Ein Tinnitus wird als die Wahrnehmung von Geräuschen im Ohr definiert, welche keiner äußeren Schallquelle zuzuordnen sind. In Deutschland weist etwa ein Prozent der Bevölkerung eine schwere Form des Tinnitus auf. In den meisten Fällen bildet sich ein Tinnitus innerhalb von ein bis zwei Tagen von selbst zurück. Halten die Geräusche im Ohr darüber hinaus an, sollte ein Arzt hinzugezogen werden.
Als Erstmaßnahme empfehlen die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde ein Vorgehen, welches sich vorwiegend aus bisherigen Erfahrungen bei der Therapie zusammensetzt. Eine Wirksamkeit bestimmter Medikamente, wie eine Cortisontherapie oder Infusionen mit Plasmaexpandern, ist wissenschaftlich nicht belegt. Schon bei einer geringgradigen Ausprägung des Tinnitus wird das sogenannte Counseling oder eine kognitive Verhaltenstherapie empfohlen. Daneben besteht die Möglichkeit, unter Zuhilfenahme von Geräten die Geräusche im Ohr zu maskieren. Solche Geräte werden als Masker oder Noiser bezeichnet.
Verschiedene Behandlungsstrategien befassen sich damit, die eigene Wahrnehmung von den Tinnitus-Geräuschen abzulenken beziehungsweise sie durch definierte Töne oder ein Rauschen zu überdecken. Bei einem Tinnitus spielt eine Störung bei der Verarbeitung und Bewertung der Schallsignale eine große Rolle. Es wird davon ausgegangen, dass ein Tinnitus unter anderem mit einer gesteigerten und auf die Töne ausgerichteten Aufmerksamkeit im Zusammenhang steht. Im limbischen System (einem Teil des Gehirns, in dem Emotionen verarbeitet werden) kann ein Tinnitus zudem mit negativen Gefühlen wie Angst oder Bedrohtsein verknüpft werden. Werden die Geräusche des Tinnitus nicht mehr gehört, verschwinden auch die damit verbundenen negativen Emotionen.
Ein wesentlicher Ansatz einer solchen Therapie besteht in der sogenannten Tinnitus-Umschulungstherapie (Tinnitus Retraining Therapy = TRT). Bestandteil sind Schall erzeugende Geräte oder Hörgeräte, welche in Kombination mit einem psychologisch fundierten Beratungsgespräch (Counseling) zur Anwendung kommen. Der apparative Anteil der Therapie wird den Tinnitus nicht heilen, sondern dessen Wahrnehmung durch ein weiteres Geräusch verändern. Ob die Behandlung mit einem Masker oder Noiser wirkungsvoll ist, ist nicht eindeutig gesichert. Allerdings kann sie unterstützend sinnvoll sein.
Als Masker können alle Geräte verstanden werden, deren Wirkungsweise darauf ausgerichtet ist, durch die Erzeugung von Tönen den Tinnitus zu verdecken. Neben den reinen Maskern sind Kombinationen aus Hörgeräten und Maskern sowie die parallele Anwendung von Schallerzeugern und nervenstimulierenden Methoden möglich. Die Idee, störende Ohrgeräusche durch andere wahrnehmbare Töne zu maskieren, klingt erfolgversprechend. Doch nicht alle Tinnitus-Patienten sind für diese Therapie empfänglich. Der behandelnde Hals-Nasen-Ohrenarzt wird einen Tinnitus-Masker erst empfehlen, wenn andere Behandlungen nicht den gewünschten Erfolg brachten.
Tinnitus-Masker sowie Noiser erzeugen ein Hintergrundrauschen. Solche Geräte entsprechen im Aussehen und der Tragweise den gängigen Hörgeräten. Entsprechend der Theorie einer Tinnitus-Retraining-Therapie soll das Rauschen ein unauffälliges Gegengeräusch darstellen, welches das Gehirn vom eigentlichen Tinnitus ablenkt. Die Fachärzte empfehlen bei Maskern und Noisern eine tägliche Anwendung von sechs bis acht Stunden über einen Zeitraum von einigen Monaten. Ziel dieser langanhaltenden Therapie ist es, das Gehirn auf die veränderte Hörwahrnehmung hin zu trainieren. Die Geräte können individuell auf jeden Patienten abgestimmt werden.
Weißes Rauschen, wie das von Maskern erzeugte Geräusch in der psychologischen Akustik (Lehre vom Hören) genannt wird, ist ähnlich der Farbe Weiß ein Gemisch aus Einzelwahrnehmungen. Beim weißen Rauschen werden dabei unterschiedliche Tonhöhen (Frequenzen) als ein Geräusch wahrgenommen. Das Hörereignis lässt sich am ehesten mit dem Rauschen zwischen zwei Sendern im Radio oder einem großen Wasserfall vorstellen. Bei einem Tinnitus-Masker soll das weiße Rauschen die Tinnitus-Geräusche vollständig maskieren. Mit einem Noiser wird der Tinnitus dagegen nur teilweise verdeckt. Der Tinnitus rückt jedoch in den Hintergrund und wird als weniger bedrohlich und störend wahrgenommen. Das Gehirn stellt sich nach und nach darauf ein, nicht mehr auf das Ohrgeräusch zu achten.
Bisweilen findet sich im Zusammenhang mit einem Noiser der Begriff des rosa Rauschens. Wie beim weißen Rauschen setzt sich das rosa Rauschen aus allen hörbaren Frequenzen zusammen. Die Lautstärke nimmt indes mit zunehmender Tonhöhe ab, sodass das rosa Rauschen als weniger schrill empfunden wird.
Moderne Masker und Noiser lassen sich heute mit verschiedenen elektronischen Endgeräten verbinden. Viele Smartphones sind heute in der Lage, die Tinnitus-Masker zu steuern oder lassen gar den direkten Zugriff von Hörgeräteakustikern zu. Applikationen für Smartphones (Apps) bieten für Tinnitus-Patienten ein großes Angebot für die Behandlung der Geräusche im Ohr an. Die hochentwickelte Lautsprechertechnik gibt dem Anwender über In-Ear-Kopfhörer die Möglichkeit, eine Vielzahl therapeutischer Klänge abzuspielen. Neben einfachen Naturgeräuschen oder Entspannungsmusik können Töne gezielt für den speziellen Tinnitus-Ton eines Patienten zugeschnitten werden. Die Übertragung an das Ohr erfolgt über eine App, welche auf dem Smartphone installiert wird.
Etwa die Hälfte aller Patienten, welche einen Hörverlust erlitten haben, leidet zusätzlich an einem Tinnitus. Die Formen einer Schwerhörigkeit machen sich auf unterschiedliche Weise bemerkbar. Es gibt Patienten, bei welchen das Hören ausschließlich die tiefen oder hohen Töne betrifft. Andere nehmen sämtliche Tonhöhen vermindert wahr. Der Umfang der Hörschädigung wird mit Hilfe der Audiometrie (Hörtest) festgestellt. Die Art des empfohlenen Hörgerätes richtet sich nach dem Ausmaß der Hörschädigung. Bei gleichzeitig vermindertem Hörvermögen und einem Tinnitus wird in den Leitlinien die Verwendung eines Hörgerätes empfohlen. In diesem Fall ist die Ausrichtung des Hörgerätes zusätzlich von der Art des Tones (Frequenz) und der Lautstärke des Tinnitus abhängig.
Mit einem Hörgerät können die Patienten wieder aktiv an den alltäglichen Hörerlebnissen teilhaben. Gespräche sowie vor allem leise Hintergrundgeräusche wie das Zwitschern der Vögel, Schritte oder Windgeräusche werden wieder bewusst wahrgenommen und maskieren zusätzlich den Tinnitus. Fehlt dagegen die Wahrnehmung gerade dieser leisen Umweltgeräusche, kommt es vielfach zu einer vermehrten Aufmerksamkeit gegenüber dem Tinnitus.
Rauschgeneratoren sind ebenso wie Hörgeräte im Heil- und Hilfsmittelkatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgelistet. Außer einer geringen Zuzahlung entstehen bei den Standardgeräten keine zusätzlichen Kosten. Allerdings gibt es hinsichtlich des übernommenen Höchstbetrages Unterschiede, sodass es sinnvoll erscheint, sich vorab bei der eigenen Krankenkasse zu informieren. Eine Applikation für Smartphones kann ebenfalls von einigen Krankenkassen übernommen werden.
AWMF online – S3-Leitlinie 017/064: Chronischer Tinnitus:– S3-Leitlinie 017/064: Chronischer Tinnitus: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/017-064l_S3_Chronischer_Tinnitus_2015-02.pdf (online, letzter Abruf: 14.08.2020)
DIMDI (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information), Wilhelm Frank, Brigitte Konta, Gerda Seiler – Therapie des unspezifischen Tinnitus ohne organische Ursache: https://portal.dimdi.de/de/hta/hta_berichte/hta118_bericht_de.pdf (online, letzter Abruf: 14.08.2020)
drhschaaf.de, Dr. med. Helmut Schaaf – Schwerhörigkeit und Tinnitus: http://www.drhschaaf.de/schwerh.html (online, letzter Abruf: 14.08.2020)
Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik – rosa Rauschen: https://lexikon.stangl.eu/28260/rosa-rauschen/ (online, letzter Abruf: 14.08.2020)
aktualisiert am 14.08.2020