Prof. Ishak: Eine Spinalkanalstenose ist eine Verengung des Wirbelkanals, auch Spinalkanal genannt. Der Raum, in dem normalerweise die Nerven und das Rückenmark verlaufen, ist deutlich eingeengt. Diese Verengung führt zu Druck auf die Nervenstrukturen und teilweise auch auf das Rückenmark. Ursache sind oft Verschleißerscheinungen wie ein Bandscheibenvorfall, verdickte Gelenke oder verdicktes Gewebe. Diese Einengung kann viele Symptome hervorrufen. Man kann sich das bildlich vorstellen wie einen Tunnel, durch den eine Autobahn führt. Ist dieser Tunnel verengt, kommt es zu Verkehrsbehinderungen. Ebenso führt eine Verengung des Spinalkanals zu Störungen der Nervenleitung und damit zu Nervenschmerzen.
Prof. Ishak: Die Diagnose ist in der Regel sehr komplex, da die Symptome oft unspezifisch und vielfältig sind. Man darf nicht vergessen, dass es auch andere Erkrankungen gibt, die ähnliche Symptome hervorrufen können. Zum Beispiel Knie- und Hüftbeschwerden oder auch entzündliche Krankheiten des Nervensystems. Bei Patienten mit Diabetes mellitus sehen wir solche Symptome oft als sogenannte Polyneuropathie. Nicht zu vergessen sind Gefäßerkrankungen wie die periphere arterielle Verschlusskrankheit der Beine, die ebenfalls zu Beinschmerzen führen können. Es ist wichtig zu wissen, dass diese Symptome schleichend, chronisch und langsam fortschreitend sind. Daher ist eine gründliche klinische Untersuchung erforderlich, um die Diagnose zu stellen.
Bildgebende Verfahren wie die Kernspintomographie (MRT), die als Goldstandard gilt, spielen dabei eine entscheidende Rolle. Auch die Computertomographie (CT) ist sehr hilfreich, vor allem bei Patienten, die keine MRT-Untersuchung wünschen, sei es wegen Klaustrophobie oder wegen eines nicht MRT-tauglichen Herzschrittmachers. In der Regel reicht das aus, um den Patienten ausreichend zu beraten. Entscheidend ist jedoch die sorgfältige Anamnese. Es muss genau erfragt werden, wo die Schmerzen lokalisiert sind, seit wann sie bestehen und welche Beschwerden der Patient genau hat.
Die Diagnose ist in der Regel sehr komplex, da die Symptome oft unspezifisch und vielfältig sind.
Prof. Ishak: Klassisch sind Schmerzen im unteren Rücken, die in die Beine ausstrahlen, die sogenannte Lumboischialgie. Patienten sagen oft: "Ich habe Ischias". Weitere Symptome sind Taubheit, Kribbeln, Muskelschwäche und Schwierigkeiten beim Gehen, vor allem über längere Strecken. Entscheidend ist, dass der Patient häufig beklagt, nach wenigen Metern (in der Regel 50 bis 100 Meter) kurz anhalten zu müssen, weil die Beine schwer und müde werden. Danach kann die Belastung wieder aufgenommen werden. Dies kann ein Hinweis auf eine Spinalkanalstenose sein.
Entscheidend ist, dass der Patient häufig beklagt, nach wenigen Metern (in der Regel 50 bis 100 Meter) kurz anhalten zu müssen, weil die Beine schwer und müde werden.
Bei einer Spinalkanalstenose führt kurzes Stehenbleiben nicht unbedingt zu einer Schmerzlinderung. Stattdessen hilft vor allem Vorbeugen, also zum Beispiel Bergaufgehen oder Fahrradfahren, was bei einer Spinalkanalstenose relativ gut funktioniert. Denn durch das Vorbeugen weitet sich der Spinalkanal, was die Beschwerden lindert.
Prof. Ishak: Die häufigste Ursache für eine Spinalkanalstenose ist eine altersbedingte, sogenannte degenerative Veränderung - also Verschleißerscheinungen. Wenn wir älter werden, altert auch unsere Wirbelsäule. Dazu gehören zum Beispiel Arthrosen der Wirbelgelenke und Bandscheibenvorfälle. Die Bandscheibe verliert mit zunehmendem Alter an Wasser und Höhe, was zu einer Umverteilung der Kräfte führt - von vorne, wo sich Bandscheibe und Wirbel befinden, nach hinten, wo sich Bänder und Gelenke befinden. Diese Bänder und Gelenke verdicken sich und engen den Rückenmarkskanal und die Nerven im 360-Grad-Winkel ein. Selten sind Traumata oder angeborene Fehlbildungen die Ursache. Heute weiß man aber auch, dass vor allem junge Patienten mit einer genetischen Vorbelastung anfälliger für eine Spinalkanalstenose sein können. Diese Patienten müssen ernst genommen werden, da sie oft bei der Untersuchung beschwerdefrei im Sprechzimmer sitzen. Entscheidend ist die Dynamik der Symptome, die man in der Anamnese gut herausarbeiten muss.
Die häufigste Ursache für eine Spinalkanalstenose ist eine altersbedingte, sogenannte degenerative Veränderung - also Verschleißerscheinungen.
Prof. Ishak: Die Lendenwirbelsäule ist besonders anfällig für eine Spinalkanalstenose, da der größte Teil des Körpergewichts in diesem Bereich hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt ist. Besonders betroffen ist der untere Teil der Lendenwirbelsäule. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass dieser Bereich nicht nur am beweglichsten ist, sondern auch am ehesten Veränderungen unterliegt. Man kann sich das wie bei einem Gebäude vorstellen, dessen Fundament besonders stark belastet wird und daher anfälliger für Schäden ist.
Prof. Ishak: Konservative Therapiemaßnahmen stehen immer an erster Stelle, auch wenn wir als Chirurgen gerne operieren. Wir halten uns an die Leitlinien, die besagen, dass zunächst das konservative Spektrum ausgeschöpft werden sollte, um die Lebensqualität deutlich zu verbessern. Dazu gehört auf jeden Fall die Physiotherapie, die vor allem durch Kräftigungsübungen der Muskulatur eine wichtige Rolle spielt. Auch eine Schmerzmedikation mit entzündungshemmenden Medikamenten wie Ibuprofen, Voltaren oder Novalgin kann hilfreich sein. Konservative Maßnahmen sind vor allem in den frühen Stadien der Spinalkanalstenose sehr wirksam. Allerdings sind diese Maßnahmen oft nur kurzfristig wirksam. Ist die Einengung des Spinalkanals sehr stark, handelt es sich um ein mechanisches Problem, das nur operativ behandelt werden kann. Man kann sich das vorstellen wie bei einer Wunde, auf die man ein Pflaster klebt: Das Pflaster lindert die Beschwerden, heilt die Wunde aber nicht vollständig. Bei einer fortgeschrittenen Spinalkanalstenose ist eine Operation oft die einzige wirksame Behandlungsmethode, während konservative Maßnahmen eher bei leichteren Fällen sinnvoll sind.
Prof. Ishak: Früher haben wir Spritzen in die Bandscheibe gegeben, aber heute wissen wir, dass diese Methode die Bandscheibe dauerhaft schädigen kann, besonders wenn die Bandscheibe gesund ist. Es ist wichtig zu wissen, dass nicht alle Bandscheiben im Alter erkranken, es gibt auch gesunde Bandscheiben.
Die Hitzesondenbehandlung, auch Denervierung oder Thermokoagulation genannt, zielt auf die Nervenäste im Bereich der kleinen Wirbelgelenke ab, die Rückenschmerzen verursachen. Diese Methode kann Rückenschmerzen lindern, nicht aber Schmerzen, die in die Beine ausstrahlen. Eine Behandlung des Spinalkanals selbst ist mit dieser Methode nicht möglich.
Die Nervenstimulation oder Neuromodulation ist wirklich das letzte Mittel der Wahl. Die Neurostimulation hat einen besonderen Stellenwert bei Patienten, die keine spezifische Ursache für die Spinalkanalstenose oder die Rückenschmerzen haben, oder bei Patienten, die bereits mehrfach operiert wurden, ohne dass eine Schmerzlinderung eingetreten ist. Leider gibt es Therapieversager bei Wirbelsäulenbehandlungen, wenn auch nur in einem geringen Prozentsatz. Für diese Patienten kann die Neurostimulation der letzte Ausweg sein.
Prof. Ishak: Eine Operation ist in der Regel dann notwendig, wenn die Spinalkanalstenose weit fortgeschritten ist, der Druck auf Rückenmark und Nerven enorm ist und konservative Maßnahmen erfolglos geblieben sind. Bei der Operation ist es wichtig, die Verengung, also das mechanische Problem, zu beheben. Dies geschieht mit feinen Instrumenten unter dem Mikroskop. Die Operation wird in der Regel minimal-invasiv durchgeführt.
Bei der Operation ist es wichtig, die Verengung, also das mechanische Problem, zu beheben. Die Operation wird in der Regel minimal-invasiv durchgeführt.
Ich empfehle, die Operation von einem Spezialisten durchführen zu lassen, der diese Eingriffe häufig vornimmt, idealerweise mehrere Hundert pro Jahr. Dann ist die Komplikationsrate sehr gering. Es gibt auch Fortschritte in der Entwicklung, wie die Endoskopie, die wir hier durchführen. Statt zwei bis drei Zentimeter ist der Schnitt nur noch einen Zentimeter lang, und mit der Schlüssellochtechnik kann der gesamte Wirbelkanal entlastet werden. Der Vorteil für den Patienten: Er ist schneller mobil, braucht weniger Schmerzmittel und kann früher nach Hause. Unabhängig davon, ob endoskopisch oder mikrochirurgisch operiert wird, bleibt der Patient in der Regel nur wenige Tage im Krankenhaus und kann meist schon am nächsten Tag wieder aufstehen.Ich lasse meine Patienten oft schon nach 6 bis 8 Stunden aufstehen. Das Problem ist nicht die Operation selbst, sondern die Nachwirkungen der Narkose. Leichte sportliche Aktivitäten sind nach etwa vier bis sechs Wochen wieder möglich.
Ich lasse meine Patienten oft schon nach 6 bis 8 Stunden aufstehen.
Eine Operation sollte nicht durchgeführt werden, wenn es keine klare Ursache für die Beschwerden gibt, die Symptome zu unspezifisch sind oder die Anamnese mehr als 10 Minuten dauert, weil der Arzt das Problem nicht genau erkennen kann. Wenn es keinen bildgebenden Befund gibt und die Symptome nicht passen, ist eine Operation natürlich falsch und kann dem Patienten schaden.
Prof. Ishak: Komplikationen sind sehr selten. Dazu gehören mögliche Verletzungen der Rückenmarkshaut oder der Nerven, Wundheilungsstörungen sowie Blutungen oder Nachblutungen. Blutungen treten häufig bei Patienten auf, die blutgerinnungshemmende Medikamente wie Aspirin oder Bauchspritzen einnehmen. Wenn diese Medikamente noch wirken, kann es zu Nachblutungen kommen. In unserem Zentrum haben wir in den letzten Jahren die Daten von mehreren hundert Patienten ausgewertet. Die Komplikationsrate liegt bei uns zwischen 1,0 und 1,4 Prozent. Diese Daten sind öffentlich zugänglich, denn wir halten Transparenz für unsere Patienten für wichtig. Sie sollen wissen, wie viele Operationen wir durchführen und wie häufig Komplikationen auftreten. Nicht nur die Kompetenz in der Durchführung von Operationen ist wichtig, sondern auch die Beherrschung von Komplikationen. Diese Kompetenz ist entscheidend für das Wohl der Patienten und sollte unbedingt vorhanden sein.
Prof. Ishak: Ich vertrete einen sehr modernen Ansatz in der Wirbelsäulenchirurgie. Früher wurden die Patienten nach einer Operation wochenlang ruhiggestellt, durften nicht sitzen und mussten im Stehen essen. Bei mir gibt es solche Einschränkungen nach der Operation nicht. Der Patient muss nicht auf dem Rücken liegen, er kann sich drehen, wie er will. Das Wohlbefinden des Patienten ist entscheidend für die Genesung. Der Patient darf 6 bis 8 Stunden nach der Operation aufstehen, je nachdem, wie er sich fühlt und wie sein Kreislauf das verkraftet. Spätestens am nächsten Tag sollten alle Patienten unter physiotherapeutischer Anleitung mobilisiert werden. Diese Anleitung umfasst insbesondere das rückenschonende Aufstehen, Bewegen und Hinlegen sowie Aktivitäten wie das Heben aus den Knien und nicht aus gebückter Haltung.
Früher wurden die Patienten nach einer Operation wochenlang ruhiggestellt, durften nicht sitzen und mussten im Stehen essen. Bei mir gibt es solche Einschränkungen nach der Operation nicht.
Die Geschwindigkeit der Genesung hängt vom Patienten ab. Beispielsweise wollen Profisportler, die wir auch behandeln, ein bis zwei Wochen nach der Operation wieder auf dem Platz stehen, weil sie damit ihr Geld verdienen. Wir empfehlen, spätestens nach vier bis sechs Wochen wieder Sport zu treiben. Es gibt aber auch Patienten, die schon nach zwei Wochen wieder arbeiten gehen oder nach zwei bis vier Wochen vorsichtig Radfahren und Joggen. Wichtig ist nicht nur die Empfehlung des Arztes, sondern vor allem, wie sich der Patient fühlt. Er kennt seinen Körper am besten. Weder ich als Operateur noch der Radiologe, der die Bilder gemacht hat, können das besser beurteilen. Wenn der Patient merkt, dass etwas zu viel wird, weil Schmerzen auftreten, muss er die Belastung entsprechend anpassen. Die Patienten haben in der Regel ein sehr gutes Gefühl dafür, was ihnen guttut.
Prof. Ishak: Die Langzeitprognose ist in der Regel sehr gut. Die Prognose kann aber sehr unterschiedlich sein und vor allem von der richtigen Indikationsstellung abhängen. Hier ist auch die Expertise des Wirbelsäulenchirurgen entscheidend. Nur weil man Facharzt für Neurochirurgie oder Orthopädie ist, heißt das nicht automatisch, dass man jede Operation perfekt beherrscht. Für mich ist jede Operation anders. Ich kann nie sagen, dass etwas einfach ist oder dass ich etwas schon hundertmal gemacht habe. Natürlich operiere ich viel, aber ich habe immer das Gefühl, dass man sich auf die individuelle Situation des Patienten einstellen muss. Dabei spielt die Expertise des Operateurs eine wichtige Rolle.
Neben der richtigen Indikationsstellung und dem Können des Operateurs ist auch der Gesundheitszustand des Patienten von Bedeutung. Allerdings muss man heute anerkennen, dass die Anästhesie hervorragende Arbeit leistet, so dass wir auch sehr alte Patienten behandeln können. Wir operieren wöchentlich Patienten, die über 80 oder 90 Jahre alt sind.
Prof. Ishak: Wir haben uns mit dem Thema Endoskopie beschäftigt und diskutieren nun die neuesten Innovationen in diesem Bereich. Die minimal-invasiven Techniken haben sich ständig weiterentwickelt und bieten heute geringere Komplikationsraten und schnellere Genesungszeiten.
Ein Beispiel ist die Mikrochirurgie, bei der mit Mikroskopen gearbeitet wird. Heute gibt es Systeme, die eine Schnittgröße von etwa 2 cm erlauben. Die Vorteile sind eine schnellere Wundheilung, eine schnellere Mobilisierung des Patienten und weniger Muskeltrauma. Der Patient kann früher nach Hause.
Das innovativste Verfahren, das wir derzeit anwenden, ist die Endoskopie. Sie ermöglicht noch kleinere Schnitte und eine permanente Spülung während der Operation. Das senkt das Blutungsrisiko erheblich. Gerade bei Patienten mit angeborener Blutungsneigung oder unter blutverdünnender Therapie kann die endoskopische Operation guten Gewissens empfohlen werden, da sie so wenig Trauma verursacht, dass Nachblutungen unwahrscheinlich sind. Die Endoskopie erlaubt es, mit einem kleinen Schnitt und einer höheren Vergrößerung als mit herkömmlichen Mikroskopen zu arbeiten. Durch die permanente Spülung besteht theoretisch die Möglichkeit, dass Entzündungsmediatoren, die während der Operation entstehen, ausgespült werden. Dies könnte dazu führen, dass der Patient nach der Operation kaum etwas von der Operation mitbekommt. Es besteht aber auch die Gefahr, dass Patienten sich fälschlicherweise für vollständig geheilt halten und sich überanstrengen.
Der Trend geht eindeutig zu minimal-invasiven, endoskopischen Eingriffen, da sie ein minimales Trauma verursachen. Ich denke, diesem Verfahren gehört die Zukunft und es ist vorstellbar, dass solche Operationen in Zukunft auch ambulant durchgeführt werden können.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 10.10.2024.