Die Tuberkulose (TB) ist weltweit heute immer noch die häufigste lebensbedrohliche bakterielle Infektionskrankheit. Noch vor 100 Jahren starb in Mitteleuropa jeder siebte Erwachsene an der chronisch verlaufenden Tuberkulose. Mit der Entdeckung des Erregers durch Robert Koch im Jahr 1882 begann das diagnostische Zeitalter der Tuberkulose.
Große Fortschritte in der Therapie begannen jedoch erst nach dem II. Weltkrieg durch die Verfügbarkeit von Antibiotika, wie Streptomycin, Isoniazid und p-Aminosalicylsäure. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind etwa ein Drittel der Menschheit mit Tuberkelbakterien infiziert. Jährlich kommt es derzeit zu 8 Millionen Tuberkulose-Neuinfektionen und 3,5 Millionen Todesfällen. Nach Statistiken treten 80 Prozent aller Tuberkulosen in nur 22 Länder auf. Die höchsten Inzidenzen (Neuerkrankungen) finden sich in Äthiopien, Kenya, Republik Kongo, Simbabwe, Südafrika, Tanzania, Uganda, Afghanistan, Indonesien, Kambodscha, Peru und den Philippinen.
Für Europa (einschließlich Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS)) geht die WHO von 200 Millionen Infizierten aus. Mit etwa 480.000 jährlichen Neuerkrankungen sowie 76.000 Todesfällen muss pro Jahr gerechnet werden. Von steigender Bedeutung ist die Tuberkulose insbesondere in den Ländern Osteuropas und der GUS. Ursachen hierfür sind die Veränderungen der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, die vielfach zu einer Verschlechterung der Infrastruktur und der medizinischen Versorgung breiter Bevölkerungsschichten geführt haben. Ein weiterer gewichtiger Faktor ist zudem die grassierende HIV-Pandemie in dieser Region. In Deutschland wird derzeit ein weiterhin leicht rückläufiger Trend beobachtet. Die Zahl der diagnostizierten Neuinfektionen beträgt etwa 7.700 pro Jahr.
Seit 1985 haben sich die Erkrankungszahlen bis heute somit halbiert. An diesem Rückgang haben jedoch Personen aus sozial benachteiligten Gruppen sowie deren direkte Kontaktpersonen nicht den gleichen Anteil. Einen hohen Anteil an den TB-Infizierten machen dabei Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit aus, die in Ländern der GUS geboren wurden. Unter seuchenhygienischen Aspekten ist in Deutschland heute insbesondere die Migration aus den Ländern Osteuropas sowie der GUS aufgrund der dort vielfach beobachteten Erregerresistenzen gegen verschiedene Antituberkulostatika von großer Relevanz. Die Resistenzrate gegen eines der fünf Standardantituberkulostika lag 2003 in Deutschland bei 12 Prozent. Multiresistenzen wiesen nach Angaben des Deutschen Zentralkommittees zur Bekämpfung der Tuberkulose bislang unverändert nur 2 Prozent der Erregerisolate auf.
Wichtigste Säule der Tuberkulosebekämpfung ist heute die rasche Entdeckung erkrankter und infektiöser Personen sowie ein unmittelbarer Beginn der medikamentösen Therapie. Daher wird in Deutschland eine aktive Fallsuche durch Umgebungsuntersuchungen bei neuerkrankten Tuberkulosepatienten und in Hochrisikogruppen praktiziert. Hier ist nach Ansicht des Robert-Koch-Instituts, Berlin, eine gezielte Untersuchung von Kontaktpersonen ansteckungsfähiger Tuberkulosepatienten, nach Deutschland kommender Asylbewerber, Kriegsflüchtlingen und Aussiedler wie auch die aktive Betreuung anderer gefährdeter Personen, z. B. HIV-Positive, Obdachlose, Drogenabhängige und Gefängnisinsassen erstrebenswert.
Den Gesundheitsämter kommt hierbei eine ganz entscheidende Rolle zu. Die früher propagierte BCG-Impfung wird seit 1998 von der STIKO nicht mehr empfohlen. Die Gründe hierfür sind die günstige epidemiologische Situation in Deutschland, eine nicht sicher belegte Wirksamkeit der Impfung und die nicht selten vorkommenden unerwünschten Nebenwirkungen. Hinsichtlich der aktiven Impfung fand die Tatsache Berücksichtigung, dass nach Metaanalysen die Wirksamkeit nur etwa 50 Prozent betrug. Für den in Deutschland bis 1998 angewendeten BCG-Impfstoff, wurde in einer plazebo-kontrollierten Studie der WHO sogar eine Unwirksamkeit nachgewiesen. Ferner war eine Immunantwort nach der BCG-Impfung nicht ausreichend belegt. Bei der Entscheidung der STIKO wurde einer Empfehlung der WHO gefolgt, die besagt, dass eine generelle BCG-Impfung in Ländern mit einer Inzidenz von <0,1 Prozent nicht mehr durchgeführt werden sollte.
Letzte Aktualisierung am 14.02.2022.