Alljährlich sind über 100.000 Menschen in Deutschland durch eine Thrombose, ein Blutgerinnsel in Venen oder seltener in Arterien, akut bedroht. Die Neigung, eine Thrombose zu entwickeln, wird von Medizinern als Thrombophilie bezeichnet. In der Hälfte aller Fälle liegt eine erbliche Belastung vor.
Zu etwa 50 Prozent ist eine Thromboseneigung „erworben“: Als Ursachen kommen beispielsweise Vorerkrankungen, die Einnahme bestimmter Medikamente, Stoffwechselstörungen oder Nikotinkonsum in Frage. Auch kurzfristig und situationsbedingt kann das Thromboserisiko eines Menschen ansteigen und zur Entstehung von Thrombosen beitragen:
Eine erblich bedingte Thrombophilie erfordert besondere Vorsichtsmaßnahmen, sofern sie dem Patienten oder der Patientin bekannt ist. Im Folgenden werden mehrere genetische Defekte behandelt, die die Gefahr einer Thrombose erhöhen.
Die Blutgerinnung ist eine natürliche Reaktion, um den Blutverlust bei Verletzungen zu begrenzen und die Heilung in Gang zu setzen. Normalerweise halten sich die Faktoren, die das Blut gerinnen lassen und solche, die seine Fließ-Eigenschaften erhalten, die Waage. Als Fibrinolyse wird ein Prozess bezeichnet, mit dem Blutgerinnsel, beispielsweise nach Verletzungen der Gefäße, umgehend wieder abgebaut werden.
Mehrere Substanzen im Organismus bilden zusammen das Fibrinolyse-System. Seltene genetische Defekte sowie ungünstige Umstände können das Fibrinolyse-System stören. Das führt dazu, dass sich gefährliche Thromben innerhalb von Blutgefäßen bilden oder nicht rechtzeitig wieder auflösen.
Erst seit wenigen Jahrzehnten ist eine genetische Veränderung bekannt, die bei etwa 5 bis 8 Prozent der Bevölkerung vorliegt: Das Thromboserisiko kann sich dadurch verzehnfachen, wenn der Faktor V Leiden vorliegt. Dabei handelt es sich um eine bestimmte Veränderung des Faktors V, der an der Blutgerinnung beteiligt ist. Ist der Faktor V, eine biochemische Komponente im Blut, auf diese Weise genetisch verändert, reagiert er nicht auf das Protein C (APC). Dann gerinnt das Blut zu schnell und zu stark. Die Störung wird APC-Resistenz genannt. Selten ist diese APC-Resistenz auch durch andere Ursachen als den Faktor V Leiden bedingt.
Eine Person mit dem Faktor V Leiden ist noch nicht krank, aber bekommt wesentlich leichter Thrombosen. Thrombosen treten in diesen Fällen vor allem in den tiefen Bein- und den Beckenvenen auf. Arterielle Thrombosen sind eher untypisch. Wer von der APC-Resistenz betroffen ist, erleidet infolge der Thromboseneigung allerdings öfter als andere Personen Herzinfarkte oder Schlaganfälle.
Vererbt werden solche Defekte vom Vater oder der Mutter autosomal-dominant: Kommt von einem Elternteil ein gesundes und vom anderen Elternteil ein krankes Gen, entwickelt sich die Störung. Kommt der Defekt sogar von beiden Eltern, vervielfacht sich das Thrombose-Risiko noch.
Protein C und Protein S wirken zusammen, um mehrere Blutgerinnungsfaktoren im Bedarfsfall auszuschalten. Ein Mangel an diesen Proteinen kann angeboren oder erworben sein. Kann der Organismus beispielsweise kein Vitamin K verstoffwechseln, wird zu wenig vom Protein C gebildet. Liegt ein solcher Mangel vor, kann sich das Thrombose-Risiko um das Zehnfache steigern.
Auch die Substanzen Antithrombin III und Prothrombin G 20210A sind Gerinnungshemmstoffe. Nur jeweils etwa 3 Prozent aller Thrombose-Patienten sind von einem genetischen Defekt betroffen, der zu einem Mangel dieser Substanzen führt. Insbesondere der Mangel an Antithrombin III gilt als schwerwiegend: Das Risiko einer Thrombose ist um bis zu 20-fach erhöht.
Die Aminosäure L-Homocystein ist ein „Abfallprodukt“ im Stoffwechsel. Ist ihr Wert im Blutplasma erhöht, steigt das Risiko, eine arterielle oder venöse Thrombose zu entwickeln. Das Endothel, die dünne Innenhaut der Blutgefäße, nimmt bei einem Überschuss an Homocystein Schaden. Der reibungslose Durchfluss des Blutes ist nicht mehr gewährleistet. Gleichzeitig wird das erwähnte Protein C deaktiviert und der Faktor V mobilisiert. Ein solcher Überschuss an Homocystein (Hyperhomocysteinämie) kann erblich bedingt oder erworben sein. Ein ererbter Defekt führt zu einer um 70 % reduzierten Aktivität wichtiger Enyzme.
Zusammenhänge scheinen zwischen Vitamin-Mangel (Vitamin B6, B12 und Folsäure) und einem erhöhten Homocysteinspiegel zu bestehen. Auch andere Erkrankungen wie Demenz oder Depressionen werden möglicherweise durch zu viel Homocystein ausgelöst.
Wie lässt sich eine bestehende Thrombophilie ermitteln oder ausschließen? Immer wenn spontan ohne offensichtlichen Auslöser eine Thrombose auftritt, sollte genauer nachgeforscht werden:
In diesen Fällen sollten Aktivität und Vorkommen von Faktoren wie Antithrombin III, Prothrombin G 20210A, der Proteine C und S sowie der Homocysteinspiegel im Blut überprüft werden.
Von den genannten Faktoren sind die APC-Resistenz und die Homocysteinämie (Homocystein-Überschuss) die häufigsten erblich bedingten Thrombophilien. Eine gestörte Fibrinolyse macht bis zu 20 Prozent der Fälle einer genetischen Ursache aus. Ererbte Veränderungen beim Prothrombin- oder Protein-Stoffwechsel oder Antithrombin-Mangel lassen sich seltener als ursächliche Störung nachweisen.
Bei vielen Thrombose-Fällen nach der Einnahme von hormonellen Verhütungsmitteln findet sich nachträglich noch einer der aufgezählten genetischen Defekte. Weist die Vorgeschichte einer Patientin auf eine mögliche erblich bedingte Thrombophilie hin, sollte sie auf Hormonpräparate vollständig verzichten.
Sind ererbte Defekte bekannt, die eine Thrombophilie zur Folge haben, ist Vorsorge besonders wichtig. Schätzungsweise jeder Zehnte ist davon betroffen und sollte zusätzliche Risiken vermeiden. Dazu zählen beispielsweise die Einnahme hormoneller Verhütungsmittel oder Nikotinkonsum. Besondere, schützende Maßnahmen sind auch während einer Schwangerschaft sowie vor und nach Operationen notwendig.
Vor und während einer Schwangerschaft und in anderen riskanten Situationen sollten Betroffene gut auf sich achten. Diese Maßnahmen können helfen, das Thrombose-Risiko zu minimieren:
aktualisiert am 16.03.2020