Eine Wirbelsäulenverkrümmung zur Seite hin wird als Skoliose bezeichnet. Eine Behandlung, in schweren Fällen auch operativ, kann sinnvoll sein, um die Wirbelsäule wieder gerade zu richten.
Eine krumme Wirbelsäule kann auf verschiedene Weise entstehen. In der Mehrzahl der Fälle wird keine spezielle Ursache gefunden (idiopathische Skoliose). Diese Form der Skoliose entwickelt sich oftmals in einem Lebensalter, in dem ein besonders starkes Längenwachstum geschieht, insbesondere also vom 7. bis 9. Lebensjahr und vom 12. bis 15. Lebensjahr. Einige Bereiche der Wirbel wachsen in dieser Zeit schneller als andere, so dass sich die Wirbelkörper drehen und es zu einer Krümmung kommt.
Manchmal ist eine Skoliose auch angeboren. Weiterhin kann eine Skoliose durch bestimmte Erkrankungen verursacht werden (sekundäre Skoliose). Zu diesen Erkrankungen zählen die Erbkrankheit Neurofibromatose, die Scheuermann-Erkrankung (Morbus Scheuermann, eine Wirbelsäulendeformierung durch Knorpelveränderungen), Muskelungleichgewicht an der Wirbelsäule oder Lähmungen, die diesen Bereich betreffen.
Die Krümmung kann an verschiedenen Teilen der Wirbelsäule vorliegen. Nach dem Wirbel in der Mitte der Krümmung werden Skoliosen im Brustbereich (thorakale Skoliose), in der Lendengegend (lumbale Skoliose) oder im Übergangsbereich zwischen Brust- und Lendenwirbelsäule (thorakolumbale Skoliose) unterschieden. Manchmal liegt sowohl eine Thorakal- als auch eine Lumbalskoliose vor.
Bei Skoliose bestehen oft erst keine Beschwerden. Bei stärkerer Ausprägung ist eine Verkrümmung und Verkürzung des Rumpfes sowie teilweise auch ein Buckel und unterschiedlich hohe Schultern zu sehen. Durch die Fehlhaltung kommt es zur mechanischen Belastung und Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule sowie anderen Bereichen des Skeletts, so dass Schmerzen vorhanden sein können. Bei besonders ausgeprägter Wirbelsäulenverkrümmung können innere Organe (Lunge, Herz, eventuell Magen, Darm und Nieren) gequetscht und in ihrer Funktion beeinträchtigt werden.
Der Patient oder seine Eltern werden befragt (Anamnese). Es erfolgt dann eine körperliche Untersuchung, bei der bei verschiedenen Körperhaltungen (z. B. auch beim Beugen nach vorne) die Krümmung beurteilt wird. Eine Röntgenuntersuchung wird durchgeführt. Im Röntgenbild erfolgt auch eine Messung der Skoliosewinkel (in Grad, nach Cobb).
Wichtig ist die Unterscheidung, ob es sich um eine Skoliose unbestimmter Ursache handelt, oder ob eine Grundkrankheit vorliegt. Gegebenenfalls ist dann eine gezielte Therapie der Ursache möglich.
Bei einer gering ausgeprägten Wirbelsäulenverkrümmung muss manchmal keine Behandlung durchgeführt werden. Krankengymnastik kann sinnvoll sein. Bei stärkerer oder zunehmender Skoliose sollte eine Therapie erfolgen. Bei einer Krümmung von mehr als 20°, aber weniger als 45° nach Cobb wird meist eine Therapie mit einem stützenden Korsett durchgeführt. Eine solche Korsettbehandlung erfolgt über eine längere Zeit, meist bis zum Abschluss des Wachstums.
Liegt in der verkrümmten Wirbelsäule ein Winkel von über 45° nach Cobb vor, so ist eine Operation angezeigt. Diese sollte etwa zu dem Zeitpunkt vorgenommen werden, bei dem bei Jungen der Stimmbruch und bei Mädchen die erste Periodenblutung eingetreten ist. Manchmal ist die OP bereits früher sinnvoll. Durch den Eingriff soll die Wirbelsäule begradigt werden und eine weitere Verkrümmung verhindert werden. Bei lähmungsbedingter Skoliose ist oftmals nur nach einer Operation das Sitzen im Rollstuhl möglich. Bei Erwachsenen ist ein Eingriff sinnvoll, wenn die Skoliose sich weiterhin verstärkt oder wenn durch die Skoliose ständige Rückenschmerzen bestehen. Bei sehr starker Krümmung kann die Herz- und Lungenfunktion gebessert werden.
Vor der Operation erfolgt zunächst eine Vorbehandlung. Oft muss eine Lockerung der Bänder über einige Wochen erfolgen, wenn diese verkürzt sind. Dazu wird eine so genannte Glisson-Schlinge um den Kopf gelegt und Kopf und Hüfte dann auseinandergezogen. Bei einer Skoliose mit einem Winkel von über 70° nach Cobb muss meist ein Kopfring (Halo) durch eine kleine Operation (in örtlicher Betäubung oder in Vollnarkose) durch Schrauben am Schädel befestigt werden, um durch das eigene Körpergewicht die Wirbelsäule zu strecken (Halo-Eigengewichtextension). Möglich ist auch ein Anbringen eines solchen Halo-Ringes und Einführen eines Drahtes durch die Oberschenkelknochen während der Operation, um eine Zugwirkung auf die Wirbelsäule auszuüben.
Die eigentliche Operation zur Korrektur der Wirbelsäule erfolgt in Vollnarkose. Abhängig vom Befund können verschiedene Operationsmaßnahmen vorgenommen werden.
Beim Zugang von vorne wird bei Skoliosen im Brustbereich ein seitlicher Einschnitt entlang der Rippen, bei Skoliosen im Lendenbereich ein Einschnitt an der Flanke getätigt.
Manchmal muss das Zwerchfell von der inneren Rumpfwand abgetrennt werden. Zunächst werden im jeweiligen Bereich die Bandscheiben herausgenommen, dann werden Stäbe und Schrauben zur Begradigung und Stabilisierung eingearbeitet. Diese sollen nach Möglichkeit bereits nach einigen Tagen dafür sorgen, dass der Patient aufrecht stehen oder sitzen kann (primäre Stabilität).
Beim Zugang von hinten wird ein mittiger Einschnitt am Rücken angelegt. Die Wirbelbögen und Wirbelgelenke werden freipräpariert. Die Wirbelsäule wird ebenfalls durch ein System aus Stäben und Schrauben aufgerichtet, so dass nach wenigen Tagen eine primäre Stabilität erreicht werden kann.
Bei lähmungsbedingter Rückenverkrümmung werden die Implantatstäbe oftmals am Beckenknochen oder am Kreuzbein befestigt, so dass die Wirbelsäule auch im unteren Bereich stabil begradigt wird (Luque-Galveston-Technik).
Bei einer durch Muskelerkrankung verursachten Skoliose kann ein so genannter Teleskopstab eingesetzt werden, der eine Begradigung ermöglicht, ohne dass das Wachstum durch eine starre Konstruktion behindert wird.
Wenn bei einem Kind eine schnell zunehmende Skoliose vorliegt, so wird ein Stab eingearbeitet, der jeweils nach einem halben bis einem Jahr neu eingestellt wird. Da die Stabilität noch unterstützt werden muss, muss der Patient während der Zeit zusätzlich ein Stützkorsett tragen.
Bei Skoliose in den unteren Brustwirbeln oder den oberen Lendenwirbeln ist oft ein kombinierter Eingriff von vorn und von hinten sinnvoll. Dies kann in einem oder in zwei einzelnen Operationen erfolgen. Als vorderes System werden Schrauben und ein Gewindestab (beispielsweise das so genannte VDS-System) verwendet, für den hinteren Bereich wird ein System mit primärer Stabilität genommen. Mit einer solchen kombinierten OP von vorne und hinten wird bei Fehlbildungen, die zu einer Skoliose führen, im vorderen Bereich ein halber Wirbelkörper entnommen und hinten ein Implantatsystem zur Begradigung eingearbeitet.
Wenn die gekrümmte Wirbelsäule besonders starr ist, muss manchmal in einer vorangehenden Operation eine Durchtrennung des vorderen Längsbandes oder eine Entfernung von Bandscheiben vorgenommen werden.
Bei sehr schwerwiegenden Fehlbildungen sowie bei einigen Wirbelsäulenverkrümmungen bei Erwachsenen muss häufig zunächst eine OP über einen hinteren Zugang erfolgen, bei der z. B. Verknöcherungen gelöst werden. Erst dann kann die „normale“ Operation der Skoliose von vorne durchgeführt werden. Bisweilen können drei Eingriffe notwendig werden (dreiseitige Operation, 1. von hinten, 2. von vorne, 3. von hinten).
Bei einer Skoliose-Operation ist häufig eine knöcherne Versteifung der Wirbelsäule (Spondylodese) notwendig, damit eine dauerhafte Stabilität gegeben ist. Dazu muss Knochenmaterial zwischen die Wirbelkörper oder in die vorher aufgemeißelten Wirbelbögen eingefügt werden. Das benötigte Knochengewebe wird beim Zugang von vorne meist aus einer entfernten Rippe herausgenommen, beim Zugang von hinten meist aus dem Beckenknochen, dem Darmbein oder manchmal auch dem Wadenbein.
Das eingesetzte Implantat, das meist aus Metall besteht, wird normalerweise nicht entfernt, außer wenn Komplikationen dazu zwingen.
Bestimmte Befunde oder Komplikationen können es notwendig machen, die Operationsmethode abzuändern oder zu erweitern.
Durch die Operation können Strukturen in der Nähe geschädigt werden. Es kann zu Blutungen, Nachblutungen und Blutergüssen kommen. Infektionen, Wundheilungsstörungen und Narbenbildungen können auftreten. Durch Verletzung von Nerven kann es unter anderem zu Sensibilitätsstörungen oder Lähmungserscheinungen kommen. Eine Querschnittlähmung ist nicht auszuschließen. Auch innere Organe können unter Umständen verletzt werden, z. B. die Lunge. Nicht auszuschließen ist eine mangelnde Knochenheilung mit Bildung eines so genannten Falschgelenks (Pseudarthrose). Knochen und Muskeln können durch eine Bewegungseinschränkung schwächer werden. Allergische Reaktionen jeden Schweregrades sind möglich. Das eingebrachte Fremdmaterial kann sich lockern oder bei Belastung brechen. Noch nach Jahren können sich an den Implantatstäben Flüssigkeitsansammlungen (Serome) bilden, die dann dazu führen, dass das Material entfernt werden muss. Nach einem Jahr ist der Knochen meist so stabil eingeheilt, dass trotz der Entfernung keine Verstärkung der Krümmung mehr auftritt.
Hinweis: Dieser Abschnitt kann nur einen kurzen Abriss über die gängigsten Risiken, Nebenwirkungen und Komplikationen geben und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das Gespräch mit dem Arzt kann hierdurch nicht ersetzt werden.
Durch die Skoliose-Operation kann die Krümmung in aller Regel deutlich verbessert werden. Die Erfolgsaussichten sind abhängig von der Ursache und der Schwere der Skoliose. In den meisten Fällen kann der Winkel um etwa die Hälfte verringert werden, bei günstigen Voraussetzungen kann der Winkel auch um 80 Prozent oder mehr begradigt werden. Eine komplett gerade verlaufende Wirbelsäule kann allerdings nicht erreicht werden. Insbesondere im Lendenbereich kann eine Versteifung für den Patienten störend sein.
In vielen Fällen müssen Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, beispielsweise Marcumar® oder Aspirin®, vor einer Operation abgesetzt werden. Dies geschieht immer in Absprache mit dem Arzt.
Im Anschluss an die Operation wird oft für eine Nacht eine Überwachung auf der Intensivstation notwendig.
Eine Magensonde kann gelegt werden, um vorübergehend den Magen-Darm-Trakt zu schonen.
Die Wirbelsäule muss für einige Zeit besonders geschont werden. Die Dauer richtet sich nach der Operation und dem Befund und wird mit dem Arzt besprochen. Bestimmte Sportarten und Tätigkeiten, die eine Belastung oder Gefährdung der Wirbelsäule bedeuten, sollten auch später nicht ausgeübt werden.
Bei Besonderheiten, die auf Komplikationen hindeuten könnten, sollte der Arzt kontaktiert werden, um eine eventuell notwendige Behandlung durchzuführen.
aktualisiert am 20.10.2020