Tinnitus ist die Bezeichnung für Ohrgeräusche, welche von den Betroffenen, nicht jedoch von den Mitmenschen wahrgenommen werden. Das Pfeifen oder Klingeln im Ohr entstammt somit nicht einer äußeren Schallquelle. Nur in seltenen Fällen kann der Arzt eine Ursache feststellen. Bei einem Großteil der Betroffenen liegt indes kein nachweisbarer Auslöser für den Tinnitus zugrunde.
Für die Therapie stehen verschiedene Strategien zur Verfügung, wobei gilt, je früher die Behandlung des Tinnitus begonnen werden kann, desto eher können die Geräusche im Ohr wieder verschwinden. Dennoch ist zu bedenken: Bei einem Tinnitus handelt es sich ähnlich dem Schmerz um ein Symptom und nicht um die Ursache einer Erkrankung. Trotz einer Reihe wissenschaftlicher Studien kann bisher für keine Behandlung des subjektiven Tinnitus (welcher den größten Teil der Patienten betrifft) eine Heilung nachgewiesen werden.
Bei den meisten Menschen klingt das Rauschen und Klingeln im Ohr innerhalb weniger Tage von selbst wieder ab. Auch ein länger anhaltender Tinnitus wird von vielen Menschen nicht als lästig empfunden. Übrig bleibt indes die Gruppe an Patienten, welche die Ohrgeräusche als extrem störend empfinden. In den Leitlinien warnt die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde ausdrücklich, sich nicht mit der Aussage, es bestünden keine Therapieoptionen, zu begnügen. Obgleich dieselben Leitlinien für einige Therapiemöglichkeiten ausdrücklich keine Empfehlung aussprechen, bleiben durchaus Verfahren, welche geeignet sind, das Symptom Tinnitus zu beseitigen oder stark zu bessern.
Halten die Ohrgeräusche über einen Zeitraum von zwei Tagen hinaus an, sollte ein Arztbesuch nicht länger verschoben werden. Angesichts der Vielfältigkeit möglicher Auslöser ist das Einbeziehen unterschiedlicher Fachdisziplinen wie Hals-Nasen-Ohren-Ärzte, Internisten (Ärzte für Innere Medizin) sowie Psychologen oder Hörtherapeuten von hoher Bedeutung. Dies ist insbesondere deshalb wichtig, da abgeklärt werden muss, ob nicht ein objektiver Tinnitus vorliegt, dessen Ursachen behandelt werden können.
Bei einem objektivem Tinnitus entstammt das wahrgenommene Geräusch von einer Schallquelle im Inneren des Körpers. Ein objektiver Tinnitus ist im Vergleich zum subjektiven Tinnitus selten. Liegen hier, wie beim pulssynchronen Tinnitus, Strömungsgeräusche den Ohrgeräuschen zugrunde, können durch eine entsprechende Therapie die Beschwerden beseitigt werden. In diesem Fall kann man tatsächlich von einer Heilung des Tinnitus sprechen. Die Therapie richtet sich nach der individuellen Beeinträchtigung und der nachgewiesenen Ursache.
Im Falle eines gefäßbedingten pulssynchronen Tinnitus lassen sich die ursächlichen Verengungen durch einen minimalinvasiven Eingriff aufdehnen oder veränderte Gefäße verschließen. Tumore (meist gutartig, manchmal bösartig) im Bereich des Innenohrs sind häufig gut durchblutet und können gleichfalls die Ursache von Ohrgeräuschen darstellen. Auch in diesem Fall kann eine Heilung des Tinnitus erreicht werden. Meist wird zur Vorbehandlung ein spezielles Verfahren (Tumorembolisation) durchgeführt und später eine Operation.
Können keine äußeren Schallquellen gefunden werden, wird von einer fehlerhaften Verarbeitung im Verlaufe des Hörprozesses ausgegangen. Dieses umfasst die Ohrmuschel, die Strukturen des Mittel- und Innenohres sowie die Hörnerven und das Hörzentrum im Inneren unseres Gehirns. Eine besondere Bedeutung bei der Ursachenforschung nimmt die Theorie einer gestörten Reizwahrnehmung ein.
Die Wahrnehmung der Ohrgeräusche hängt von der individuellen Fähigkeit der Erkennung, Verarbeitung und Bewertung von Hörreizen im Gehirn ab. In einem Areal im Gehirn, der Amygdala, werden die Ohrgeräusche mit bekannten negativen Gefühlen, wie sie bei Stress und Angst entstehen, verknüpft. Umgekehrt sind Stresssituationen in der Lage, eine erhöhte Aufmerksamkeit gegenüber einem bestehenden Tinnitus auslösen. Inwiefern die Symptomatik bei einem subjektiven Tinnitus beseitigt werden kann, ist von der Fähigkeit abhängig, eine Strategie zu entwickeln beziehungsweise zu erarbeiten, mit welchem das Klingeln und Rauschen als weniger störend empfunden wird.
Neben dem Verständnis für das Entstehen eines Tinnitus ist vor allem eine intensive Zusammenarbeit von Patienten, Ärzten und Therapeuten notwendig. Das sogenannte Counseling stellt heute die Basis einer Tinnitusbehandlung dar. In den Leitlinien ist diese Beratung gemeinsam mit der kognitiven Verhaltenstherapie als stark empfehlenswert erwähnt. Ebenfalls hilfreich kann eine Achtsamkeitstherapie bei der Verminderung des Tinnitus sein. Gleiches gilt für eine Reihe weiterer Behandlungsmöglichkeiten, welche der Entspannung dienen.
Lärm stellt bekanntermaßen eine der wichtigsten Ursachen für einen Tinnitus dar. Maßnahmen, die eigene Lärmbelästigung zu reduzieren und Ruhephasen im Alltag einzubauen, sind somit ein wichtiger Faktor, einen bestehenden Tinnitus zu vermindern.
Schwerhörigkeit geht in vielen Fällen mit einem Tinnitus einher und ist nicht selten die Ursache für das Klingeln im Ohr. In diesen Fällen entlastet ein Hörgerät den Patienten nicht nur bei der Kommunikation, sondern kann mit einem sogenannten Tinnitus-Masker das Ohrgeräusch für die Betroffenen überdecken. Ein Cochlea-Implantat (künstliches Hörsystem) kann zwar ebenfalls keine Heilung bewirken, führt indes zu einer deutlichen Minderung des Tinnitus.
Weiterführende Informationen zum Thema Tinnitus finden Sie auf diesen Webseiten:
Deutsche Tinnitus-Liga e.V.: https://www.tinnitus-liga.de/
Patienten-Selbsthilfeorganisation Vereinigung Akustikus Neurinom e.V.: https://www.akustikus.de/
AWMF online – S3-Leitlinie 017/064: Chronischer Tinnitus:– S3-Leitlinie 017/064: Chronischer Tinnitus: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/017-064l_S3_Chronischer_Tinnitus_2015-02.pdf (online, letzter Abruf: 06.08.2020)
CIA (Cochlea Implantat Austria) – Moderne Hilfe bei Tinnitus: https://ci-a.at/2018/03/12/moderne-hilfe-bei-tinnitus/ (online, letzter Abruf: 06.08.2020)
aktualisiert am 06.08.2020