Liegt die orthopädische Fehlbildung eines Spitzfußes vor, berührt die Ferse des betroffenen Menschen im Stand nicht den Boden. Daher stammt auch die Bezeichnung Pes equinus oder Pferdefuß: Die Tiere bewegen sich auf der Spitze der mittleren Zehe. Die Einhufer entwickelten sich im Laufe der Evolution zu perfekten Schnellläufern im „Zehengang“.
Doch die menschliche Anatomie ist für eine Fortbewegung auf der Zehe oder besser dem Vorfuß nicht eingerichtet: Das gesamte Körpergewicht wird von den Zehen getragen, der Fuß rollt nicht ab.
Ursache ist eine mangelhafte Beweglichkeit im Sprunggelenk, die wiederum auf unterschiedliche Auslöser zurückzuführen ist. Betroffene können die Ferse nicht auf den Boden drücken und den Fuß nicht ordnungsgemäß abrollen. Das Anziehen des Fußes beziehungsweise des Fußrückens nach oben in Körper-Richtung ist nicht oder nur begrenzt möglich.
Ein Spitzfuß ist entweder eine angeborene Fehlbildung oder er wird erworben. Neugeborene mit Spitzfuß
In der Mehrzahl der Fälle entsteht der Spitzfuß jedoch später. Bei größeren Kindern oder Erwachsenen sind es meist Schäden des Nervensystems, die zu einem Ungleichgewicht der Bein- und Fußmuskulatur und damit zu der Fehlstellung führen. Entweder liegt ein zu starker Zug der Wadenmuskulatur vor (Spastik, Verkrampfung) oder eine Schwächung oder schlaffe Lähmung der Muskeln, die den Fuß nach oben ziehen. In der Folge versteift der Fuß und kann nicht mehr ordnungsgemäß abrollen. Zu diesen neurologischen Ursachen für einen Spitzfuß gehören:
Verletzungen, die direkt die Sehnen oder Gelenke betreffen, können auch zu einer Fehlstellung wie dem Spitzfuß führen. Eine Verkürzung von Sehnen und Muskulatur durch längere Bettlägerigkeit, häufig bei sehr alten Patienten, kann ebenfalls eine Ursache für einen erworbenen Spitzfuß sein. Hier genügt oft schon das Gewicht der Bettdecke auf den Fußen. Die Fußspitze wird in diesen Fällen dauernd nach unten gedrückt. Die Achilles-Sehne verkürzt sich in der Folge.
Je nach Ursache sind beide Füße betroffen oder nur einer – etwa nach einem Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung. Wenn der Spitzfuß einseitig auftritt, hinken die Betroffenen. Die Patienten haben einen unsicheren Gang und Stand. Beständiger „Zehengang“ belastet den vorderen Teil des Fußes erheblich. Nicht nur die Strukturen im Vorfuß, sondern auch das Knie- und Hüftgelenk werden auf die Dauer stark in Mitleidenschaft gezogen: Die Fehlbelastung und Schiefstellung beeinträchtigt den gesamten Bewegungsapparat. Deutliche Beschwerden stellen sich meist erst nach einiger Zeit ein. Je nach Belastungs-Intensität nimmt beispielsweise das Sprunggelenk Schaden.
Für eine erste Diagnose genügt der Augenschein: Der Patient ist nicht in der Lage, plan aufzutreten und die Ferse auf den Boden zu drücken. Um den Status der Fehlbildung herauszufinden, sind allerdings Röntgenbilder der Fußknochen unabdingbar.
Eine Elektromyographie gibt Auskunft darüber, ob die Muskulatur von Unterschenkel und Fuß ordnungsgemäß arbeiten: Diese Untersuchung misst die elektrische Spannung der beteiligten Muskeln.
Noch exaktere Ursachenforschung ermöglicht eine Kernspintomographie. Diverse weitere Tests zeigen, inwieweit neurologische (die Nerven betreffende) Ursachen zugrunde liegen könnten.
Der Spitzfuß ist sofort daran erkennbar, dass die Betroffenen gar nicht anders können, als auf den Zehen zu laufen. Die Ferse berührt den Boden nicht. Damit ist auch die Unterscheidung von anderen Krankheitsbildern meist deutlich. Die Ursache des Spitzfußes muss jedoch ermittelt werden. Des Weiteren können Kinder sich auch ohne Erkrankung angewöhnt haben, auf den Zehenspitzen zu gehen (habitueller Zehenspitzengang).
Schon um längerfristige Fehlbelastungen zu verhindern, sollte ein Spitzfuß korrigiert werden.
Welche Maßnahmen notwendig sind, wird im Einzelfall mit Blick auf die Ursachen und eventuelle Beschwerden entschieden.
Krankengymnastik ist recht effektiv: Muskeln und Sehnen in Fuß und Unterschenkel werden dabei aktiv und passiv gedehnt und stimuliert. Mit der Zeit wird so eine normale Fußstellung und Bewegungsmechanik erzielt.
Im Frühstadium eines Spitzfußes bringen Eigenblut-Injektionen oft Erfolg. Die Bezeichnung ACP steht dabei für Autologous Conditioned Plasma, das im im Bereich der verkürzten Muskeln und Bänder injiziert wird. Diese Behandlungsform wird gerne bei Kindern oder unmittelbar nach einer auslösenden Erkrankung oder Verletzung angewendet.
Bei schwereren Fällen hilft ein Stehgips am Unterschenkel. Dieser wird immer wieder erneuert und angepasst, damit die Gliedmaßen allmählich in die ursprüngliche Position zurückgebracht werden. Diese Methode erfordert Geduld.
Erst wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen, wird eine Operation in Betracht gezogen, bei der beispielsweise die Achilles-Sehne verlängert wird. Auch eine Arthroskopie (Operation über eine Gelenkspiegelung) geschädigter Gelenke kommt in Frage.
Erwachsene mit Beschwerden aufgrund bereits stark strapazierter Gelenkkapseln profitieren von einer operativen Versteifung des oberen Sprunggelenks. Nach einem Eingriff ist ebenfalls das mehrwöchige Tragen eines Gipses notwendig. Anschließend haben sich Nachtschienen und tagsüber keilartige Einlagen bewährt.
Die Heilung eines Spitzfußes ist oft nicht vollständig möglich. Bei Kindern „verwachsen“ sich die fehlerhaften Bewegungsmuster häufig recht gut: Das Laufen auf den Zehen wird lästig und der kindliche Bewegungsdrang tut ein Übriges.
Intensive Therapien sind nach Erkrankungen oder Verletzungen notwendig: Lähmungen oder Schädigungen des Nervensystems und deren Folgen lassen sich oft nicht mehr vollständig beheben. Die Behandlung dient überwiegend dazu, Schäden zu verhindern, die Hüfte, Wirbelsäule oder Knie auf Dauer in Mitleidenschaft ziehen würden.
In einigen Fällen des erworbenen Spitzfußes ist Vorbeugung möglich. Bei bettlägerigen älteren Patienten gilt es, durch Physiotherapie die Wadenmuskeln und den Sehnenapparat flexibel zu erhalten. Vor allem gezielte Dehnübungen haben sich dabei bewährt. Ein senkrechtes Brett am Fußende des Bettes tut gute Dienste: Die Betroffenen können die Füße abstützen und aktiv gegen das Brett drücken, wobei sie die Waden anspannen.
aktualisiert am 17.06.2019