Tollwut (Rabies) ist eine seit Jahrtausenden gefürchtete Krankheit, die weltweit auftritt. Sie wird meist durch Bisse von infizierten Tieren übertragen. In Deutschland gilt die die klassische Wildtollwut seit 2008 der Vergangenheit an. Dennoch ist das Tollwut-Virus ein tödlicher Erreger, welcher außerhalb der Grenzen Nord- und Westeuropas immer noch häufig auftritt.
Laut WHO (Weltgesundheitsorganisation) versterben jährlich 59.000 Menschen an Tollwut, die Dunkelziffer liegt schätzungsweise um ein Vielfaches höher.
Verschiedene Spezies der Lyssaviren lösen Tollwut-Erkrankungen aus. Sie können in sieben verschiedene Genotypen oder in zwei Gruppen eingeteilt werden. Sie gehören zur Familie der Rhabdoviridae. Mitglied dieser Virenfamilie ist das Rabiesvirus, das „gewöhnliche“ Tollwutvirus. Dementsprechend lauten die abgeleiteten Namen für die Tollwut oder „Wutkrankheit“ auch Lyssa und Rabies.
Tollwut ist eine Zoonose, das heißt, eine Krankheit, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden kann. Sie greift das zentrale Nervensystem an und verursacht eine Entzündung des Gehirns, welche tödlich verläuft.
Das Lyssavirus wird als Tollwut-Erreger weltweit von Hunden, Katzen, Wild- und Weidetieren sowie Fledermäusen auf ihre eigenen Populationen, Haustiere und den Menschen übertragen. Nagetiere wie Mäuse, Hamster, Ratten oder Eichhörnchen sowie Vögel können sich ebenfalls infizieren, übertragen die Viren jedoch nicht auf den Menschen.
Als Reservoir (Organismus, von dem eine Infektion ausgehen kann) sind damit ausschließlich Säugetiere bekannt. Hauptwirt ist inzwischen der Hund, von dem global 99 Prozent der menschlichen Tollwut-Infektionen ausgehen. Immunisierungen durch Futterköder führten zu einem gezielten Rückgang der an „klassischer“ Tollwut erkrankten Wildtiere in Deutschland. Länder wie Großbritannien, Irland, Tschechien, Spanien (außer Ceuta und Melilla), Portugal, Belgien, Luxemburg, Niederlande, Schweiz, Frankreich, Slowenien und die skandinavischen Länder gelten ebenfalls als tollwutfrei. Lediglich Fledermäuse können hier prinzipiell noch Formen der Tollwut übertragen.
Streunende Hunde, die das Virus übertragen, kosten im asiatischen und afrikanischen Raum jährlich bis heute viele Leben. Hierzulande werden Hunde und Freigänger-Katzen präventiv geimpft.
Tollwut bei Haustieren ist aus osteuropäischen, lateinamerikanischen, asiatischen und afrikanischen Ländern bekannt. In den USA gehören Waschbären zu den möglichen Überträgern.
Der Erreger wird durch den Biss eines infizierten Tieres weitergeben. Hat sich ein Tier angesteckt, streut der Erreger im zentralen Nervensystem, ZNS, aus und kann schließlich weitergegeben werden. Das Virus wird vor allem mit dem Speichel ausgeschieden und kann daher auch über Hautverletzungen oder anderem Kontakt mit infektiösem Material übertragen werden. Die Übertragung über Exkremente, Blut oder andere Körperflüssigkeiten ist äußerst unwahrscheinlich.
Ein Auslandsaufenthalt in Ländern mit erhöhtem Tollwutrisiko stellt auch für in Deutschland lebende Personen eine Gefahr dar. Vor einer Reise ist es wichtig, sich zu erkundigen, ob eine Impfprophylaxe gegen Tollwut sinnvoll ist. Zu bedenken ist, dass sich der Impfschutz erst 14 Tage nach der dritten Spritze aufbaut.
Zu den Regionen mit erhöhtem Risiko gehören Afrika, Asien und Südamerika. Auch in Osteuropa und in der Türkei kommt es immer wieder zu tierischen und menschlichen Tollwutfällen.
Fledermäuse sind hierzulande weiterhin ein Risikofaktor bei der Übertragung von Lyssaviren. Die verschiedenen Lyssaviren, die durch Fledermäuse übertragen werden, verursachen eine andere Art der Tollwut, welche jedoch genauso gefährlich ist für den Menschen wie die klassische Tollwut. Berufsgruppen, die häufigen Kontakt mit Fledermäusen haben, benötigen eine prophylaktische Impfung. Gerade in den Sommermonaten kommt es vor, dass Fledermäuse bei Tag aus ihrem Versteck fallen. Wenn Sie ein solches Tier finden, berühren Sie es nicht oder fassen es allenfalls mit Handschuhen an, welche die Zähne nicht durchdringen können. Sind Sie sich unsicher, rufen Sie einen lokalen Tierschutzverein, der sich dem Tier sachkundig annehmen wird.
Einer der letzten bekannten deutschen Fälle ist eine Frau, die im Jahr 2004 eine Indienreise unternahm und sich dort mit Tollwut infizierte. Später verstarb sie und diente als Organspenderin. Drei von sechs Personen, denen Organe transplantiert wurden, verstarben. Die Patienten, welche ihre Hornhäute erhielten, erkrankten nicht, sowie der zuvor geimpfte Empfänger der Leber. Eine Mensch-zu-Mensch Übertragung ist demnach möglich. Das ist auch der Fall bei Bissen und Wunden, bei denen kontaminierter Speichel berührt wird.
Die Inkubationszeit beträgt in der Regel drei bis acht Wochen, selten zeigen sich Symptome der Tollwut innerhalb der ersten neun Tage nach Infektion. In manchen Fällen kann der Ausbruch der Krankheit nach mehreren Jahren eintreten. Die Inkubationszeit verkürzt sich, je näher der Biss oder die infizierte Körperstelle am Gehirn liegt.
Die Viren laufen aus der zuerst infizierten Gewebestelle entlang der Nervenbahnen zum Gehirn. Sind sie dort angekommen, ist eine Impfung wirkungslos und der Tod wird nahezu mit Sicherheit eintreten. Nach Beginn der ersten Symptome bis zum Versterben des Wirts liegt eine Woche, selten mehr.
Steht fest, dass Tollwut bereits Symptome verursacht hat, kann der Patient in aller Regel nur noch symptomatisch behandelt werden, um ihm die Situation so erträglich wie möglich zu machen. Auch wenn eine Immunisierung nicht mehr umsetzbar ist, geht es darum, Krämpfe und Lähmungen, vor allem die der Atmung, zu lindern.
Die potenzielle Ansteckungsgefahr geht über den Tod hinaus. So kann ein verendetes Tier oder ein verstorbener Mensch bei Berührung weiterhin seine Viren auf einen anderen Wirt übertragen. Über Organspenden kann das Virus ebenfalls übertragen werden. Bereits vor den ersten Anzeichen einer Erkrankung, circa zehn Tage zuvor, ist man ansteckend.
Sollten Sie, wenn auch nur vermutet, Kontakt mit einem infizierten Menschen oder Tier gehabt haben, suchen Sie direkt einen Arzt auf und vermeiden Sie den Kontakt mit weiteren Personen. Der Arzt verabreicht Ihnen die immunisierende Spritze, sodass Sie weder für sich noch für Ihre Umwelt eine Gefahr darstellen.
Das erste Anzeichen einer Infektion mit Tollwut ist die auffällige, juckende und empfindliche Bissstelle. Im Anschluss setzen unklare Symptome wie
Danach verläuft die tödliche Krankheit in zwei möglichen Wegen.
Zu 80 Prozent tritt die akute, neurologische Phase ein, in der der erkrankte Mensch eine ausgeprägte Angst vor Wasser, Hydrophobie, und Angst gegen Zugluft, Aerophobie, entwickelt. Die Furcht vor Wasser kommt daher, dass sich beim Schlucken die Kehlmuskulatur verkrampft, starke Schmerzen auslöst und schließlich der Speichel aus dem Mund fließt. Diese Phobie führt so weit, dass Patienten unruhig werden und sogar krampfen, wenn sie Wasser sehen oder hören. Das typische Bild vom „Schaum vor dem Mund“ entsteht. Da die Konzentration des Virus im Speichel erhöht wird, ist die Ansteckungsgefahr noch größer. Ähnliche Vorgänge zeigen sich, wenn der Betroffene Luft spürt oder hört. Schutzreflexe der Atemwege, Schluck- und Würgereflex, sind bei dieser Phobie fehlgesteuert. Die enzephalitische Form löst die „wilde Wut“ aus. Erkrankte sind aggressiv, später abwechselnd depressiv. Dazwischen liegen unauffällige Phasen. Die Entzündung des Gehirns verursacht weiterhin Halluzinationen, Verwirrtheit, Krampf- und Wutanfälle.
Diese Form der Lyssa-Krankheit betrifft 20 Prozent der Erkrankten. Die Hauptsymptome sind hierbei Lähmungen, welche sich nach und nach über den gesamten Körper ausbreiten. Sie beginnen an der Bissstelle, ziehen über die Gliedmaßen, bis sie alle gelähmt sind, weiterhin betreffen sie die Gesichtsmuskeln. Betroffen sind auch die Schließmuskeln. Der Patient stirbt meist einige Tage später als bei der enzephalitischen Form.
Bei beiden möglichen Formen verstirbt der Infizierte innerhalb einer Woche an Organversagen und Atemlähmung. Zu dieser Zeit liegt er schon im Koma. Der Krankheitsverlauf von Tollwut endet nahezu immer tödlich, wenn nicht rechtzeitig eine immunisierende Spritze verabreicht wird. Sollten sich bereits erste Symptome bemerkbar machen, wie Juckreiz der betroffenen Hautstelle, ist es für eine erfolgreiche Behandlung (außer in extrem seltenen Ausnahmefällen) zu spät.
Die Bestätigung, dass eine Tollwut-Infektion vorlag, erfolgt meist post mortem, das heißt nach dem Tod. Um die Krankheit zu diagnostizieren, wird ein Nachweis von Antigen (hier Bestandteile aus dem Erbgut des Virus, der RNA) erstellt. Dazu entnimmt man dem lebenden Patienten Speichel, Oberflächenzellen der Hornhaut, Hautgewebe oder Hirnflüssigkeit (Liquor).
Ebenfalls können Zellkulturen angelegt werden, welche das Virus nachweisen. Jedoch sind alle intra vitam, zu Lebzeiten, erstellten Diagnosen keine hundertprozentige Bestätigung des Tollwut-Virus. Sie können die Infektion nicht sicher nachweisen und vor allem nicht sicher ausschließen.
Der Verdacht auf Tollwut kann anhand der auftretenden charakteristischen Symptome gestellt werden. Hinweise sind Tierbisse beziehungsweise Kontakt zu Tieren oder Tiersekreten, insbesondere bei offenen Wunden, sowie vorangegangene Reisen in Länder, in denen die Tollwut noch verbreitet ist. Auszuschließen sind bei der Differenzialdiagnose andere Formen einer Gehirnentzündung (Enzephalitis) und das Guillain-Barré-Syndrom. Bei dieser Krankheit steigen die Lähmungen häufig im Körper auf, im Gegensatz zur Tollwut, bei der die Lähmungen absteigen.
Nach dem Biss muss eine Impfung erfolgen, um den tödlichen Verlauf noch zu verhindern. Das muss so früh wie möglich passieren, bevor die ersten Symptome auftreten, spätestens 24 Stunden nach der Infektion. Diese Maßnahme wird auch bei Verdacht auf eine Ansteckung durchgeführt.
Die postexpositionelle Impfung ist die einzige Rettung im Falle eines Kontaktes mit einem kontaminierten Tier. Je weiter die Bisswunde vom Gehirn entfernt ist und wenn keine venösen Gefäße verletzt wurden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, einen Tollwut-Ausbruch zu verhindern.
Die Simultanimpfung, das heißt, es wird gleichzeitig aktiver und passiver Impfstoff injiziert, erfolgt aus einer einmaligen Gabe von Tollwut-Antikörpern und einer immunisierenden Impfung. Dies umfasst sechs Spritzen innerhalb von 90 Tagen. Der passive Impfstoff wird dabei zur Hälfte oberhalb oder direkt in die Gesäßmuskeln (intragluteal) und zur anderen Hälfte um die Wunde herum gespritzt. Um eine Neutralisierung beider Stoffe auszuschließen, liegt die Injektionsstelle der aktiven Immunisierung meist weiter entfernt, beispielsweise am Oberarm.
Versuchsweise kann mitunter eine Therapie mit bewusstseinsdämpfenden Mitteln (Sedierung) und Anti-Virus-Medikamenten (Virostatika) erfolgen. Einzelne Betroffene konnten durch diese Maßnahmen vor dem Tod bewahrt werden.
Nach einer vermuteten Kontamination muss die Wunde sofort mit Wasser und Seife gereinigt und anschließend mit Alkohol oder Jod desinfiziert werden. Bereits auf Verdacht verabreicht der Arzt im Anschluss die Simultanimpfung aus passivem und aktivem Impfstoff, damit die Tollwut nicht ausbrechen kann.
Dies ist die einzige Möglichkeit zur Rettung, wenn ein Mensch mit einem infizierten Tier in Kontakt gekommen ist und Erreger über den Speichel bereits übertragen wurden. Kommt es doch zu einem Ausbruch der Krankheit, gibt es keine Therapie und der Tod tritt nach circa einer Woche ein.
Infizierte Tiere in freier Wildbahn sind oft auffällig zutraulich. Halten Sie sich von solch einem Tier fern und melden Sie es umgehend dem zuständigen Förster. Finden Sie eine Fledermaus und wollen ihr helfen, kontaktieren Sie am besten einen lokalen Tierschutzverein, der das Tier fachgerecht verpflegen kann oder tragen Sie Handschuhe, die für Fledermauszähne undurchdringbar sind.
Wenn Sie in ein Land reisen, in dem ein erhöhtes Tollwut-Risiko gegeben ist, lassen Sie sich eine Schutzimpfung verabreichen. Ein Tropenmediziner kann Sie dazu beraten. Sollten Sie gebissen worden sein oder haben trotz ausreichender Vorsichtsmaßnahmen den Verdacht, infiziert zu sein, suchen Sie direkt einen Arzt auf und schildern Sie ihm genau, was vorgefallen ist.
Tollwut ist eine meldepflichtige Seuche und muss innerhalb von 24 Stunden beim Gesundheitsamt angezeigt werden. Gemäß § 6 Abs. 1 Nummer 1 IfSG wird der Krankheitsverdacht, eine Erkrankung und der Tod durch Tollwut sowie laut § 7 Abs. 1 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis des Virus namentlich gemeldet. Das Gleiche gilt für die Berührung eines tollwütigen Tieres oder die Verletzung eines Menschen durch ein verdächtiges Tier.
aktualisiert am 18.03.2020