Prof. Riemekasten: Es handelt sich im Wesentlichen um eine Autoimmunerkrankung, die potenziell alle Organe des Körpers befallen kann. Die Krankheit ist durch drei Hauptmerkmale gekennzeichnet: Zum einen kommt es zu 1. Veränderungen in den Blutgefäßen, die schließlich zu deren Verstopfung führen können. Zum anderen reagieren die Blutgefäße überschießend, was zu Entzündungen führen kann.
2. Kommt es zu Entzündungen der Gefäße und vielen Organen, vor allem in der Haut und der Lunge. Schließlich kommt es zu einer Vernarbung/Fibrose der Gefäße, die sich auf verschiedene Organe auswirkt, insbesondere auf solche, die sich an den Grenzflächen zur Umwelt befinden, wie die Lunge, die Haut und der Magen-Darm-Trakt.
Es handelt sich im Wesentlichen um eine Autoimmunerkrankung, die potenziell alle Organe des Körpers befallen kann.
Prof. Riemekasten: Es gibt zahlreiche entzündliche systemische Autoimmunerkrankungen. Der Hauptunterschied besteht darin, dass wir hier ein klares Muster von Gefäßveränderungen und Fibrose finden, das bei keiner anderen Autoimmunerkrankung zu beobachten ist.
Prof. Riemekasten: Die Datenlage in Deutschland ist insgesamt nicht sehr gut, sodass wir häufig auf Informationen aus Ländern mit besserer Datenlage angewiesen sind. Wir gehen davon aus, dass etwa 300 Menschen pro eine Million Einwohner von dieser Erkrankung betroffen sind. Insgesamt schätzen wir, dass es in Deutschland etwa 25.000 Patienten mit dieser Erkrankung gibt. Darüber hinaus gehen wir von etwa 2.500 Neuerkrankungen pro Jahr aus.
Prof. Riemekasten: Die meisten Menschen erkranken im Alter zwischen 30 und 50 Jahren. Die Erkrankung ist jedoch nicht strikt auf diese Altersgruppe beschränkt. Gelegentlich tritt sie sogar bei älteren Menschen ab 65 oder 70 Jahren auf und kann in diesen Fällen besonders aggressiv verlaufen. Sehr selten sind Kinder betroffen. Es ist auch bekannt, dass das Krankheitsbild je nach Zeitpunkt des Auftretens variieren kann.
Im Allgemeinen kann man jedoch sagen, dass Menschen zwischen 30 und 50 Jahren am häufigsten betroffen sind. Bemerkenswert ist, dass Frauen etwa dreimal häufiger erkranken als Männer. Dieses Muster findet sich häufiger bei entzündlichen Systemerkrankungen und allgemein bei rheumatologischen Erkrankungen. Es gibt verschiedene Gründe, warum Frauen häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen sind.
Zum Beispiel enthält das X-Chromosom viele Gene, die die Regulation des Immunsystems beeinflussen. Im Laufe des Lebens kann es dazu führen, dass das X-Chromosom in Immunzellen bei Frauen anders positioniert ist als bei Männern. Eine andere Theorie besagt, dass Frauen, die Kinder gebären, manchmal männliche Zellen überleben lassen, was zu einer chronischen Abwehrreaktion führen kann. Es gibt auch Untersuchungen zur Epigenetik, die zeigen, dass bestimmte Gene bei Frauen anders abgelesen werden als bei Männern. Insgesamt wissen wir, dass es auch hormonabhängig deutliche Unterschiede im Immunsystem zwischen Männern und Frauen gibt. Das angeborene Immunsystem scheint bei Männern manchmal stärker betroffen zu sein, während das adaptive Immunsystem bei Frauen einige Unterschiede zu Männern aufweist.
Die meisten Menschen erkranken im Alter zwischen 30 und 50 Jahren.
Prof. Riemekasten: Bei den meisten Patienten kann ein sogenanntes Raynaud-Syndrom vorliegen, bei dem es zu einer scharf begrenzten Veränderung der Haut an den Fingern kommt. Dies äußert sich darin, dass die Finger bei Kälte oder Stress plötzlich weiß werden. Dieses Phänomen wird oft als "Weißfingerkrankheit" bezeichnet. Häufig folgt auf die Weißfärbung eine Blaufärbung der Finger, die bei Erwärmung wieder in eine Rötung übergehen kann. Dieser Vorgang kann manchmal schmerzhaft sein.
Beginnt das Raynaud-Syndrom erst nach dem 40. Lebensjahr und geht mit Hautverdickungen und Taubheitsgefühlen einher, sollte an eine systemische Sklerose gedacht werden. Das Raynaud-Syndrom führt häufig dazu, dass die Betroffenen aufmerksam werden und einen Arzt aufsuchen. Der Arzt kann dann gezielte diagnostische Untersuchungen durchführen. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass die systemische Sklerose eine sehr vielgestaltige Erkrankung ist, die sehr unterschiedliche initiale Symptome hervorrufen kann.
Bei einigen Patienten können schwerwiegende Symptome wie Atemnot, Muskelschmerzen oder sogar Nierenversagen auftreten. Viele Patienten berichten außerdem zusätzlich zum Raynaud-Syndrom über eine Hautverdickung, die fortschreitet und die Feinmotorik der Finger beeinträchtigt. Die Verdickung der Haut führt dazu, dass die Hände nicht mehr so gut funktionieren und die Feinbewegungen beeinträchtigt sind. Dies kann zu Gelenkschmerzen führen, die ebenfalls ein häufiges Symptom sind und die Patienten häufig zum Arzt führen. Es ist wichtig zu betonen, dass die systemische Sklerose eine entzündliche Systemerkrankung ist, die viele Organe betreffen kann. So werden Patienten nicht nur von Dermatologen wegen der Raynaud-Symptome überwiesen, sondern auch von Gastroenterologen wegen der gastrointestinalen Beteiligung und von Pneumologen wegen der mit der Erkrankung verbundenen Lungenerkrankungen.
Prof. Riemekasten: Die Rolle der Gene bei der systemischen Sklerose ist wahrscheinlich gering. Epidemiologische Studien deuten darauf hin, dass die Vererbung praktisch nicht vorhanden ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person die Krankheit an ihre Kinder weitergibt, liegt unter 1 %. Das ist ermutigend. Es wird vermutet, dass eine Vielzahl von Genen eine Rolle spielt, insbesondere solche, die die Immunregulation beeinflussen. Die genetische Veranlagung allein reicht demnach allein nicht aus.
Epidemiologische Daten deuten darauf hin, dass Umweltfaktoren eine wichtige Rolle spielen. Diese Faktoren können eine breite Palette von Substanzen umfassen, darunter Lösungsmittel, Silikate, Steinstaub, Farben, Reinigungsmittel, Parfums oder auch Schweißrauch. Diese Substanzen können die Proteine an den Grenzflächen des Körpers beeinflussen, was zu Veränderungen führen kann. Es ist wichtig zu beachten, dass genetische Faktoren zwar eine Rolle spielen, Umweltfaktoren aber wahrscheinlich noch wichtiger sind.
Bei der systemischen Sklerose sind viele Faktoren miteinander verknüpft und es müssen viele Faktoren zusammenkommen, um die Krankheit auszulösen. Ein Beispiel: Brustimplantate, insbesondere solche aus Silikon, können in seltenen Fällen das Risiko für Sklerodermie erhöhen, wenn sie beschädigt werden. Dies betrifft jedoch nur wenige Menschen, da Brustimplantate von den meisten Menschen gut vertragen werden. Es ist daher wichtig zu verstehen, dass eine Kombination verschiedener Faktoren erforderlich ist, um diese Krankheit zu entwickeln.
Bei der systemischen Sklerose sind viele Faktoren miteinander verknüpft und es müssen viele Faktoren zusammenkommen, um die Krankheit auszulösen.
Prof. Riemekasten: Neben den genannten Ursachen, spielen sicherlich auch chronische Virusinfektionen eine wichtige Rolle. Diese führen immer wieder zu einer Aktivierung des Immunsystems. Wir leben in ständigem Kontakt mit einer Vielzahl von Viren, von denen einige bei fast jedem Menschen vorkommen. Dies kann zu einer ständigen Aktivierung des Immunsystems führen. Irgendwann kommt der Punkt, an dem das Immunsystem fehlgeleitet wird und beginnt, körpereigene Strukturen anzugreifen.
Interessanterweise haben einige Viren Strukturen, die denen des menschlichen Körpers sehr ähnlich sind. In solchen Fällen kann es für das Immunsystem schwierig sein zu entscheiden, ob es das Virus angreifen soll oder die körpereigenen Strukturen, an die das Virus gebunden ist. Daher gibt es gewisse Parallelen zwischen Krankheiten wie der systemischen Sklerose und COVID-19-Infektionen. Beide könnten möglicherweise auf die Beteiligung von Viren zurückzuführen sein, insbesondere von solchen, die die Lunge befallen.
Prof. Riemekasten: Das kann man nicht pauschal sagen, aber das ist ja gerade das Faszinierende an der Rheumatologie: Jeder Patient erlebt einen ganz individuellen Verlauf seiner Erkrankung. Und jeder kann den Verlauf seiner Erkrankung auch in gewisser Weise beeinflussen. Bei vielen Patienten stehen Durchblutungsstörungen der Hände im Vordergrund. Dann kann es zu einer weiß-blauen oder sogar roten Verfärbung der Finger kommen, begleitet von Taubheitsgefühlen.
Im weiteren Verlauf verdickt sich die Haut an den Fingern, was zu Gelenkbeschwerden führen kann. Auch Magen-Darm-Beschwerden wie Durchfall, Verstopfung, Blähungen und Sodbrennen können auftreten. Dies sind häufige Symptome. Bei einigen Patienten, insbesondere bei Patienten mit einem risikoreichen Verlauf, entwickeln sich offene Stellen an den Fingern, die auf eine Verstopfung der Blutgefäße und auf eine Mangelversorgung der Fingergefäße hindeuten. Die Folge ist, dass die Fingergefäße oder die Fingerhaut nicht mehr ausreichend durchblutet werden. Schmerzhafte digitale Ulzerationen oder Fingergeschwüre treten auf.
Wenn solche Symptome bestehen, haben die Patienten oft ein erhöhtes Risiko, dass auch andere Gefäße verstopfen, insbesondere die Lungengefäße. Dies kann zu einer pulmonalen Hypertonie (Lungenhochdruck) führen, die sich durch Kraftminderung, verstärkte Schmerzen bei Belastung, Schwindel und vor allem Atemnot bei Belastung bemerkbar macht. Herzrhythmusstörungen können auftreten, was eine schwere Erkrankung darstellt und als eine der schwersten Verlaufsformen der systemischen Sklerose gilt. Es gibt auch Patienten, bei denen die Krankheit zu Beginn eine ausgeprägte Hautfibrose verursacht, die den Körperstamm betrifft.
Im weiteren Verlauf kommt es zu Muskelschmerzen und einer interstitiellen Lungenerkrankung, die sich in zunehmender Atemnot bei Belastung äußert. Häufiger treten Begleiterkrankungen wie Angstzustände oder Depressionen auf. Wie Sie sehen, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Symptome und Beschwerden, die auftreten können. Deshalb ist es wichtig, bei jedem Patienten das individuelle Problem zu erkennen und den besten Behandlungsansatz zu finden. Es gibt also kein festes, klassisches Krankheitsbild, da jeder Patient sehr unterschiedlich erkranken kann.
Und jeder kann den Verlauf seiner Erkrankung auch in gewisser Weise beeinflussen.
Prof. Riemekasten: Ein Teil der Patienten entwickelt eine Hautfibrose unterhalb der Ellenbogen- oder Kniegelenke, die als limitiert-kutane Form der systemischen Sklerose bezeichnet wird. Ein anderer Teil der Betroffenen entwickelt eine diffuse Hautfibrose oberhalb der Ellenbogen- und Kniegelenke oder sogar am gesamten Körperstamm. Das Ausmaß der Hautbeteiligung kann einen gewissen Hinweis auf die Beteiligung innerer Organe geben, aber dieser Zusammenhang ist nicht immer gegeben.
Es gibt auch Patienten, die keine oder nur eine geringe Hautfibrose haben, aber dennoch schwere Organbeteiligungen aufweisen. Die Einteilung in (auf die Akren) limitierte und diffuse Formen ist zum Teil historisch bedingt und diente dazu, grobe Unterscheidungsmerkmale zu finden. Beispielsweise haben Patienten mit einer limitierten Form in der Regel weniger Lungenfibrosen, aber möglicherweise mehr gastrointestinale Probleme oder sogar pulmonale Hypertonien.
Andererseits haben Patienten mit schwerer Hautfibrose oft von Anfang an eine Herz- oder Lungenbeteiligung. Heutzutage betrachten wir die Erkrankung jedoch eher als Ganzes und sind vorsichtig bei der Klassifizierung oder Mustererkennung. Stattdessen konzentrieren wir uns darauf, welche Organe beim einzelnen Patienten tatsächlich betroffen sind und welche Beschwerden am dringendsten behandelt werden müssen.
Prof. Riemekasten: Als erfahrener Rheumatologe würde ich sagen, dass etwa 90 Prozent der Diagnosen allein durch die Befragung des Patienten nach seinen Beschwerden (Anamnese) und die klinische Untersuchung gestellt werden können. Wir haben aber viele wichtige Hilfsmittel, von denen die Serologie und die Blutuntersuchungen, insbesondere die Autoantikörper, besonders aussagekräftig sind. Sie geben Aufschluss über Prognosefaktoren und Organbeteiligungen, da wir inzwischen wissen, dass bestimmte Autoantikörper mit bestimmten Komplikationen der Erkrankung assoziiert sind.
Die Kapillarmikroskopie ist eine Methode, um den Zustand der kleinen Blutgefäße zu beurteilen und die Diagnose der systemischen Sklerose zu unterstützen. Veränderungen in den Kapillaren des Nagelfalzes können Hinweise darauf geben, welcher Patient ein erhöhtes Risiko für Komplikationen wie Fingerulzera oder Lungenhochdruck hat. Darüber hinaus führen wir bei jedem Patienten Standarduntersuchungen durch, insbesondere Lungenfunktionstests. Dabei verwenden wir ein spezielles Verfahren, das den Gasaustausch misst. Dieser Gasaustausch, die Diffusionskapazität, ist von großer Bedeutung, da er Aufschluss darüber gibt, wie effizient der Sauerstoff von der Lunge ins Blut transportiert wird. Bei jedem Sklerodermie-Patienten sollte auch eine hochauflösende Computertomographie der Lunge durchgeführt werden, da dies häufig notwendig ist.
In der Rheumatologie ist es von Vorteil, wenn die Klinik eine umfassende Versorgung anbietet, da verschiedene Fachdisziplinen zusammenarbeiten müssen. So sind exzellente Kardiologen, Pneumologen, MRT-Diagnostik, Herzkatheteruntersuchungen, Nierenfunktionstests und eine hochqualifizierte Endoskopieabteilung von großer Bedeutung. All diese Ressourcen ermöglichen es uns, unsere Patienten bestmöglich zu behandeln.
Prof. Riemekasten: Unsere therapeutischen Ansätze sind vielfältig. Zum einen setzen wir vaskulär wirksame Medikamente ein, um die systemische Sklerose und insbesondere die vaskulären Komplikationen sowie das renale Syndrom zu behandeln. Eine weitere Säule sind immunsuppressive oder immunmodulierende Therapien. Denn viele Patienten leiden unter einem überschießenden Immunsystem, das wir wieder in ein normales Gleichgewicht bringen wollen. Mit diesen Ansätzen kann das Immunsystem wieder normal funktionieren.
Außerdem haben wir Medikamente, die gezielt gegen die Fibrose wirken - eine neue, vielversprechende Option. Oft kombinieren wir diese Therapien und in vielen Fällen gelingt es uns, die Krankheit zu stabilisieren und ihr Fortschreiten zu verlangsamen oder für viele Jahre zu verhindern. Bei einem Teil der Patienten können wir zumindest für eine gewisse Zeit sogar eine Besserung erreichen. Am wichtigsten ist, dass die Therapie beginnt, bevor noch ein größerer Schaden besteht. Wir arbeiten intensiv daran, noch wirksamere Therapien zu entwickeln, um noch mehr Patienten helfen zu können. Eine Stabilität zumindest für einige Jahre gelingt aus meiner Sicht bei 70-80% der Patienten.
Bei der Hautfibrose erzielen wir in der Regel gute Ergebnisse. Jedes Organ hat seine eigenen Herausforderungen und manche sind schwieriger zu behandeln als andere. Zum Beispiel bereitet uns die gastrointestinale Beteiligung Schwierigkeiten, weil sie zu Magen-Darm-Problemen führt. Auch die Behandlung der Herzbeteiligung ist nicht immer einfach. Insgesamt gibt es also noch viel Forschungsbedarf und Verbesserungspotenzial. Es ist wichtig zu betonen, dass die systemische Sklerose von Patient zu Patient unterschiedlich verläuft. Mit einer positiven Einstellung, Nikotinkarenz, Eigenmotivation und sportlicher Betätigung können die Patienten jedoch viel für sich tun. Dennoch bleibt die Erkrankung eine große Herausforderung, der wir uns weiterhin stellen müssen, insbesondere angesichts der noch immer hohen krankheitsbedingten Sterblichkeit.
Unsere therapeutischen Ansätze sind vielfältig.
Prof. Riemekasten: Es ist immer schwierig, konkrete Zahlen zu nennen. Grundsätzlich führt die Erkrankung zu einer Vernarbung, das kann sich jeder vorstellen: Vernarbtes Gewebe ist sozusagen "totes" Gewebe. Unser Ziel ist es daher, diese Vernarbung so weit wie möglich zu verhindern. Die Lebenserwartung hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem vom Subtyp der Erkrankung und ihrer Aggressivität. Je nachdem haben wir in den nächsten 10 Jahren eine Lebenserwartung von etwa 50 bis 70%. Unsere Register zeigen immer noch, dass einige unserer Patienten in diesem Zeitraum sterben, aber die Situation hat sich in den letzten Jahren verbessert. Als ich anfing, mich mit dieser Krankheit zu beschäftigen, hatte ich deutlich mehr Patienten, die nach Diagnosestellung in wenigen Jahren verstorben sind. Aber heute können wir durch die Vielzahl der therapeutischen Möglichkeiten viele Patienten über viele Jahre gut betreuen. Trotzdem ist es immer noch eine schwere Erkrankung und wir haben noch nicht alle Mittel, die wir brauchen. Ich bin aber zuversichtlich, dass es in Zukunft weitere Entwicklungen geben wird.
Prof. Riemekasten: Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie) ist eine Erkrankung, bei der die Blutgefäße in der Lunge verengt oder sogar verschlossen sind. Dies führt dazu, dass die Lunge nicht ausreichend mit Blut versorgt wird. Wenn die Lunge nicht ausreichend durchblutet wird, steht weniger Sauerstoff zur Verfügung, den unser Körper für lebenswichtige Funktionen wie Denken und Bewegung benötigt. Ein Mangel an sauerstoffreichem Blut, das normalerweise von der linken Herzkammer in den Körper gepumpt wird, kann zu verschiedenen Problemen führen.
Patienten mit Lungenhochdruck leiden häufig unter starker Erschöpfung, Leistungsschwäche und Schmerzen bei körperlicher Anstrengung, Schwindel oder einem Druckgefühl im Thorax. Dies kann ihre Bewegungs- und Aktivitätsfähigkeit erheblich einschränken. Die Verengung der Lungengefäße wirkt sich auch auf das rechte Herz aus, das normalerweise das Blut in die Lunge pumpt. Darüber hinaus ist das rechte Herz Taktgeber für das gesamte Herz. Wenn sich das Blut in diesem Bereich staut, kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen. Außerdem kann sich das Blut in inneren Organen wie der Leber oder dem Magen-Darm-Trakt stauen, was zu Symptomen wie Völlegefühl, Appetitlosigkeit und Ödemen in den Beinen führt.
Das Schwierige an dieser Erkrankung ist, dass sie sich schleichend entwickelt. In Ruhe haben die Patienten oft keine Beschwerden und können gut darüber sprechen. Sie bemerken jedoch, dass sie sich zunehmend schlechter belasten können. Dies wird oft auf das Alter, allgemeine Alterserscheinungen oder mangelndes Training zurückgeführt. Deshalb ist es schwierig, Lungenhochdruck nur anhand der Symptome zu erkennen. Es ist jedoch sehr wichtig, dass Patienten regelmäßig einen Rheumatologen aufsuchen, da dieser die notwendigen Untersuchungen durchführen kann, um festzustellen, ob ein Lungenhochdruck oder ein erhöhtes Risiko dafür besteht. Die Früherkennung ermöglicht auch ein rechtzeitiges Eingreifen, da es Medikamente gibt, die in die Mechanismen der Verengung der Lungengefäße eingreifen können.
Prof. Riemekasten: Die Prognose hat sich verbessert, weil wir heute viel intensiver behandeln. Wir haben heute für ein breites Spektrum an Krankheitsmanifestationen eine Vielzahl an Medikamenten zur Verfügung, darunter auch Biologika, die gezielt in bestimmte Mechanismen eingreifen. Beispiele für Biologika sind Rituximab und Tocilizumab, die bestimmte Zellen oder auch nur Botenstoffe ausschalten.
Wir setzen verstärkt auf Kombinationstherapien mit immunsuppressiven Medikamenten, und eine besonders spannende Entwicklung sind die sogenannten CAR-T-Zell-Therapie. Diese eliminiert alle B-Zellen und erste klinische Berichte zeigen eine deutliche Verbesserung der Symptome durch diese Therapie. Unsere immunsuppressive Therapie wird immer moderner und nebenwirkungsärmer. Für jeden einzelnen Patienten führen wir individuelle Kombinationstherapien mit immunsuppressiven Medikamenten durch.
Darüber hinaus stehen uns neuere antifibrotische Medikamente wie Nintedanib zur Verfügung, die insbesondere bei der Lungenfibrose wirksam sind und viele Patienten stabilisieren können. Auch im Bereich der vasoaktiven Substanzen setzen wir zunehmend von Anfang an auf Kombinationstherapien, um die verschiedenen Mechanismen, die diesen Gefäßveränderungen zugrunde liegen, effektiver behandeln zu können.
Für jeden einzelnen Patienten führen wir individuelle Kombinationstherapien mit immunsuppressiven Medikamenten durch.
Prof. Riemekasten: Wir haben inzwischen eine recht gute Vorstellung davon, dass Autoantikörper eine wichtige Rolle spielen. In unserer Arbeitsgruppe konzentrieren wir uns darauf, die Funktion einzelner Autoantikörper zu entschlüsseln. Kürzlich haben wir spezifische Antikörper entdeckt, die Entzündungen in Lunge und Haut auslösen. Ein anderer Antikörper verändert die Blutgefäße und führt zu verstärkter Arteriosklerose. Und ein weiterer Antikörper beeinflusst das Gerinnungssystem.
Unser Ziel ist es, diese Autoantikörper wie Noten in einer Symphonie zu interpretieren, um die Krankheit besser zu verstehen und herauszufinden, was genau passiert. Es gibt Möglichkeiten, diese Autoantikörper zu bekämpfen, vor allem mit Hilfe spezieller Zelltherapien und aktuell durch CAR-T-Zelltherapien, die aus der Behandlung von Krebserkrankungen kommen. Diese Therapie ist vielversprechend, aber derzeit noch sehr teuer: Sie kostet etwa 300.000 Euro pro Person. Das bedeutet, dass sie nicht für alle Patienten mit dieser Erkrankung erschwinglich ist.
Neue Entwicklungen gibt es auch im Bereich der spezifischen Antikörper, die ebenfalls aus der Krebstherapie stammen. Diese könnten in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und unser Fachgebiet bereichern. Ich glaube, die Zukunft liegt darin, genau zu erkennen, welche Autoantikörper für den einzelnen Patienten relevant sind und dann gezielt daran zu arbeiten, diese zu eliminieren. Es gibt bereits vielversprechende Forschungsansätze im Bereich der autoantigenspezifischen Zelltherapie. Ich denke, dass dies ein wichtiger Teil der zukünftigen Behandlung unserer Patienten sein wird.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 16.01.2024.