Prof. Reichrath: Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Grundsätzlich kann man sagen: "Die Dosis macht das Gift". Es ist wichtig zu wissen, dass Sonnenbestrahlung in Maßen eher gesund ist. Nur im Übermaß kann sie schädlich sein. Die entscheidende Frage ist jedoch, was genau bedeutet es, die Sonne in Maßen zu genießen? In erster Linie bedeutet es, Sonnenbrand zu vermeiden! Das ist praktisch das entscheidende Maß. Sobald ein Sonnenbrand auftritt, hat man definitiv zu viel Sonne abbekommen. Leider verfügt unser Körper nicht über ein Frühwarnsystem, das uns vor zu viel Sonne warnt. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass es keine allgemein gültige Zeitangabe in Minuten gibt, wie lange sich jeder Mensch in der Sonne aufhalten kann. Dies hängt von vielen Faktoren ab, wie der Tageszeit, der Jahreszeit, dem Aufenthaltsort und auch von individuellen Faktoren wie dem Hauttyp oder der Einnahme von Medikamenten, die die Lichtempfindlichkeit beeinflussen können. Jeder Mensch reagiert unterschiedlich empfindlich auf Sonneneinstrahlung.
Prof. Reichrath: Übermäßiges Sonnenbaden erhöht das Hautkrebsrisiko. Es gibt zwei Arten von Hautkrebs, den hellen Hautkrebs und den schwarzen Hautkrebs (das Melanom). Letzterer ist wesentlich gefährlicher. Der helle Hautkrebs ist in der Regel gut behandelbar und weniger bedrohlich. Dennoch gilt für den hellen Hautkrebs: "Die Haut vergisst keine Bestrahlung". Helle Hautkrebstumore treten vor allem im höheren Lebensalter auf, insbesondere an Stellen, die häufig der Sonne ausgesetzt waren. Das Melanom hingegen kann durch häufiges Einwirken von kurzzeitiger intensiver UV-Strahlung begünstigt werden, insbesondere durch Sonnenbrände in der Kindheit. Sonnenbrände sollten unbedingt vermieden werden, um das Melanomrisiko zu minimieren. Chronische, aber geringe UV-Expositionen erhöhen das Melanomrisiko wahrscheinlich nicht. Es gibt sogar Hinweise auf einen leichten Schutzeffekt.
Übermäßiges Sonnenbaden erhöht das Hautkrebsrisiko.
Prof. Reichrath: UV-Strahlung beschleunigt die Hautalterung. Daneben gibt es weitere negative Effekte, z.B. kann die Körpertemperatur durch Sonneneinstrahlung ansteigen. Hautkrebs und Hautalterung sind jedoch für die Hautgesundheit von entscheidender Bedeutung.
Prof. Reichrath: Deutschland ist unter den bestehenden Lebensbedingungen praktisch ein Vitamin-D-Mangelland. Man kann Vitamin D auch über die Nahrung aufnehmen, aber leider nur einen kleinen Teil, etwa bis zu 20%. Der überwiegende Teil des von uns benötigten Vitamin D (oft 80-90%) wird unter UV-Exposition in der Haut gebildet. Unsere Lebensumstände führen dazu, dass etwa 60% unserer Bevölkerung zu allen Jahreszeiten und in allen Bevölkerungsgruppen unter Vitamin-D-Mangel leidet.
Dies hat schwerwiegende Folgen für die Gesundheit. Im Gegensatz zu früher wissen wir heute, dass ein Vitamin-D-Mangel nicht nur für verschiedene Erkrankungen des Knochen- und Kalziumstoffwechsels verantwortlich ist, sondern auch mit zahlreichen anderen wichtigen Krankheitsgruppen in Verbindung gebracht wird. Er ist zum Beispiel mit einem erhöhten Risiko und einem ungünstigen klinischen Verlauf von Infektionskrankheiten, Krebs, Stoffwechselstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen assoziiert. Das sind ernsthafte Probleme, die wir uns damit einhandeln.
Das heißt, in Maßen genossen, überwiegen die positiven Effekte der UV-Strahlung auf die Gesundheit, weil sie unsere Vitamin D Versorgung verbessern und den Vitamin-D-Mangel eindämmen. Auf der anderen Seite sollten wir aber nicht zu viel in die Sonne gehen und Sonnenbrände unbedingt vermeiden, damit die negativen Folgen nicht zu sehr in den Vordergrund treten.
Das heißt, in Maßen genossen, überwiegen die positiven Effekte der UV-Strahlung auf die Gesundheit...
Prof. Reichrath: Mit einer Dosierung von 1.000 bis 2.000 Einheiten pro Tag, die ich über das ganze Jahr hinweg empfehle, werden bereits sehr gute Ergebnisse erzielt. Neue Studien, die auch in unserer Klinik durchgeführt wurden, zeigen, dass in Deutschland etwa 95 % der erwachsenen Bevölkerung damit ihren Bedarf an Vitamin D decken könnten. Diese Dosierung liegt über den empfohlenen Richtlinien, aber es hat sich gezeigt, dass sie den Vitamin D-Spiegel effektiv aufrechterhält.
Prof. Reichrath: UVA-Strahlen sind das ganze Jahr über relevant, auch im Winter. Deshalb sind sie auch in der dunklen Jahreszeit zu beachten. Im Gegensatz dazu ist die UVB-Strahlung praktisch nur dann relevant, wenn die Gefahr eines Sonnenbrandes besteht, was im Winter fast nie der Fall ist. Leider schützt eine Sonnencreme uns nicht nur vor Hautkrebs und Hautalterung sondern blockiert auch die Vitamin D Synthese in der Haut. Die UVB-Strahlen werden durch die Atmosphäre stark gefiltert, insbesondere im Winter, wenn ihr Weg durch die Atmosphäre aufgrund des ungünstigen Sonnenwinkels sehr lang ist.
Das bedeutet, dass im Winter fast keine UVB-Strahlen zur Erdoberfläche durchgelassen werden, was wiederum bedeutet, dass man kaum oder gar keinen Sonnenbrand bekommt. Deshalb ist es meiner Meinung nach nicht notwendig, sich im Winter mit Sonnencreme einzucremen. Viele Menschen benutzen Sonnencreme, um die Hautalterung zu verlangsamen. UVA-Strahlen, die zur Hautalterung beitragen, können durch Sonnencremes abgefangen werden. Wer sich also auch im Winter konsequent vor Hautalterung schützen will, kann Sonnencreme verwenden.
Prof. Reichrath: Die Synthese von Vitamin D ist nur möglich, wenn UVB-Strahlen die Haut erreichen. Darüber hinaus werden auch andere Botenstoffe und Hormone durch UV-Strahlen in der Haut gebildet. Dazu gehören Glückshormone wie Endorphine sowie zahlreiche weitere Hormone und Botenstoffe. UV-Strahlung ist also für diese Prozesse in der Haut unentbehrlich.
Prof. Reichrath: Es ist wichtig, auf die Tages- und Jahreszeit zu achten, um die maximale bodennahe UV-Strahlung einzuschätzen. Die UV-Strahlung ist am stärksten, wenn der Weg der Strahlen durch die Atmosphäre am kürzesten ist. Dies ist typischerweise um die Mittagszeit oder im Hochsommer der Fall. Dann ist vor allem die UVB-Belastung an der Erdoberfläche am höchsten, weil weniger UVB-Strahlen von der Atmosphäre gefiltert werden.
Prof. Reichrath: Die Einstufung des individuellen Hauttyps ist nicht immer einfach und sollte in der Regel von einem Fachmann, z.B. einem Hautarzt, vorgenommen werden. Es gibt aber auch Hilfsmittel im Internet, z.B. vom Bundesamt für Strahlenschutz, mit denen man seinen Hauttyp grob bestimmen kann. Der individuelle Hauttyp hängt von verschiedenen Faktoren wie der Pigmentierung der Haut, der Haarfarbe und dem Bräunungsverhalten ab. Menschen mit hellblonden Haaren haben in der Regel einen helleren Hauttyp und sind anfälliger für Sonnenbrand und Hitzschlag. Menschen mit einem hellen Hauttyp (Typ 1-4), wie z.B. Europäer, sind wesentlich empfindlicher gegenüber Sonnenstrahlung als Menschen mit einem dunkleren Hauttyp (z.B. Nord- und Zentralafrikaner).
Der individuelle Hauttyp hängt von verschiedenen Faktoren wie der Pigmentierung der Haut, der Haarfarbe und dem Bräunungsverhalten ab.
Prof. Reichrath: Meiner Meinung nach schützt man sich am besten durch entsprechende Kleidung. Auch das Tragen eines Hutes, einer Sonnenbrille etc. ist hier sehr hilfreich. Es gibt ja in letzter Zeit eine gewisse Diskussion über Sonnencremes. Zum einen, weil gerade einige organischen UV-Filter als endokrine Disruptoren wirken können, das heißt, sie können die Hormonwirkungen im menschlichen Körper stören. Daneben gibt es aber noch weitere negative Auswirkungen, zum Beispiel auf die Umwelt. So wurde nachgewiesen, dass einige dieser organischen Filterstoffe zum Absterben von Korallenriffen in den Ozeanen beitragen können. Es gibt noch weitere negative Auswirkungen und Risiken. So sollte man vor Verwendung darauf achten, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht überschritten ist, weil einige dieser UV-Filter im Verdacht stehen, sich nach dessen Ablauf in krebserregende Stoffe umzuwandeln.
Prof. Reichrath: Generell kann gesagt werden, dass mineralische UV-Filter organischen Filtern vorzuziehen sind, obwohl auch diese nicht ganz unumstritten sind. Im Vergleich zu organischen Filtern bergen sie aber in der Regel weniger Risiken. Der Lichtschutzfaktor einer Sonnencreme sollte nicht überbewertet werden. Viel wichtiger ist die richtige Anwendung der Sonnencreme. So filtert ein Lichtschutzfaktor von 15 bereits 93% der UVB-Strahlung, ein Faktor von 50 hingegen mit bis zu 98% nur unwesentlich mehr. Wichtig ist auch, dass Sonnencremes nicht abgelaufen sind und dass diese richtig und in ausreichender Menge aufgetragen werden. So sollte für Gesicht und Hals etwa ein halber Teelöffel voll aufgetragen werden. Die Sonnencreme sollte regelmäßig alle zwei Stunden erneuert werden, bei starkem Schwitzen oder nach dem Baden in Pool, Meer oder See auch öfter.
Wichtig ist auch, dass Sonnencremes nicht abgelaufen sind und dass diese richtig und in ausreichender Menge aufgetragen werden.
Prof. Reichrath: Wie bereits angemerkt ist die Sonne meiner Meinung nach grundsätzlich sehr positiv zu sehen. Sie ist sehr wichtig für unser Leben. In Deutschland kann man in Maßen viel Zeit in der Sonne verbringen. Einen Sonnenbrand sollte man aber auf jeden Fall vermeiden. Besser ist es, sich regelmäßig und kurz der Sonne auszusetzen, dabei auf eine geringe UV-Strahlung zu achten und sich nicht zu lange ungeschützt der Sonne auszusetzen. Ein Sonnenbrand ist unbedingt zu vermeiden. Dennoch kann man die Sonne z.B. in der Mittagspause oder auf dem kurzen Weg in die Kantine genießen, um den Vitamin-D-Speicher aufzufüllen und die positiven Effekte der Sonne zu nutzen, ohne das Hautkrebsrisiko deutlich zu erhöhen.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 06.05.2024.