nur bei manchen Vergiftungen sinnvoll ist. Wann dies der Fall ist, kann man bei den Giftnotruf-Zentralen erfragen.
Vielen Dank für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 29.02.2024.