Bei einem Bruch des Unterkieferknochens (Unterkieferfraktur) ist entweder eine konservative Behandlung mit speziellen Schienen oder eine Operation notwendig.
Ein Unterkieferbruch entsteht in den meisten Fällen durch direkte mechanische Gewalt. Dies kann beispielsweise bei einem Unfall, einem Schlag in das Gesicht, einem Sturz oder einem Zusammenstoß beim Sport geschehen. Ungünstige anatomische Verhältnisse oder Erkrankungen des Kiefers, z. B. Kieferzysten (flüssigkeitsgefüllte Hohlräume) oder Tumore, können eine Rolle spielen bei einem Unterkieferbruch. Dieser kann dann eventuell auch ohne äußere Gewalteinwirkung auftreten.
Je nach dem Hergang können verschiedene Arten der Unterkieferfraktur an verschiedenen Stellen auftreten. Der Bruch kann in Längsrichtung, Querrichtung und Schrägrichtung verlaufen. Es können auch mehrere Bruchlinien vorhanden sein. Es gibt Stellen am Unterkieferknochen, bei denen ein Bruch besonders häufig auftritt, z. B. am aufsteigenden Ast des Unterkiefers zum Kiefergelenk hin oder im Eckzahnbereich.
Nach dem Bruch des Unterkiefers treten Schwellungen und Blutergüsse auf. Wenn die Knochenbruchstücke die Position verändern, kommt es zu Verformungen des Kiefers. Formveränderungen können jedoch übersehen werden, insbesondere wenn der Bereich geschwollen ist. Auch kann es zu tastbaren „Stufen“ kommen. Zähne können einen größeren Abstand haben, wenn die Fraktur im Kieferbereich zwischen ihnen auftritt. Oftmals passt der Biss von Ober- und Unterkiefer nicht mehr zusammen. Das Kauen ist oft erschwert und schmerzhaft. Durch Schädigung von Nerven kann es zu Gefühlsstörungen im Gesicht kommen. Nicht selten werden auch weitere Strukturen in der Umgebung in Mitleidenschaft gezogen.
Unbehandelt kann es zu einer Heilung des Bruchs in verschobener Position kommen.
Neben der Befragung des Patienten (Anamnese) erfolgt die körperliche Untersuchung mit Betrachtung und vorsichtiger Abtastung. Insbesondere wird auf eine regelrechte Schließfunktion des Kiefers geachtet. Daraufhin wird eine Röntgenuntersuchung in verschiedenen Ebenen und eventuell eine Computertomographie (CT) durchgeführt. Es muss auch eine zahnärztliche Untersuchung vorgenommen werden. Je nach anderen möglichen Verletzungen müssen gegebenenfalls weitere Untersuchungen folgen.
Die Unterkieferfraktur muss von einer bloßen Prellung oder anderen Verletzungen unterschieden werden.
Damit der Bruch regelrecht wieder einheilen kann, müssen die Fragmente gerichtet und stabilisiert werden. Es muss wieder ein normales Kauen und Sprechen möglich sein. Die Wahl des Behandlungsverfahrens (nichtoperativ oder operativ) richtet sich nach der Art des Bruches und den eventuellen Begleitverletzungen.
Für die konservative Therapie muss meist eine örtliche Betäubung oder auch eine Vollnarkose vorgenommen werden.
Die Knochenfragmente werden wieder in die richtige Position gebracht. Falls Zähne locker geworden sind oder anderweitig geschädigt sind, müssen sie oftmals gezogen werden. Nach diesen Maßnahmen werden Schienen aus Kunststoff oder Metall an den oberen und unteren Zähnen festgemacht, so dass diese dann für mehrere Wochen miteinander verbunden werden. Mit Röntgenuntersuchung wird der Befund kontrolliert. Meist kann der Mund für etwa einen Monat nicht geöffnet werden. Die Ernährung geschieht dann über eine Magensonde.
Wenn nicht genügend Zähne vorhanden sind, ein komplizierter Bruch vorliegt, der Kieferknochen sehr deformiert ist oder der Knochenbruch in Gelenknähe aufgetreten ist, ist eine Operation notwendig. Ebenso wird die Operation durchgeführt, wenn der Patient eine lange Phase der Fixierung mit Schienen nicht wünscht.
Im Mundraum oder außen unter dem Unterkiefer wird der gebrochene Knochen freipräpariert. Die Bruchstücke werden wieder in die richtige Position befördert und mit kleinen Metallplatten und Schrauben aneinander befestigt.
Bisweilen ist es auch nach der Operation notwendig, dass Oberkiefer und Unterkiefer in der regelrechten Bissstellung zeitweise miteinander verbunden werden.
Nach Verheilen der Frakturen können die Schrauben und Platten wieder herausgeholt werden, können aber in manchen Fällen auch belassen werden.
Die Verletzung betrifft oft nicht bloß den Unterkieferknochen. Daher müssen gegebenenfalls über die beschriebenen Eingriffe hinausgehende Maßnahmen getroffen werden. Auftretende Komplikationen können es ebenfalls erforderlich machen, dass andere Maßnahmen als geplant vorgenommen werden.
In den ersten Tagen nach der Operation ist der Bereich häufig geschwollen und eventuell schmerzhaft. Strukturen in der Nähe können verletzt werden. Bei einer Durchtrennung von Nerven kann es zu Taubheitsgefühl, Lähmungserscheinungen oder weiteren Ausfällen kommen, was zeitlich begrenzt, aber auch dauerhaft sein kann. Eine Empfindlichkeit gegen Berührung und Temperaturschwankungen kann vorhanden sein. Es kann zu Infektionen und Wundheilungsstörungen kommen. Gewebe kann absterben, z. B. auch Anteile des Knochens. Auch Zähne beziehungsweise Zahnwurzeln können beschädigt werden. Durch überschießende Narbenbildung können sich ästhetische und funktionelle Nachteile ergeben. Es kann auch zur Einschränkung der Gelenkbeweglichkeit kommen. Es können allergische Reaktionen auf verwendete Materialien und Substanzen vorkommen. Fremdmaterial kann eventuell abgestoßen werden. Später kann es am Unterkiefer zur Falschgelenkbildung kommen (Pseudarthrose).
Hinweis: Dieser Abschnitt kann nur einen kurzen Abriss über die gängigsten Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Gespräch mit dem Arzt kann hierdurch nicht ersetzt werden.
Durch die gewählte Behandlung (konservativ oder operativ) ist in den meisten Fällen ein gutes Ergebnis auch nach Unterkieferfrakturen möglich, bei denen sich die Knochenstücke verschoben haben. Auch ästhetisch ist oft ein zufriedenstellender Endbefund möglich. Manchmal bleiben jedoch noch Verformungen des Unterkiefers oder Funktionseinschränkungen bestehen. Eine weitere Operation kann eventuell durchgeführt werden, um dies zu richten.
Medikamente, die die Blutgerinnung negativ beeinflussen, wie beispielsweise Marcumar® oder Aspirin®, müssen oft in Absprache mit dem Arzt weggelassen werden.
Falls die Operation unter ambulanten Bedingungen erfolgt, so muss der Patient beachten, dass er aufgrund der teils noch bestehenden Medikamentenwirkung für 24 Stunden kein Auto, keine anderen Verkehrsmittel und keine Maschinen selbst bedienen darf. Daher sollte er sich abholen lassen. Bedeutsame Entscheidungen sollten ebenfalls vertagt werden.
Eine Öffnung des Mundes ist in der Regel direkt nach einer Operation möglich, außer wenn in wenigen Fällen Ober- und Unterkiefer vorübergehend aneinander fixiert wurden. Bei der konservativen Behandlung muss der Mund im Regelfall für vier Wochen geschlossen bleiben.
Bis zum Verheilen von eventuellen Schnittwunden im Mundraum sollte nur Wasser und Tee getrunken werden. Alkohol und Kaffee sollte gemieden werden, damit die Wunde nicht gereizt wird. Daraufhin dürfen Suppe und breiige Speisen gegessen werden. Der Mund sollte nach den Mahlzeiten ausgespült werden. Beim Zähneputzen ist besondere Vorsicht geboten.
Es sollte für mehrere Wochen eine zu starke körperliche Betätigung gemieden werden. Auch beim Sprechen sollte der Patient vorsichtig sein. Kälteanwendungen sind förderlich für die Heilung, Wärme ist eher schädlich. Nach dem Eingriff sollte nicht geraucht werden, weil dadurch Wundheilungsstörungen gefördert werden.
Bei aneinander befestigtem Ober- und Unterkiefer ist es sinnvoll, Zähneputzen vom Pflegepersonal übernehmen zu lassen. In diesem Fall wird auch zunächst eine Magensonde gelegt, um darüber den Patienten zu ernähren. Bei Erbrechen muss der Kopf vorgebeugt werden, damit das Erbrochene herausfließen kann. Eine Schere sollte immer mitgenommen werden, damit bei größeren Problemen die Befestigung gelöst werden kann. In diesem Fall muss der Patient direkt danach zur Klinik oder zum Arzt gehen.
Bei Auffälligkeiten, die auf Komplikationen hindeuten könnten, sollte umgehend der Arzt beziehungsweise die Klinik informiert werden.
aktualisiert am 16.11.2023