Die Thalassämie (griechisch für thallas=Meer und anämia=ohne Blut) ist eine erbliche Erkrankung der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Die Erkrankung wurde erstmals bei Patienten im Mittelmeerraum beschrieben, daher auch der Name Mittelmeerblutarmut.
Durch einen Gendefekt kann der Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen, das Hämoglobin nicht ausreichend oder gar nicht gebildet werden. Hämoglobin ist der rote Blutfarbstoff und für den Sauerstofftransport verantwortlich. Es ist aus mehreren Proteinketten und einem zentralen Eisenatom aufgebaut. Durch den Gendefekt kommt es zu einer Fehlbildung der Proteinketten. Je nachdem welche Proteinkette betroffen ist, unterscheidet man die häufigere und besonders im Mittelmeerraum vorkommende beta(β)-Thalassämie und die seltene vermehrt in Südostasien auftretende alpha(α)-Thalassämie.
Heutzutage tritt die Thalassämie vereinzelt weltweit auf. Die fehlerhaft aufgebauten roten Blutkörperchen werden vermehrt abgebaut, es kommt zur Blutarmut. Vorhandene Blutzellen haben einen reduzierten Hämoglobingehalt, sie sind daher blasser und kleiner. Beschrieben wird dieses Blutbild als mikrozytäre (kleine Zellen durch fehlende Bausteine), hypochrome (blass wegen fehlenden roten Blutfarbstoff) Anämie genannt.
Je nach Schwere der Erkrankung können Patienten an den Symptomen einer Blutarmut (Müdigkeit, Schwäche, Blässe) oder an Komplikationen wie Herzschwäche, Organschäden, Schädelveränderungen und Wachstumsstörungen leiden.
Die Thalassämie ist eine erbliche Erkrankung des roten Blutfarbstoffs (Hämoglobin), dem Hauptbestandteil der roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Die roten Blutkörperchen werden im Knochenmark gebildet und gelangen, wenn sie reif sind, ins Blut. Ihre Hauptfunktion ist der Sauerstofftransport von der Lunge in das Gewebe. Für den Transport wird Sauerstoff an Hämoglobin gebunden. Dies besteht aus Eiweißketten, den sogenannten Globulinen und einem Eisenatom, das für die Bindung von Sauerstoff wichtig ist. Die Eiweißketten sind nach dem griechischen Alphabet unterteilt in alpha (α)-, beta (β)-, gamma (χ)-, delta (δ)-, und epsilon (ε)-Kette. Die Art der Zusammenlagerung der Ketten ist entscheidend für die Funktion des Hämoglobins. Kommt es zu einer fehlerhaften Zusammensetzung der Globuline, kann das Hämoglobin nicht richtig funktionieren.
Bei der α-Thalassämie ist die Bildung von α-Globulinen durch einen genetischen Defekt reduziert oder findet gar nicht statt. Bei der β-Thalassämie sind es die β-Globuline. Die Folge sind kleine und blasse rote Blutkörperchen (siehe auch mikrozytäre Anämie und hypochrome Anämie). Zusätzlich kommt es zu einem verstärkten Abbau der falsch zusammengesetzten roten Blutkörperchen. Daher ist die Anzahl reduziert.
Nach Schweregrad der Erkrankung erfolgt eine Einteilung in
Generell verläuft die α-Thalassämie milder als die β-Thalassämie, die Symptome ähneln sich.
Wurde von nur einem Elternteil ein defektes Gen für die Bildung von Globulinen vererbt, besitzen Betroffene noch ein funktionierendes Globulin-Gen. Hier bleiben die Krankheitszeichen aus oder die Erkrankung verläuft sehr mild. Sie können den Defekt aber weitervererben. Diese Form wird als Thalassaemia minor bezeichnet.
Die Thalassaemia intermedia ist die mittelschwere Form der Erkrankung. Im Gegensatz zur Thalassaemia major sind seltener Transfustionen notwendig.
Bei der Thalassaemia major haben Kinder die fehlerhaften Gene von beiden Eltern geerbt. Sie leiden unbehandelt unter schweren gesundheitlichen Problemen.
Die Thalassaemia major verursacht bereits in den ersten Lebensjahren eine schwere Blutarmut. Bereits ab dem 4. Lebensmonat können betroffene Kinder von regelmäßigen Bluttransfusionen abhängig sein, um schwerwiegende Folgen zu verhindern. Je nach Verlauf leiden Betroffene unter unterschiedlichen Symptomen.
Als Folge der Blutarmut und damit verbundenem Sauerstoffmangel kommt es zu:
Der Körper versucht, den Mangel an roten Blutkörperchen auszugleichen. Diese teilweise überschießende Reaktion kann folgende Veränderungen mit sich bringen.
Als Gegenreaktion auf den fehlenden Eisen wird dieser verstärkt aus der Nahrung aufgenommen. Damit kann der Körper nicht umgehen, so dass der Überschuss an Eisen in verschiedenen Organen abgelagert wird und diese schädigt. Folgen sind:
Das Knochenmark versucht den Mangel an roten Blutkörperchen durch eine vermehrte Produktion auszugleichen. Die Erythropoese, also die Bildung der roten Blutkörperchen, wird angekurbelt.
Durch die verstärkte Produktion kommt es zu einer bis zu 30-fachen Vergrößerung des Knochenmarks und damit gleichzeitig zu einer Ausweitung der umgebenden Knochen. Betroffene Kinder zeigen typische Skelettveränderungen:
Der vermehrte Anfall von nicht funktionstüchtigen roten Blutkörperchen erfordert eine Mehrarbeit der Milz. Diese ist für den Abbau alter Blutzellen zuständig. Durch die Mehrarbeit vergrößert sich die Milz (Splenomegalie). Im Rahmen der Überaktivität der Milz können auch andere Blutzellen verstärkt abgebaut werden. Sind die weißen Blutkörperchen (Zellen der Immunabwehr) davon betroffen, erhöht das die Infektanfälligkeit. Außerdem kann die große Milz Blutgefäße abdrücken. Das kann zu schwerer Herzschwäche führen.
Bei der Thalassaemia intermedia treten die ersten Krankheitszeichen in einem späteren Alter auf und verlaufen milder als bei der Thalassaemia major:
Die mildeste Form, die Thalassaemia minor erscheint häufig ohne Symptome. Einige Patienten entwickeln leichte Beschwerden. Müdigkeit oder Leistungsschwäche treten aufgrund einer leichten Blutarmut auf. Zu Komplikationen kann es bei erhöhtem Eisenbedarf wie während der Schwangerschaft oder im Wachstum kommen. Folge davon kann eine schwere Blutarmut sein.
Anhand der Kranken- und Familiengeschichte kann der Arzt eine Verdachtsdiagnose stellen. Der Verdacht erhärtet sich, wenn in der Familie Fälle der Thalassämie bekannt sind oder Angehörige aus Regionen stammen, wo die Thalassämie vermehrt auftritt (Mittelmeerraum, Südostasien). In der klinischen Untersuchung fällt besonders eine sehr blasse Haut und je nach Verlauf und Zeitpunkt der Vorstellung weiter Veränderungen (Knochenveränderungen, Infektanfälligkeit, vergrößerte Milz) auf. Zur weiteren Abklärung wird der Arzt eine Blutprobe entnehmen.
Im Blutbild fällt ein niedriger Hämoglobin-Gehalt bei normalem oder erhöhtem Eisenwert auf. Bei Betrachtung der Zellen unter dem Mikroskop sind blasse kleine rote Blutkörperchen typisch, der Fachbegriff dafür ist mikrozytäre, hypochrome Anämie.
Spezielle Untersuchungen der Gene auf mögliche Defekte und damit der zugrunde liegenden Ursache folgen.
Eine sehr häufige Form der hypochromen, mikrozytären Anämie ist die Eisenmangelanämie. Auch hier leiden Betroffene unter den typischen Symptomen der Blutarmut mit blasser Haut, Leistungsschwäche und Herzrasen. Im Blutbild fällt hier jedoch ein erniedrigter Eisenspiegel auf und lässt sich so leicht von der Thalassämie unterscheiden (Eisenwert normal oder erhöht).
Die Behandlung sollte in spezialisierten Kliniken durchgeführt werden (beispielsweise Klinik für Pädiatrische Hämatologie). Eine regelmäßige Vorstellung ist zur Überwachung des Krankheitsverlaufs sehr wichtig.
Die Thalassaemia minor muss in der Regel nicht behandelt werden (teilweise helfen Nahrungsergänzungsmittel mit Vitamin B12 oder Folsäure, wenn milde Formen der Blutarmut auftreten).
Die Thalassaemia intermedia und die Thalassaemia major können unbehandelt einen schwerwiegenden bis tödlichen Verlauf nehmen. Regelmäßige Bluttransfusionen (alle 3 Wochen) sollen das Allgemeinbefinden verbessern, normales Wachstum ermöglichen, Knochenschäden und Knochenveränderungen vermeiden.
Da die häufigen Bluttransfusionen den Eisengehalt im Blut erhöhen, erhalten Patienten zur Vermeidung von Eisenablagerungen in den Organen sogenannte Eisenbinder.
Bei schwerem Krankheitsverlauf kann die Entfernung der Milz, die Häufigkeit der Bluttransfusionen herabsetzen und weitere Komplikationen verhindern.
Eine Heilung der Erkrankung ist nur mit einer Stammzelltherapie möglich. Dieser Eingriff ist riskant und wird in der Regel nur bei schweren Formen der β-Thalassaemia major durchgeführt.
Durch den Einsatz von Stammzelltransplantation, (sichere) Bluttransfusionen und den Einsatz von Eisenbindern können betroffene Patienten mittlerweile ein normales Alter erreichen.
Betroffene sollten regelmäßig vom Arzt untersucht werden, um mögliche Komplikationen früh zu erkennen, zu behandeln oder vorzubeugen. Dazu gehören Röntgenaufnahmen zur Kontrolle von Skelettveränderungen oder Herzuntersuchungen.
Vorbeugende Maßnahmen sind auch die vorgeburtliche Untersuchung und genetische Beratung von betroffenen Frauen mit Kinderwunsch.
Bei milden Formen (Thalassaemia minor) kann sich die Einnahme von Vitamin B12 oder Folsäure positiv auf den Verlauf auswirken.
Auf folgender Internetseite finden sie Adressen von Kliniken, die sich auf Bluterkrankungen von Kindern spezialisiert haben:
https://www.kinderblutkrankheiten.de/content/services/kliniken/#e156914
Selbsthilfegruppen für Betroffene zum Austausch und mit hilfreichen Informationen finden sie hier:
http://www.ist-ev.org/was-wir-wollen/
aktualisiert am 25.02.2021