SIBO (Small Intestinal Bacterial Overgrowth) ist eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms, die zu Verdauungsproblemen wie Blähungen, Bauchschmerzen und Durchfall, aber auch zu systemischen Beschwerden wie Müdigkeit oder Hautproblemen führen kann. Die Diagnose erfolgt in der Regel durch einen Atemtest, bei dem die von den Bakterien nach Einnahme einer Zuckerlösung produzierten Gase gemessen werden. Die Behandlung umfasst Antibiotika oder natürliche Alternativen zur Bakterienreduktion, Maßnahmen zur Verbesserung der Darmmotilität und der Verdauung sowie eine gezielte Ernährungsumstellung zur Vermeidung von Rückfällen.Langfristig spielen ein gesunder Lebensstil, Stressmanagement und eine ausgewogene Darmflora eine entscheidende Rolle bei der Vorbeugung und Heilung von SIBO.
Dr. Weber: Eine Dünndarmfehlbesiedlung, auch als "Small Intestinal Bacterial Overgrowth" (SIBO) bezeichnet, ist eine Erkrankung, bei der sich im Dünndarm eine übermäßige Anzahl von Bakterien ansiedelt – Bakterien, die normalerweise vor allem im Dickdarm vorkommen. Diese bakterielle Überwucherung kann zu Symptomen wie Blähungen, Bauchschmerzen, Völlegefühl, Durchfall und auch zu systemischen Beschwerden wie chronischer Müdigkeit oder Hauterkrankungen wie Rosacea führen.
Dr. Weber: Da die Symptome von SIBO denen anderer Magen-Darm-Erkrankungen ähneln, ist eine sorgfältige Differentialdiagnose wichtig. Zunächst sollte eine ärztliche Untersuchung andere Ursachen ausschließen. Um eine SIBO diagnostizieren bzw. ausschließen zu können sollte ein entsprechender Atemtest durchgeführt werden:
Der Patient trinkt eine Zuckerlösung (Glukose oder Lactulose). Die Bakterien im Dünndarm verstoffwechseln den Zucker und produzieren dabei Gase (z.B. Wasserstoff, Methan), die in der ausgeatmeten Luft gemessen werden.
Dr. Weber: SIBO kann als Ursache oder Verstärker für andere Darmerkrankungen fungieren:
Dennoch ist wichtig zu sagen, dass neben der bakteriellen Überwucherung auch zahlreiche andere Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von Reizdarm und Leaky Gut eine Rolle spielen.
Dr. Weber: SIBO entsteht in der Regel durch eine Kombination mehrerer Faktoren, die das Gleichgewicht im Dünndarm stören. Ein Auslöser wäre eine verzögerte Darmmotilität: Normalerweise sorgt eine Art Putzfunktion des Dünndarms, der sogenannte migrierende motorische Komplex (MMC), dafür, dass Nahrungsreste und Bakterien aus dem Dünndarm in den Dickdarm transportiert werden. Wird dieser Mechanismus gestört (etwa durch Störungen nach Lebensmittelvergiftungen, Verwachsungen, chronischen Stress oder traumatische Erlebnisse), verbleiben die Lebensmittelrückstände und Bakterien länger im Dünndarm, was deren Vermehrung begünstigt.
Zusätzliche Faktoren können sein: Schilddrüsenunterfunktion und Magensäuremangel (zum Beispiel durch langfristige Protonenpumpenhemmer) können ebenfalls die Darmbewegung verlangsamen und die Abwehrfunktion beeinträchtigen, sodass mehr Bakterien im Dünndarm überleben und sich hier vermehren können.
Ein Auslöser wäre eine verzögerte Darmmotilität...
Dr. Weber: Im gesunden Dünndarm ist die Bakterienzahl relativ gering. Ihre Aufgaben umfassen:
Können sich zu viele Bakterien ansiedeln, entstehen Probleme wie:
Dr. Weber: Häufig beobachtete Mängel bei SIBO sind:
Die Ursachen hierfür liegen in der direkten Verstoffwechselung der Nährstoffe durch die Bakterien. Die Darmschleimhaut wird beschädigt, was somit die Nährstoffaufnahme beeinträchtigt. Eine gestörte Fettverdauung aufgrund eines reduzierten Gallensäuregehalts (verursacht durch Bakterien) entsteht.
Dr. Weber: Es gibt derzeit zwei Hauptdiagnoseverfahren. Dazu gehört zum einen der Atemtest, wie schon einmal zuvor genannt. Der Patient trinkt eine Zuckerlösung. Sind übermäßig viele Bakterien im Dünndarm vorhanden, verstoffwechseln diese die Zuckerlösung frühzeitig, wodurch Gase (Wasserstoff/Methan) entstehenden. Diese Gase werden nach definierten Zeitabständen in der ausgeatmeten Luft gemessen. Der Test ist nicht-invasiv, einfach durchzuführen und kostengünstig. Jedoch können die Ergebnisse durch Faktoren wie individuelle Transitzeit beeinflusst werden.
Eine weitere Möglichkeit der Diagnose wäre die Untersuchung des Aspirats aus dem Dünndarminhalt mit bakteriologischer Kultur. Während einer Endoskopie wird eine Probe des Dünndarminhalts entnommen und im Labor analysiert. Diese Methode gilt wissenschaftlich als Goldstandard, da die genaue Art und Menge der Bakterien bestimmt werden kann. Jedoch ist diese Variante invasiv, aufwändig, teuer und anfällig für Kontaminationen mit anderen Bakterien während der Probenentnahme und dem Transport ins Labor.
In der klinischen Praxis wird in der Regel zur SIBO-Diagnostik der Atemtest durchgeführt.
Dr. Weber: Die Behandlung von SIBO umfasst mehrere zentrale Ziele, um sowohl die Symptome zu lindern als auch den zugrunde liegenden Ursachen entgegenzuwirken:
Insgesamt spielen Antibiotika eine zentrale Rolle bei der initialen Reduktion der Bakterienzahl, während die weiteren Maßnahmen – von der Unterstützung der Verdauung und Darmmotilität über die Regeneration der Darmschleimhaut bis hin zur Behandlung zugrunde liegender Ursachen – dafür sorgen, dass der Dünndarm nachhaltig stabilisiert und Rückfälle vermieden werden. Eine FODMAP-arme Ernährung kann zur akuten Linderung von Symptome herangezogen werden. Sie löst jedoch nicht die Ursachen und sollte nicht dauerhaft angewandt werden, da sie die Regeneration des Darmmikrobioms langfristig hemmen kann.
Insgesamt spielen Antibiotika eine zentrale Rolle bei der initialen Reduktion der Bakterienzahl...
Dr. Weber: Probiotika können helfen, das Darmmikrobiom zu stabilisieren und die Schleimhautbarriere zu unterstützen. Dabei sind folgende Punkte zu beachten:
Dr. Weber: Ganzheitliche Ansätze zur Behandlung von SIBO kombinieren mehrere Maßnahmen:
Dr. Weber: Zunächst empfiehlt es sich, eine umfassende Nährstoffuntersuchung durchzuführen, um individuelle Mängel zu identifizieren und gezielt zu beheben. Allgemein können folgende Nährstoffe nützlich sein:
Dr. Weber: Die Behandlungsdauer variiert je nach Schweregrad der Erkrankung und den zugrunde liegenden Ursachen. Bei einer Antibiotikatherapie können erste Verbesserungen oft bereits während des ersten Behandlungszyklus beobachtet werden, wobei häufig mehrere Antibiotika-Zyklen nötig sind. Um eine stabile Darmflora und eine normale Darmmotilität zu erreichen, können mehrere Monate vergehen – vor allem wenn auch zugrunde liegende Probleme wie Schilddrüsenunterfunktion oder chronischer Stress behandelt werden müssen. Eine kontinuierliche Anpassung des Lebensstils ist entscheidend, um Rückfälle zu vermeiden.
Bei einer Antibiotikatherapie können erste Verbesserungen oft bereits während des ersten Behandlungszyklus beobachtet werden...
Dr. Weber: Hierbei können kurzfristige Ansätze vorerst Linderung erzielen:
Langfristig sollte jedoch eine antientzündliche, ballaststoffreiche Ernährung angestrebt werden. Für den langfristigen Erfolg empfiehlt sich eine Ernährung, die auf frischen, unverarbeiteten Lebensmitteln (Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte) basiert. Diese Ernährungsweise fördert die Darmbewegung, unterstützt ein gesundes Mikrobiom und reduziert Entzündungen nachhaltig. Zusätzlich sollte man regelmäßige körperliche Aktivität ausüben und Prokinetika (auch in Form pflanzlicher Präparate) einsetzen, um die Darmmotilität zu unterstützen. Auch die mentale Gesundheit spielt eine zentrale Rolle. Dazu gehören Stressreduktion und Trauma-Therapie, um die Darm-Hirn-Achse zu stabilisieren und langfristig Rückfälle zu vermeiden. Präventiv ist auch das Vermeiden von Lebensmittelvergiftungen wichtig – etwa durch gute Reiseplanung und das Einhalten von Reiseempfehlungen, insbesondere in asiatischen und südamerikanischen Ländern.
Dr. Weber: Die aktuelle Forschung zu SIBO konzentriert sich auf mehrere Bereiche. Zum einen die Pathophysiologie: Das zugrundeliegende Krankheitsgeschehen wird intensiv erforscht, um besser zu verstehen, wie eine bakterielle Überwucherung im Dünndarm entsteht. In der Diagnostik wird daran gearbeitet, die Genauigkeit von Atemtests zu verbessern – neben Wasserstoff und Methan rückt auch die Rolle von Schwefelwasserstoff als potenzieller Biomarker in den Vordergrund. Neue Behandlungsstrategien, wie alternative antibiotische Verfahren und diätetische Interventionen (z.B. Elemental-Diät), werden weiter evaluiert. Auch die Rolle von Probiotika wird weiterhin kritisch untersucht, um herauszufinden, welche Stämme zur Wiederherstellung eines gesunden Mikrobioms beitragen können. Die Forschung unterstreicht, dass SIBO ein komplexes Krankheitsbild ist, das einen kombinierten Ansatz aus Diagnose, Therapie und präventiven Maßnahmen erfordert.
Danke für das Interview!
Letzte Aktualisierung am 04.03.2025.