Prof. Arning: Die Carotisstenose ist eine Gefäßverengung der Halsarterie (Arteria carotis), die am häufigsten als Folge von Atherosklerose entsteht, einer degenerativen Erkrankung arterieller Gefäßwände. Atherosklerose entwickelt sich bevorzugt in bestimmten Arterien wie Herzkranzgefäßen, hirnversorgenden Arterien und Beinarterien und verursacht Herzinfarkte, Schlaganfälle und Durchblutungsstörungen der Beine. An der Arteria carotis ist besonders häufig der Halsabschnitt betroffen, an der Aufzweigung der Arterie in einen Ast zum Gehirn (A. carotis interna) und einen Ast, der den Kopf von außen versorgt (A. carotis externa).
Prof. Arning: Atherosklerose als häufigste Erkrankung, die zur Carotisstenose führt, ist sehr oft genetisch bedingt, dann sind häufig schon bei Blutsverwandten (Eltern, Großeltern) Herzinfarkte und/oder Schlaganfälle aufgetreten. Einfluss auf die Ausprägung der Atherosklerose haben außerdem Gefäß-Risikofaktoren wie Nikotin, hohes Cholesterin, Diabetes mellitus und Bluthochdruck. Wenn ein genetisches Risiko besteht, ist die Beachtung behandelbarer und vermeidbarer Risikofaktoren besonders wichtig.
Seltenere Ursachen von Carotisstenosen sind Gefäßentzündung (Vaskulitis), Verletzung der Arterie etwa bei Schleudertrauma der Halswirbelsäule oder bei ruckartiger Kopfbewegung (Dissektion) sowie Knickstenosen bei Gefäßschleifen.
Wenn ein genetisches Risiko besteht, ist die Beachtung behandelbarer und vermeidbarer Risikofaktoren besonders wichtig.
Prof. Arning: Eine Carotisstenose bleibt meist über lange Zeit symptomfrei. Deshalb ist die frühzeitige präventive Untersuchung bei Menschen mit einem erhöhten Atherosklerose-Risiko wichtig. In 80% der Fälle treten Schlaganfälle, die von Carotisstenosen ausgehen, ohne Vorboten auf. Manchen Schlaganfällen geht eine Transitorisch-ischämische Attacke (TIA) als Vorbote voraus, das sind Mini-Schlaganfälle mit Lähmungen, Gefühlsstörungen oder Sprachstörungen, die nur kurz anhalten und gering ausgeprägt sind.
Bei Carotisstenose durch Dissektion, etwa nach ruckartiger Kopfbewegung, einer der häufigsten Schlaganfallursachen bei Menschen im Alter unter 50 Jahre, tritt einige Tage vor dem Schlaganfall meist ein akuter einseitiger Kopfschmerz auf.
Prof. Arning: Wenn Atherosklerose an der A. carotis vorliegt, sollten Risikofaktoren frühzeitig behandelt werden, um der Entwicklung einer Carotisstenose möglichst vorzubeugen. Auch wenn bereits eine Carotisstenose vorliegt, sollten alle Möglichkeiten der medikamentösen Behandlung ausgeschöpft werden: Cholesterinsenkung, Blutdruckeinstellung und Diabetesbehandlung.
Bei mittel- und hochgradigen Stenosen, von denen bereits Symptome eines leichten Schlaganfalls oder einer TIA ausgegangen sind, ist das Risiko eines schweren Schlaganfalls so hoch, dass meist eine OP oder Stent-Angioplastie indiziert ist. Bei bisher asymptomatischen Carotisstenosen ist mit Ultraschall zu prüfen, ob ein erhöhtes Schlaganfallrisiko vorliegt: die medikamentöse Behandlung ist dann möglicherweise nicht ausreichend.
Hinweise auf ein erhöhtes Risiko sind eine rasche Zunahme des Verengungsgrades bei Verlaufsuntersuchungen, ein Gefäßverschluss auf der Gegenseite bei bereits hohem Verengungsgrad und bestimmte Ultraschall-Bildkriterien: eine sogenannte echoarme Struktur der Stenose (noch ohne Kalkeinlagerungen).
Wenn Atherosklerose an der A. carotis vorliegt, sollten Risikofaktoren frühzeitig behandelt werden, um der Entwicklung einer Carotisstenose möglichst vorzubeugen.
Prof. Arning: Das Schlaganfallrisiko der beiden Methoden unterscheidet sich kaum und ist relativ gering. Bei älteren Patienten ist die konventionelle OP wahrscheinlich vorteilhaft. Vor einem Eingriff sollten beide Behandler gemeinsam prüfen, welche Methode am besten geeignet ist und für den jeweiligen Gefäßbefund das geringere Risiko hat. Stark verkalkte und in einer Gefäßschlängelung lokalisierte Carotisstenosen können besser operiert werden. Sehr hoch gelegene, in Richtung auf die Schädelbasis lokalisierte Stenosen sollten mit Carotis-Stenting behandelt werden.
Prof. Arning: Wesentliches Risiko ist das Auftreten eines Schlaganfalls, was ja durch den Eingriff gerade verhindert werden soll. Deshalb sind die Risiken der Carotisstenose und die Risiken der Behandlung vorher sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Da bei Menschen mit Carotisstenose durch Atherosklerose oft auch eine koronare Herzkrankheit vorliegt, kann selten unter dem Stress der OP ein Herzinfarkt auftreten, deshalb sollte der kardiologische Befund präoperativ überprüft werden und stabil sein.
Prof. Arning: Besonders wichtig ist bei Menschen mit sehr hochgradigen Carotisstenosen nach OP oder Carotis-Stenting eine sorgfältige Blutdrucküberwachung und -einstellung. Wenn das Hirngebiet hinter einer hochgradigen Carotisstenose, in dem das Blut über lange Zeit nur mit geringem Druck ankam, nach dem Eingriff plötzlich einem sehr hohen Druck ausgesetzt ist, kann eine Hirnblutung entstehen.
Prof. Arning: Eine asymptomatische Carotisstenose kann stabil und asymptomatisch bleiben, wenn die Risikofaktoren gut behandelt sind. Da der Stenosegrad aber im Verlauf – auch unter optimaler Therapie – zunehmen kann, sollte der Gefäßbefund mit Ultraschall regelmäßig kontrolliert werden. Bei stabilen Stenosebefunden werden jährliche Kontrolluntersuchungen empfohlen, bei Befundzunahmen werden die Intervalle für Kontrollen verkürzt.
Prof. Arning: Gesunde Ernährung und Lebensweise, regelmäßige körperliche Bewegung und Nichtrauchen sind die Basis für eine Prävention der Atherosklerose, der Hauptursache für Carotisstenosen. Sehr wichtig ist jedenfalls die Beachtung des genetischen Risikos: bei Herzinfarkten, Schlaganfällen, oder auch bekanntermaßen hohen Cholesterin- und Blutdruckwerten bei Blutsverwandten sollten die Gefäß-Risikofaktoren geprüft und ggf. behandelt werden.
Wenn Risikofaktoren vorhanden sind, insbesondere auch, wenn ein genetisches Risiko vorliegt, wäre mittels Duplexsonographie der hirnversorgenden Arterien zu prüfen, ob bereits eine Atherosklerose der A. carotis erkennbar ist. Bei Nachweis von Atherosklerosebefunden sollten diese im Verlauf kontrolliert werden, bei Stenosen jährlich, bei Vorstufen alle 2 bis 3 Jahre. Wenn eine Zunahme des Befunds erkennbar wird, sollte die medikamentöse Therapie angepasst werden, z.B. durch eine stärkere Cholesterinsenkung.
Gesunde Ernährung und Lebensweise, regelmäßige körperliche Bewegung und Nichtrauchen sind die Basis für eine Prävention der Atherosklerose, der Hauptursache für Carotisstenosen.
Prof. Arning: Die wissenschaftlichen Grundlagen zur Behandlung hochgradiger Carotisstenosen mittels OP oder Carotis-Stenting liegen seit mehreren Jahren vor, hier gibt es keine neuen Entwicklungen. Auch für die Diagnostik von Carotisstenosen bleibt Ultraschall weiterhin die Methode der ersten Wahl, wie die S3-Leitlinie Carotisstenose in ihrer kürzlich publizierten Neufassung bestätigt hat. Gegenstand aktueller Forschung sind vor allem Ursachen und Risiken von Atherosklerose wie die frühzeitige Erkennung genetischer Risiken und die präventive Cholesterinsenkung.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 16.07.2024.