Das Tietze-Syndrom (Morbus Tietze) ist eine selten vorkommende, harmlose Veränderung der Rippenknorpel, die mit unterschiedlich starken Schmerzen und Schwellungen einhergeht. Die Veränderungen treten an der Ansatzstelle der Rippe am Brustbein auf, häufig sind die 1. bis 3. Rippe betroffen. Die Ursache ist unbekannt, oft sind ungewohnte Belastungen oder schlecht verwachsene Verletzungen vorausgegangen.
Benannt ist das Tietze-Syndrom nach seinem Erstentdecker Alexander Tietze, der 1921 einen Artikel über „eine eigenartige Häufung von Fällen mit Dystrophie (Fehlwuchs) der Rippenknorpel“ in der Berliner Klinischen Wochenschrift veröffentlichte.
Die Ursache für das Tietze-Syndrom ist weitestgehend unbekannt. Verschiedene Störungen im Übergang von Rippe zu Brustbein scheinen an der Entstehung beteiligt zu sein. Hierzu zählen
Auch Überbeanspruchungen der Knorpel an den Rippenansätzen durch ungewohnte Belastungen wie Kistenheben, starker Husten oder ungewohnte sportliche Aktivität sind als Auslöser beschrieben. Generell handelt es sich um Überlastungsprozesse der entsprechenden Bereiche.
Auslöser des Tietze-Syndroms sind häufig ungewohnte, schwere Tätigkeiten oder Bewegungen. Hauptsymptom sind meist einseitig auftretende Schmerzen im Bereich des Brustbeins die schleichend oder plötzlich auftreten können. Vor allem die Ansatzstelle von Rippenknorpel an Brustbein ist betroffen. Es kann zu Rötungen und Schwellungen kommen. Da nur die oberen sieben Rippenpaare direkt am Brustbein ansetzen (sternale oder echte Rippen), tritt das Tietze-Syndrom nur in diesem Bereich auf. Davon am häufigsten sind Rippenpaar 1 bis 3 betroffen. Rippenpaare 8 bis 12 setzen am knorpeligen Rippenbogen an (asternale oder „falsche Rippen“).
Durch häufig über Wochen bis Monate anhaltende Schmerzen nehmen die Patienten oft eine Schon- oder Entlastungshaltung ein. Dadurch können zusätzlich Muskelschmerzen in anderen Körperbereichen wie Arm, Schulter oder Nacken auftreten. Niesen, Husten oder tiefes Einatmen verschlimmern die Schmerzen und lösen ein beklemmendes Gefühl bis hin zur Atemnot im Brustkorb aus. Nicht selten wird das Tietze-Syndrom aufgrund beschriebener Symptome von Patienten als Herzerkrankung fehlgedeutet.
Häufig werden Patienten mit dem Tietze-Syndrom im Notdienst wegen Verdacht auf Herzinfarkt oder wegen Atemnot vorgestellt. In diesem Fall erfolgt zunächst eine Ausschlussdiagnostik lebensbedrohlicher oder schwerwiegender Erkrankungen (z.B. Herzinfarkt, Lungenentzündung, COPD).
Allgemein wird der Arzt anhand der Krankengeschichte mit vorangegangen Operationen, Verletzungen oder Belastungen bereits die Verdachtsdiagnose Tietze-Syndrom stellen. Vorhandene Schwellungen der Rippenknorpel können ertastet werden. Druck auf die betroffene Stelle löst starke Schmerzen oder Druckempfindlichkeit aus. Anhand dieser Symptome kann die Diagnose meist gestellt werden.
Röntgenaufnahmen sind für die Diagnose nicht hilfreich, da es sich um eine Veränderung der Knorpel und nicht des knöchernen Anteils der Rippen handelt. Knorpel lassen sich mit einer Röntgenaufnahme nicht darstellen. Allerdings können so ursächliche kleine Rippenbrüche erkannt werden, was für die Therapie gegebenenfalls eine Rolle spielt. MRT-Untersuchungen (Magnetresonanztomografie) zeigen im Gegensatz zu Röntgenaufnahmen auch Veränderungen des Weichteilgewebes. Beim Vorliegen des Tietze-Syndroms können so Schwellungen der Knorpel erkannt werden, was bei unklaren Fällen zu einer eindeutigen Diagnose führt.
Einseitige Schmerzen, die in Arm oder Schulter ausstrahlen sowie schmerzbedingte Symptome der Brustenge können mit Symptomen einer Herzerkrankung verwechselt werden. Tiefe Atembewegungen lösen durch die Bewegung des Brustkorbs bei Patienten mit dem Tietze-Syndrom Schmerzen und ein Gefühl der Brustenge aus. Betroffene leiden unter Atemnot. Lungen- und Herzerkrankungen sollten durch entsprechende Untersuchungen (Auskultation, Röntgenuntersuchungen) ausgeschlossen werden. Oft reicht die klinische Untersuchung mit auslösbarer lokaler Druckschmerzhaftigkeit aus um das Tietze-Syndrom als solches zu erkennen.
Da die Ursache für das Tietze-Syndrom nicht eindeutig feststeht und die Erkrankung meist nach einigen Wochen bis Monaten von alleine ausheilt, fokussiert man sich bei der Behandlung auf die Schmerztherapie. Zum Einsatz kommen schmerzlindernde und gleichzeitig entzündungshemmende Medikamente. Bewährt haben sich die Wirkstoffe Ibuprofen oder Diclofenac. Zu beachten sind die Nebenwirkungen vor allem im Bereich des Magen-Darm-Traktes. Diese Medikamente sollten daher nur bei akuten Schmerzen, nicht dauerhaft und nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden. Bei starken Schmerzen werden lokale Betäubungsmittel (Lokalanästhetikum) teilweise in Kombination mit einem entzündungshemmenden Wirkstoff (Cortison) direkt in die Rippenansätze und das Wirbelrippengelenk injiziert. Für eine ausreichende Schmerzlinderung wird diese Behandlung mehrmals wiederholt.
Als begleitende Maßnahmen finden Akupunktur oder transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) Anwendung. Bei der TENS-Therapie werden kleine elektrische Impulse über Hautelektroden an der schmerzenden Stelle gesetzt. Die Schmerzleitung wird so unterbrochen. Zur Stärkung der Muskulatur und Verbesserung der Beweglichkeit des Brustkorbs werden im Rahmen einer Physiotherapie gezielte gymnastische Übungen durchgeführt. Können Fehlstellungen der Rippen als Ursache für die Schmerzen ausgemacht werden, kann ein Osteopath durch manuelle Therapie helfen, diese Blockade zu lösen.
Beim Tietze-Syndrom handelt es sich um eine sehr schmerzhafte, aber harmlose Erkrankung. Die Symptome können einige Wochen bis Monate anhalten und verschwinden dann wieder von alleine. In dieser Zeit sollten unterstützende und schmerzlindernde Maßnahmen erfolgen, um eine Verschlimmerung der Symptome durch Schon- und Fehlhaltungen zu vermeiden. Die Heilungsaussichten sind gut, bleibende Beschwerden sind nicht zu erwarten.
aktualisiert am 30.03.2022